Nach den Erfahrungen aus dem Frühjahr ist wohl für meisten Menschen klar: „Baden-Württembergs Binnengrenzen zu Frankreich und der Schweiz müssen weiter geöffnet bleiben.“ So steht es auch in der jüngsten gemeinsamen Medienmitteilung von Landregierung, Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag, Handwerkskammertag, den Industrie- und Handelskammern, sowie den Handwerkskammern im Südwesten. Ob man angesichts der geltenden Einschränkungen beim Grenzübertritt durch die Corona-Einreiseverordnung des Landes und den damit verbundenen Quarantäneregelungen wirklich noch von 'offener Grenze' sprechen kann, darüber lässt sich diskutieren.

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Allerdings droht seit mehreren Wochen bereits ein weiteres Szenario, das noch deutlich stärkere Einschränkungen mit sich brächte: Nämlich, wenn der Bund die Nachbarregionen der Schweiz oder Frankreich zum Virusvariantengebiet oder zum Hochinzidenzgebiet erklären sollte. Unter anderem müssten Grenzgänger – in der deutsch-französisch-schweizerischen Grenzregion gibt es rund 100.000 Grenzgehende – mindestens mehrmals die Woche bis täglich einen negativen Corona-Schnelltest nachweisen, um quarantänefrei wieder nach Baden-Württemberg einreisen zu dürfen. Derzeit deute entlang des Hochrheins bis zum Bodensee darauf nichts hin, so die Versicherungen von offizieller Stelle, doch seit einiger Zeit läuft der Aufbau einer Infrastruktur, die diese regelmäßigen Tests bei entsprechender Einstufung ermögliche.

Nun hat sich das Land Baden-Württemberg mit Spitzenverbänden der Wirtschaft auf ein zusätzliches Angebot an Schnelltests für Unternehmen mit Grenzpendlern verständigt: Insgesamt 300.000 Antigen-Schnelltests aus der Notreserve des Landes, die zur Testung durch geschultes Personal freigegeben sind, sollen übergangsweise bis voraussichtlich Ende März dazu beitragen, die Verkehre von und nach Baden-Württemberg, Frankreich und die Schweiz sicherzustellen, heißt es in einer gemeinsamen Medienmitteilung. Der Hinweis auf den Vorsorge-Charakter des Angebots: „Der Einsatz der Tests aus der Notreserve des Landes durch die Betriebe ist dann vorgesehen, wenn es durch die weitere Corona-Entwicklung mit Virusvarianten oder Hochinzidenzsituationen zu Verschärfungen kommt.“ Ein Beispiel dafür ist das französische Département Moselle an der Grenze zum Saarland, das Ende Februar zum Virusvariantengebiet erklärt wurde.

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In einem am 10. März unterzeichneten Memorandum of Understanding verpflichten sich die Partner aus IHK-Organisation, Handwerk und Südwestmetall zu aktiver Unterstützung. Sei es bei der Sensibilisierung für Testungen oder im Fall der Grenzkammern bei der Bereitstellung entsprechender Testkontingente. Diese erhalten Betriebe mit beschäftigten Grenzpendlern, insbesondere kleiner und mittelständischer Unternehmen mit Sitz in Baden-Württemberg, auf Anmeldung kostenfrei zur Abholung, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Dabei gelte das ‚Windhund-Prinzip‘ und Tests würden so lange ausgegeben werden, wie es der Vorrat ermögliche. Die maximale Stückzahlabgabe sei jedoch begrenzt.

Wie sehen weitere Vorbereitungen in Baden-Württemberg aus?

In der gemeinsamen Erklärung der Landesregierung und der Partner aus der Wirtschaft wird auf das Gesamtkonzept verwiesen: Für Grenzpendler habe das Land bereits Anfang Februar kostenlose Testmöglichkeiten für den Fall der Einstufung eines Nachbarlandes als Hochinzidenz- oder Virusvariantengebiet geschaffen. Zudem habe das Land die Kommunen mit vier Millionen Testkits ausgestattet, um ergänzende Testangebote zu entwickeln. Mit dem Bürgertest der nationalen Teststrategie gebe es zudem einen weiteren Baustein für ein breites Testangebot.

Was sagen Landespolitiker zur neuen Initiative?

„Insbesondere im Hinblick auf die Virusmutanten ist ein systematischer und zielgerichteter Einsatz von Schnelltests ein wichtiges Instrument, um vor Corona-Infektionen zu schützen. Grenzpendlerinnen und -pendler und Grenzgängerinnen und -gänger in Baden-Württemberg können sich bereits seit Anfang Februar kostenlos in Hausarztpraxen, Corona-Schwerpunktpraxen, Apotheken oder kommunalen Testzentren kostenlos testen lassen. Allerdings dürfte die Nachfrage nach Testmöglichkeiten weiter steigen“, wird Ministerpräsident Winfried Kretschmann in der Mitteilung zitiert. „Deswegen sind wir froh, dass wir gemeinsam mit den Wirtschaftskammern das bestehende Testangebot durch Testmöglichkeiten in den Unternehmen der Grenzregion erweitern können. Damit soll ein reibungsloser Grenzverkehr auch weiter gewährleistet werden.“

„Die Folgen der Pandemie stellen unsere Grenzregionen, die wirtschaftlich eng miteinander verflochten sind, vor große Herausforderungen. Die zusätzlichen Testkapazitäten für Grenzpendlerinnen und -pendler stellen eine erhebliche Erleichterung für unsere Betriebe in diesen Regionen dar“, so Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut.

„Wir freuen uns, dass wir das bestehende dezentrale Testangebot für Grenzpendlerinnen und -pendler gemeinsam mit den Unternehmen in der Grenzregion weiter ausbauen und stärken können. Der Test im Betrieb gibt nicht nur unseren heimischen Unternehmen in Baden-Württemberg Sicherheit, sondern zeigt auch, dass der gemeinsame europäische Lebens- und Wirtschaftsraum für uns von großer Bedeutung ist“, wird Gesundheitsminister Manne Lucha in der Erklärung zitiert.

Was sagen die Vertreter aus der Wirtschaft?

„Die IHK-Organisation im Land steht ihren Unternehmen weiter zur Seite – gerade in diesen pandemisch volatilen Zeiten. Wir setzen alle Hebel in Bewegung und helfen aktiv, um Betrieben und deren Beschäftigten eine Geschäftsperspektive zu geben. Dies war schon so bei den Soforthilfen des Landes im ersten Corona-Lockdown 2020 und ist auch jetzt der Fall. Insbesondere der freie Grenzverkehr für Personen, Waren und Dienstleistungen muss bestmöglich gesichert werden. Tests können hier dazu beitragen. Deshalb bieten wir als IHK-Organisation mit der Landing-Page www.schnelltest.ihk.de eine eigene digitale Plattformlösung für IHK-Mitgliedsbetriebe mit Grenzpendlern an. Die schnelle Unterstützung war bereits das Erfolgsrezept bei der Corona-Soforthilfe und diesen Weg gehen wir entschlossen weiter“, wird Wolfgang Grenke, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages, zitiert.

Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee, sagt: „Impfstrategie, Teststrategie und Öffnungsstrategie müssen ineinandergreifen. Das gilt für die Öffnung der Geschäfte und der Grenzen gleichermaßen. Wenn Tests dazu beitragen können, dass unsere Außengrenzen auch bei steigenden Inzidenzzahlen offen bleiben, dann sollte das auf keinen Fall an der Logistik scheitern.“

Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold ergänzt: „Für unsere Handwerksbetriebe in den Grenzregionen ist es entscheidend, dass ihre Grenzpendler zuverlässig weiterarbeiten können. Dafür sind in der aktuellen Pandemie-Lage Testungen ein wichtiges Mittel, um mehr Sicherheit für Mitarbeiter und Kunden zu erreichen. Unsere Handwerkskammern haben bereits im ersten Lockdown und bei der Abwicklung der Soforthilfen gezeigt, dass sie handlungsfähig sind. Selbstverständlich beteiligen sie sich daher auch an der Organisation und Verteilung der Schnelltests an die Betriebe.“

Südwestmetall-Vorsitzender Wilfried Porth führt aus: „Wir begrüßen, dass die Landesregierung die Betriebe in den Grenzregionen besser unterstützen will. Wir brauchen offene Grenzen, und insbesondere die regelmäßige Testung der Grenzpendler kann ein wichtiger Baustein sein, dies trotz des teilweise problematischen Infektionsgeschehens in den Nachbarländern sicherzustellen. Wir werden uns daher als Verband bei unseren Mitgliedern dafür stark machen, dass sie – unter Berücksichtigung der geltenden Rechtslage – entsprechende Testkonzepte im Betrieb umsetzen, sofern dies nicht ohnehin schon geschieht.“

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