Von solchen Zahlen träumen sie heute, die Gläubigen der Internationalen Baptistengemeinde Waldshut. Es sind die Zahlen von Ostern 1525. Zu der Zeit war Balthasar Hubmaier Pfarrer in der Stadt. An Ostersonntag 1525 lässt er eine Massentaufe in der etwa 900 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Stadt vornehmen. 300 Erwachsene nehmen daran teil, bis einschließlich Mittwoch nach Ostern steigt deren Zahl auf 360 – Hubmaier selbst ist auch darunter. So manche sind noch zögerlich angesichts des Erstarkens der Wiedertäufer, wie die Anhänger der Erwachsenentaufe auch genannt werden.
Doch als Hubmaier droht, die Stadt zu verlassen, willigen sie ein. Das Taufwasser lässt der Pfarrer in gewöhnlichen Milchkübeln aus Stadtbrunnen schöpfen und zur Kirche bringen. Weihwasser und Taufsteine sind nutzlos geworden, landen auf Anordnung des Pfarrers im Rhein. Und auch sonst lässt Hubmaier die Kirchen leeren. Bilderstürmerisch ordnet er an, allen Zierrat aus den örtlichen Kirchen zu entfernen und ebenfalls in den Rhein zu werfen. Gottesdienst hält er rein in deutscher Sprache. Statt den Oblaten, den Hostien, gibt es zur Kommunion nun „richtiges“ Brot.
Kindertaufe gegen Erwachsenentaufe
Den Bildersturm der Waldshuter mögen die Zürcher Reformatoren um Huldrych Zwingli noch unterstützt haben. Aber die Erwachsenentaufe, zu deren Zentrum die Stadt nun wird und von der sie auch in die Region ausstrahlt, lehnen die Schweizer Freunde entschieden ab. Sie bevorzugen die traditionelle Kindertaufe. So isolieren sie sich immer mehr voneinander.

Die einzigen Freunde, die Waldshut jetzt noch hat, sind die aufständischen Bauernhaufen, die sich im Frühjahr 1525 den Entscheidungsschlachten mit dem Adel und den Reichsstädten stellen – und dabei verheerende Niederlagen einstecken. Am 23. Mai nimmt ein Haufen von 18.000 Breisgauer und Südschwarzwälder Bauern zwar Freiburg ein. Doch der Erfolg ist mangels Disziplin nur vorübergehend. Anführer Hans Müller, genannt von Bulgenbach, seinem zu Grafenhausen gehörenden Geburtsort, ist auf der Flucht, wird gefangengenommen und am 12. August 1525 in Laufenburg hingerichtet.
Aber noch können sich die Bauern im Klettgau halten. Unter ihrem Anführer Klaus Wagner aus Grießen belagern sie die Küssaburg im Juni und nochmals im Oktober 1525, beide Male vergeblich. Schließlich lassen die vorderösterreichischen Herren ein aus Rittern und Landsknechten bestehendes Heer aufmarschieren.
Und so kommt es am 4. November 1525 zur letzten Schlacht des Bauernkriegs auf deutschem Gebiet, zur Schlacht in Grießen. Die notdürftig bewaffneten Bauern sind chancenlos gegen die Profi-Krieger. Sie werden gnadenlos niedergemacht. Grießen, wo sich zuvor, um den Jahreswechsel 1524/25, der berühmte Theologe und Widersacher Luthers, Thomas Müntzer, aufhielt, wird aus Rache dem Erdboden gleichgemacht.
Evangelischer Prediger geblendet
Wagner, der Anführer der Grießener Bauern, wird hingerichtet. Am Leben bleibt Hans Rebmann, der evangelische Prediger des Dorfes. Doch er wird auf Geheiß von Graf Rudolf V. von Sulz geblendet. Das heißt, es werden ihm die Augäpfel herausgerissen. Dennoch überlebt er die grausame Bestrafung und wird später sogar reformierter Pfarrer in Zürich. Grießen selbst wird rücksichtslos rekatholisiert. Für mehrere Jahrhunderte sollte es im Dorf keine Evangelischen mehr geben.
Mit der Niederlage der Bauern zieht sich die Schlinge um Waldshut immer mehr zu. So wird auch für Hubmaier die Luft in der Stadt immer dünner. Als sich diese dann am 5. Dezember 1525 ergibt und von österreichischen Truppen besetzt wird, können sich der Pfarrer und mit ihm etwa 60 Gleichgesinnte in letzter Sekunde absetzen und über den Rhein in die Eidgenossenschaft flüchten. In Zürich, bei befreundeten Wiedertäufern, findet er Unterschlupf. Doch die alten Freunde zwingen ihm zum Widerruf seiner Wiedertäufer-Lehren. Worauf er sich zum Schein einlässt, den Widerruf dann aber doch verweigert. Nun lässt ihn Zwingli sogar in Haft nehmen. Und daraus kommt er dann wirklich nur noch mit dem Widerruf heraus. Verbittert von der Feindschaft der einstigen Freunde, verlässt Hubmaier Zürich und flüchtet ins österreichische Mähren. Doch auch dort gerät er in die Fänge der Obrigkeit. Erneut verhaftet, endet der als „Ketzer“ geltende Waldshuter Theologe am 10. März 1528 in Wien auf dem Scheiterhaufen. Seine Frau erleidet das Schicksal, in der Donau ertränkt zu werden.
Waldshut indes trifft das Strafgericht der Sieger. Mit den einstigen Rechten und Privilegien ist vorerst Schluss. Am meisten schmerzt die Waldstadt der Verlust der freien Wahl der Schultheißen, wie die Stadtoberen damals heißen. Dieses Recht sollte lange nicht mehr wiederkehren, erst 1803 mit dem Ende der österreichischen Herrschaft am Hochrhein.
Wo war die letzte Schlacht? Bei Grießen oder im Rafzerfeld?
Sie gilt als die letzte Schlacht im deutschen Bauernkrieg. Dass diese am 4. November 1525 stattgefunden hat, ist unbestritten. Strittig ist aber, wo sie stattgefunden hat: War es bei Grießen im Klettgau? Oder vielmehr auf dem Rafzerfeld im Jestetter Zipfel, im Kanton Zürich, also auf Schweizer Boden?
Den Streit ausgelöst, hat das jüngst von Carsten Priebe aus Rafz veröffentlichte Buch mit dem Titel “1525: Die Schlacht im Rafzerfeld„. Damit meint der Autor jene Schlacht vom November. Das weckte den Widerspruch regionaler Historiker, so auch den von Thomas Neukom, stellvertretender Staatsarchivar des Kantons Zürich, Vorstandsmitglied der Kommission für Ortsgeschichte Rafz und selbst in Rafz lebend. Unter dem Titel “Es gab 1525 keine ‘Schlacht im Rafzerfeld‚„ – Historiker widerspricht These aus neuem Buch„, erschienen in den Schaffhauser Nachrichten vom 12. April, verteidigt der Autor das klettgauische Dorf Grießen als alleinigen Austragungsort der Schlacht.
Und führt als Beweis zeitgenössische Quellen an. Daraus geht hervor, dass sich das obrigkeitliche Heer in Stühlingen gesammelt hatte und von dort direkt nach Grießen gezogen war, wo es auf das Bauernheer traf. Stützen würde die These auch, dass ja Grießen nach der Niederlage der Bauern angezündet und so völlig zerstört worden ist.
Auch die gesamte historische Fachliteratur seit dem 19. Jahrhundert, so Neukom, habe stets von der Schlacht bei Grießen gesprochen. Von einer auf dem Rafzerfeld sei darin nirgends die Rede. Belegt sei lediglich, dass Rafzerfelder Bauern ebenfalls in Grießen waren, um den deutschen Brüdern beizustehen und mit ihnen gegen die Ritter und Landsknechte unter Führung des Christoph Fuchs von Fuchsberg zu kämpfen.
Priebe aber sagt: “Ich bleibe dabei. Die Schlacht im Rafzerfeld gab es.„ Dass es die Schlacht bei Grießen auch gab, stellt er nicht in Abrede. Seine These ist: Es gab beide, zeitlich zuerst die bei Grießen, dann die auf dem Rafzerfeld, beide am 4. November. Als Belege führt Priebe an, dass der Kanton Zürich sowohl Schlacht-Beobachter entsandt als auch die Rheinbrücke von Eglisau mit 500 Soldaten habe absperren lassen, um zurückweichende Bauern an der Flucht in die Schweiz zu hindern. Die Zürcher hätten Angst gehabt, dass die Bewegung auf die Schweiz übergreifen und zu Konflikten mit den deutschen Nachbarn führen könnte. “Was für einen Grund hätte es dafür gegeben, wenn die Schlacht nur relativ weit entfernt bei Grießen stattgefunden hat und nicht auch noch ganz nah an der Grenze„, argumentiert er.
Die Bauern hätten erkannt, dass ihnen ohnehin der Tod drohe und so den Entschluss gefasst, im Rafzerfeld mit seiner günstigen Topografie der Obrigkeit den letzten Widerstand entgegenzubringen. Daher hätten sie an jenem 4. November 1525 zweimal die Auseinandersetzung gesucht – in Grießen wie auch im Rafzerfeld.