In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Beerdigungskultur gravierend gewandelt. Laut Statistischem Bundesamt entscheiden sich mittlerweile etwa 75 Prozent der Menschen für eine Feuerbestattung. Genaue Zahlen, wie viele Menschen sich in Baden-Württemberg jährlich für eine Waldbestattung entscheiden, gibt es derzeit nach unseren Recherchen nicht. Wir stellen beispielhaft den kommunalen Waldfriedhof in Hohentengen-Lienheim und das Konzept von Ruheforst in Rickenbach vor. Ruheforst ist ein privates Unternehmen, das als Dienstleister in Erscheinung tritt.

Der Waldfriedhof in Lienheim

Dem Wunsch zu individuelleren und persönlicheren Bestattungen tragen viele Gemeinden im Kreis Waldshut Rechnung. Bürgermeister Jürgen Wiener (Hohentengen) stellt den Waldfriedhof im Ortsteil Lienheim vor. „Ich finde, dass man, soweit rechtlich möglich, eine Vielzahl an Bestattungsformen zulassen sollte, um den letzten Wunsch eines Menschen zu erfüllen.“ Schon zu Lebzeiten können Bäume reserviert werden. „In diesem Falle muss der Baum gekauft werden, hierbei fallen Gebühren für bis zu zwölf Urnenplätze an, das sind dann 12.000 Euro.“ Dieser Betrag ist bei einer Reservation sofort fällig. Es können aber auch einzelne Plätze reserviert werden. Derzeit lägen drei Einzelplatzreservationen des jeweils überlebenden Ehepartners vor.

Hohentengens Bürgermeister Jürgen Wiener auf dem Waldfriedhof im Ortsteil Lienheim.
Hohentengens Bürgermeister Jürgen Wiener auf dem Waldfriedhof im Ortsteil Lienheim. | Bild: Edinger, Gerald

Kriterien für den Standort des Waldfriedhofs waren eine gute Zugänglichkeit, das Waldbild und ein gesunder Baumbestand. Dabei wird so wenig wie möglich in die Waldkultur eingegriffen. 60 Bäume stehen für 720 Urnenplätze zur Verfügung, davon sind 96 bereits belegt, erläutert Wiener. Bei allen Bestattungen in der Natur dürfen nur Bio-Urnen verwendet werden, und es dürfen keine Gegenstände am Grab abgelegt werden. „Es bleibt Waldboden ohne jeglichen Grabschmuck“, erläutert der Bürgermeister. Die Gebühren für die Überlassung eines Urnengrabplatzes auf dem Waldfriedhof für 30 Jahre betragen 1700 Euro. Auch nicht in der Gemeinde Hohentengen wohnhafte Menschen können sich hier beisetzen lassen.

Der Ruheforst in Rickenbach

Das von der Ruheforst GmbH betriebene Begräbnis-Biotop in Rickenbach wurde erst vor wenigen Monaten eingerichtet. Daniel Franz von der Dienstleistungs-Gesellschaft betreibt für Ruheforst das Biotop in Rickenbach. Familie von Leopold von Schönau-Wehr hat in einem ersten Schritt 2,5 Hektar zur Verfügung gestellt. Eine Erweiterung auf bis zu 26 Hektar sei möglich, erzählt Franz. Hier können Verstorbene nicht nur unter einem Baum die letzte Ruhe finden, auch Baumstümpfe, Findlinge oder Büsche können hierfür dienen. Die Plätze können zu Lebzeiten reserviert werden – auch hier wird je nach Anzahl und Art der Plätze vorab ein Betrag zwischen 600 und 1800 Euro für ein Ruhe-Biotop erhoben.

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Als Konkurrenz zum kommunalen Friedhof sieht Franz diese Einrichtung nicht. Er stellt aber eine immer größer werdende Nachfrage nach Bestattungen in der Natur fest. „Die Zahl der Einäscherungen liegt bei etwa 80 Prozent und immer mehr Menschen wollen in der Natur beigesetzt werden, weil es einfach schön ist“, sagt Daniel Franz. Um eine Begräbnisstätte wiederzufinden, sind die Ruhe-Biotope mit Namenstafeln versehen. Sie werden zudem blockweise nummeriert und auf einer Infotafel aufgeführt. Moderner geht es mit einer App, auf der der genaue Standort einer Ruhestätte angezeigt werden kann.

Die Bestatterin

Diana Stoll-Boller, Bestatterin aus Klettgau, hat schon viele Beerdigungen im Wald begleitet. „Im Wald gibt es aber des Öfteren Beerdigungen ohne Pfarrer. Die meisten Bestatter unterstützen Trauerredner und Familien, in dem sie einen Teil oder die gesamte Trauerfeier gestalten“, sagt die erfahrene Bestatterin. Dabei gelte es, den Bedürfnissen der Angehörigen und den Vorstellungen des Verstorbenen gerecht zu werden. In der Regel seien große Beerdigungen im Wald eher selten. Tendenziell passten Bestattungen im Wald zu Menschen, die anonymer lebten.

Sie betont, dass traditionelle Friedhöfe eine Einrichtung von Gemeinden sind und nichts mit der Kirche zu tun haben. „Das wissen viele Menschen nicht und sie entscheiden sich dann manchmal gegen den Friedhof. Klassische Friedhöfe müssten entstaubt werden. Ein parkähnliches Gelände mit Plätzen zum Verweilen wären ideal“, betont Diana Stoll-Boller. Friedhöfe seien für das soziale Handeln von hohem Wert. „Der Mensch braucht das Gefühl von Verbundenheit und Zugehörigkeit – dazu trägt auch ein Friedhof bei.“

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