Liebe Nachbarn in der Schweiz und Deutschland, wir vermissen angesichts der geschlossenen Grenze am meisten...
...gewohnte Wege in zwei Ländern
Nach links oder nach rechts? Die Hauptstraße oder die Bahnhofstraße? Viel mehr Möglichkeiten habe ich derzeit nicht, wenn ich aus dem Haus trete, um mich an der frischen Luft zu bewegen.
Denn die dritte Option, die Laufenbrücke, die gibt es in Laufenburg seit der Grenzschließung am 16. März nicht mehr. Mein Radius ist dadurch auf einen Halbkreis geschrumpft. Die Laufenburger Acht wurde zur mickrigen Drei.

Kein Spaziergang mehr am linken Rheinufer mit Rückkehr über das gegenüberliegende rechte. Keine schweißtreibenden Übungen mehr auf dem Zürich-Parcours am Heuberg. Keinen Trip mit dem Velo über Sulzerberg. Und mit Baden an der Badstube ist auch nichts. (Aber der Rhein hat derzeit ohnehin nur strenge 14 Grad. Auf dieses Vergnügen würde ich dann wohl auch bei offener Grenze verzichten.)
Markus Vonberg, SÜDKURIER-Redakteur
...die Umarmung der Familie
Liebe Ursula, liebe Franziska und lieber Beat aus dem schönen Aargau, seit zwei Jahren gehört Ihr zu meiner Familie – und ich mag es nicht mehr missen.
In schöner Regelmäßigkeit treffen wir uns, entweder beim „Grillieren“ oder „Bröödle“ bei Euch, oder wenn ihr nach dem „Poschte“ zu einem Besuch bei uns vorbeischaut.
Seit Wochen verhindert nun dieses Virus ein Wiedersehen. Kein gemeinsames Ostern, keine Geburtstagsfeier. Telefon und WhatsApp sind einfach nicht dasselbe. Es ist uns so schwer gefallen, Euch so lange nicht sehen zu können. Ich weiß aber etwas, was uns sicher genauso schwerfallen wird: Euch bei der nächsten Begegnung nicht umarmen zu dürfen.
Justus Obermeyer, SÜDKURIER-Redakteur
...den Geschmack des Sommers
Es ist schon verrückt: Bei mir hat es tatsächlich etwas gedauert, bis ich die Konsequenzen der Grenzschließung selbst richtig realisiert habe.
Und es ist mir etwas unangenehm, aber ich muss zugeben, dass dieses Bewusstwerden erst an einem sonnigen Aprilwochenende mit meiner Familie im Garten einsetzte und es mit einem bestimmten Geschmack verbunden ist. Denn wir alle trinken sehr gerne eine Sorte Eistee, die es nur in der Schweiz gibt und die für uns einfach dazugehört. Normalerweise kaufen wir dieses Erfrischungsgetränk und andere Dinge in regelmäßigen Abständen im Nachbarland ein.
Doch an diesem Wochenende war kein Eistee mehr da. Aufgebraucht. Der Nachschub unerreichbar. Keine Chance. Da fiel bei mir der Groschen und plötzlich war das Bewusstsein da: Die Grenze ist zu. Ein ganz bitteres Gefühl. Natürlich ist die Grenzschließung für jeden, der geliebte Menschen im Nachbarland hat, viel schlimmer. Darum bitte ich um Nachsicht für das Outing als Einkaufstourist. Aber liebe Nachbarn, ohne euren Eistee schmeckt der Sommer fad.
Monika Olheide, SÜDKURIER-Redakteurin
...die Bad Säckinger Altstadt
Ich habe sie schon unzählige Male gesehen, habe sie schon ungezählte Male beschritten, die alte Holzbrücke, die Stein mit Bad Säckingen verbindet, dieses etwas düstere, geheimnisvolle Monument der Zeitgeschichte.
Es ist jedes Mal ein erhabenes Gefühl, in sie einzutauchen, ihre gut 200 Meter abzuschreiten – und dann am anderen Ende, in Bad Säckingen, an Land zu gehen.

Ich liebe dieses Städtchen, das mit seinen Gassen auf mich etwas pittoresk wirkt, etwas mystisch auch und mich doch, jedes Mal aufs Neue, in seinen Bann zieht. Durch die Gassen zu flanieren, in diesem Schaufenster etwas zu entdecken, in jener Beiz kurz einzukehren oder in der Eisdiele ein Gelati zu schnabulieren. All das ist derzeit nicht möglich. Die Holzbrücke ist verriegelt, die Szenerie trostlos. Das Städtchen ist so nahe – und doch so fern. Ein Eisengitter trennt in ein Hier und ein Dort. Unerbittlich. Ich freue mich auf den Moment, an dem ich meinen Fuß wieder auf die alten Planken setzen kann.
Thomas Wehrli, Redakteur Aargauer Zeitung, Frick
...das unbeschwerte Freiheitsgefühl
Als Halbschweizerin in Leuggern geboren und in Waldshut aufgewachsen hat für mich die Grenze gefühlt nie existiert.
Ich erinnere mich an die langen Sommerferien und die vielen heißen Sommertage in meiner Jugend, an denen wir mit Picknick und Badetüchern am Altrhein zwischen Dogern und Albbruck auf Badeplatz-Suche gegangen sind.

Was Insider wissen: Die schönsten Badeplätze, mit puderweißen Sand und echtem Urlaubsfeeling liegen auf der Schweizer Seite – und sind weniger überlaufen als der Dreispitz. Tag für Tag sind wir rüber geschlendert, geradelt und später sogar mit dem Motorroller gedüst – was für ein Freiheitsgefühl! Die Kraftwerksbrücke von Dogern nach Leibstadt, der kleine Steg zwischen Albbruck und Schwaderloch – das alles war nie eine Barriere oder Grenze. Jetzt schon. Fernweh kann doch so nahe Orte betreffen – das weiß ich jetzt.
Sira Huwiler-Flamm, SÜDKURIER
...das grenzenlose Miteinander
Was Laufenburg seit langem auszeichnet, ist dieses spezielle Miteinander, das keine Grenzen kennt. Denn im Alltag war die Grenze längst nicht mehr präsent.
Viele Dinge wurden sogar erst dadurch komplett, dass beide Laufenburg an einem Strang zogen. Das gilt für große Veranstaltungen. Das gilt aber besonders für ganz alltägliche Dinge wie den Sonntagsspaziergang, den man einfach mal international und reich an kulturellen Schmankerl von Skulpturengarten bis zu zwei malerischen Altstädtchen gestalten konnte. Bis vor ein paar Wochen war so etwas eine Selbstverständlichkeit.

Und genau an solchen Dingen wird deutlich, wie einschneidend die Grenzschließung ist. Ein Ende dieser Situation ist noch nicht abzusehen. Aber hoffentlich kommt es bald, denn es sind ja noch grenzüberschreitende Projekte in Arbeit. Und der Wanderweg „Laufenburger Acht“ ist schließlich das markanteste.
Markus Baier, SÜDKURIER-Redakteur
...die kulturelle Vielfalt
Seit zwei Monaten gibt es keinen Museumsbesuch, um den Horizont zu erweitern, wenn einem im Homeoffice die Decke auf den Kopf zu fallen droht – obwohl gerade hochkarätige Werke und ausgeklügelte Installationen in den Ausstellungshäusern jenseits der Grenze auf Besucher warten.
Laut dem Newsletter des Museums Tinguely ist beispielsweise die Ausstellung „Amuse-bouche“ wieder geöffnet und sogar bis Ende Juli verlängert. Gut zu wissen! Wer es wie ich gewohnt ist, mal schnell am Samstag oder im Urlaub in den Zug zu sitzen und sich einen Tag lang die volle Dröhnung Kunst zu geben, muss sich in der Corona-Pandemie irgendwie anders neue Seheindrücke verschaffen.
Da habe ich, wie viele andere auch, das bei Dichtern und Denkern allseits beliebte Spazierengehen und Wandern wieder für mich entdeckt. Dumm nur, wenn man aus der Kindheit und Jugend schon die gesamte Region kennt und gerne auch mal wieder den Umkreis der Wanderziele schließen und auf die Schweizer Seite erweitern würde. Von der Mumpfer Fluh locken der Duft von Bärlauch und Grillwürstchen, wenn ich meine tägliche Runde am Rhein entlanglaufe. Die so nah liegende fließende Grenze wird zum unüberwindlichen Hindernis. Kann ich mich mit Nervennahrung in Form von Schweizer Schoggi trösten? Ja, immerhin das geht, allerdings nur mit gängigen Handelsmarken, die auch hier zu haben sind (von Ostern gibt es sogar noch alles zum halben Preis) und nicht mit den handgefertigten Manufakturspezialitäten, auf die ich sonst bei keinem Besuch in Basel, Aarau oder Schaffhausen verzichte. Wann ist die Zeit des Mittelmaßes und des eingeschränkten Genusses endlich vorbei?
Sabine Vöckt, SÜDKURIER-Redakteurin