Energiewende und die Sicherung der Stromversorgung für die Zukunft fordern von den Netzbetreibern Transnet BW und Amprion erhebliche Anstrengungen. Diese zeigen sich am Hochrhein in Form des geplanten Umbaus des Gurtweiler Umspannwerks wie auch des Leitungsneubaus von Herbertingen bei Sigmaringen zu dem Knotenpunkt bei Waldshut-Tiengen. Insbesondere diese Pläne sorgen aber auch schon jetzt für Irritationen. Doch Möglichkeiten diese zu berücksichtigen sieht Transnet nicht.

So sieht das Investitionsvolumen aus

Tanja Ulmer und Otto Kettmann von Transnet BW erläutern bei einem Pressegespräch die Pläne des Netzbetreibers – und die Nachteile, ...
Tanja Ulmer und Otto Kettmann von Transnet BW erläutern bei einem Pressegespräch die Pläne des Netzbetreibers – und die Nachteile, die die Stromtrassenführung für Breitenfeld mit sich bringt. | Bild: Baier, Markus

Die Zahlen, die für Umbaumaßnahmen am Umspannwerk Gurtweil und die neuen, leistungsfähigeren Leitungen von Gurtweil bis nach Herbertingen bei Sigmaringen im Raum stehen, lassen aufhorchen. Stand heute werde Transnet BW rund eine Milliarde Euro investieren – für Leitungen und Umbaumaßnahmen an vier Standorten, wie Projektleiter Otto Kettmann vorrechnet. Allein die Kosten für den Umbau des Umspannwerks Gurtweil beziffert er auf 80 Millionen Euro.

„Natürlich ist das alles volatil“, betont er. Der lange Projektzeitraum wie auch der begrenzte Anbietermarkt, Rohstoffpreise und viele andere Faktoren könnten hier durchaus noch Preissteigerungen nach sich ziehen.

Die Maßnahme der Firma Amprion begrenzt sich auf die Umbaumaßnahmen am Standort Waldshut-Tiengen/Gurtweil. Dennoch beziffert Projektsprecher Jörg Weber die Investitionssumme auf „einen unteren dreistelligen Millionenbetrag“.

Breitenfeld sieht Pläne für Trassenverlauf skeptisch

Schon vor Beginn der konkreten Baumaßnahmen zeichnen sich Widerstände gegen die Trassenplanung der Transnet BW ab. Insbesondere aus dem Walshut-Tiengener Ortsteil Breitenfeld gibt es massive Bedenken bezüglich der geplanten Hochspannungsleitungen.

Beim Ortstermin mit Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer verwies Ortsvorsteher Jürgen Bacher auf die optische Beeinträchtigung durch die bis zu 80 Meter hohen Leitungsmasten, ebenso auf noch unklare Auswirkungen in Form von Strahlung oder Geräuschentwicklung: „Breitenfeld wäre dann keine Perle mehr, sondern wir hätten eine Durchschneidung der Landschaft. Es wäre ein immenser Eingriff“, warnte Bacher.

Auch wenn Schäfer im Gespräch darauf verwies, dass ‚wir noch ganz am Anfang der Trassenfindung sind‘, dass ‚die Planfeststellung noch weit weg‘ und überhaupt ‚noch nichts entschieden‘ sei, gestaltet sich die Lage aus Sicht der Projektverantwortlichen wesentlich eindeutiger.

Des einen Entlastung ist des anderen Belastung

Ein regelrechter Wald von Strommasten prägt das Bild von Gurtweil und Umgebung. Im Zuge der geplanten Maßnahmen sollen Anwohner ...
Ein regelrechter Wald von Strommasten prägt das Bild von Gurtweil und Umgebung. Im Zuge der geplanten Maßnahmen sollen Anwohner entlastet werden. | Bild: Baier, Markus

Zu der vorgelegten Trassenführung vom Umspannwerk Gurtweil via Breitenfeld auf die Bestandstrasse bei Eggingen gebe es demnach keine Alternative, wie Unternehmenssprecherin Tanja Ulmer und Otto Kettmann darstellen. Denn ein einfacher Ausbau der Bestandstrasse, die über Gutenburg nach Eggingen verläuft, für die geplanten 380 KV-Leitungen nicht möglich, auch weil im laufenden Betrieb umgebaut werden muss.

Eine alternative Streckenführung via Gutenburg komme nicht infrage: „Wir müssten einerseits Wohngebäude überspannen, andererseits einen 50 Meter breiten und ein Kilometer langen Korridor im FFH-Gebiet abholzen. Das ist nicht darstellbar und sicher nicht genehmigungsfähig.“

Die geplante Maßnahme sei unterm Strich ein zweischneidiges Schwert: Gurtweil und Gutenburg würden entlastet, denn bestehende Masten werden infolge der Maßnahme entfernt. Dafür werde Breitenfeld belastet, wobei Kettmann betont: „Eine Zerschneidung ist dort bereits durch die bestehende 110 KV-Leitung gegeben, die bereits präsent im Landschaftsbild zu sehen sind.“

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Planer sind zuversichtlich, dass Plan genehmigungsfähig ist

Die Trassenprüfung sei seitens der Planer „nach bestem Wissen und Gewissen“ und auf Basis der Gesetzeslage vorgenommen worden, so Kettmann. Die Trassenführung via Breitenfeld sei die einzige Option – bei allem Verständnis für die Konsequenzen und Sorgen der dortigen Anwohner. Dass das Regierungspräsidium Freiburg auf ein Raumordnungsverfahren verzichtet und gleich zum Planfeststellungsverfahren übergehen möchte, sieht Transnet BW als Hinweis darauf, dass die Behörde die Argumentation des Netzbetreibers mittrage.

Allerdings bemühe sich das Unternehmen, im Zuge der Detailplanung „eine möglichst verträgliche und technisch sinnvolle Lösung zu erarbeiten“, betont Tanja Ulmer. Die Gegebenheiten rund um den Ortsteil böten aber genügend Möglichkeiten, etwaige Hindernisse zu umgehen.

Abgesehen seien aufgrund der technischen Entwicklung und der Höhe nicht mehr so viele Masten notwendig wie früher. Statt 250 Metern betrage die Entfernung zwischen zwei Masten in der Regel 400 Meter.

„Erdkabel für den Hochrhein vom Tisch“

Verhältnismäßig klein sind die älteren Modelle der Strommasten. Beim Ausbau der Versorgungsleitungen werden etwa 75 Meter hohe Masten ...
Verhältnismäßig klein sind die älteren Modelle der Strommasten. Beim Ausbau der Versorgungsleitungen werden etwa 75 Meter hohe Masten errichtet – dafür bedarf es aber weniger. | Bild: Baier, Markus

Den Hoffnungen der Anwohner in Breitenfeld, es könnte eine schicke Lösung in Form einer Erdverkabelung geben, erteilen die Transnet-Vertreter eine Absage. „Erdkabel sind für den Hochrhein vom Tisch“, sagt Kettmann.

Das habe in erster Linie mit gesetzlichen Vorgaben zu tun, wie Tanja Ulmer näher ausführt: „Das Bauvorhaben müsste als Pilotprojekt ausgewiesen sein, um eine Erdverkabelung zu ermöglichen. Das ist es aber nicht.“ Insofern habe der Netzbetreiber gar keine andere Option als den Freileitungsbau – auch wenn dies optische Beeinträchtigungen mit sich bringe.

Die strikte Reglementierung für Erdkabel habe durchaus auch praktische Gründe, wie Kettmann darstellt: Bei der Verlegung von 380 KV-Kabeln sei die Baubelastung fürs betroffene Terrain wesentlich höher. Unter anderem müsse ein Graben von 40 Metern Breite und sechs Metern Tiefe gezogen werden, der über Wochen hinweg offen bleibe, bis das Kabel verlegt sei. Hinzu komme die Wärmebelastung für den Boden, die durch den Stromfluss entstehe: „Welche Auswirkungen das hat, wird gerade erst in Feldversuchen untersucht“, so Kettmann.

Als weitere Faktoren käme die Topografie sowie das Verbot einer Überbauung von Erdkabeln hinzu, ergänzt Ulmer: „Die Täler und Flüsse entlang der Stromtrasse lassen sich mit überirdischen Kabeln leichter überbrücken. Zudem sind die Kabel bei Defekten leichter zugänglich.“

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Amprion hat bereits erste Maßnahmen abgeschlossen

„Wir sind bei der Leitungseinführung, also den letzten Spannfeldern zum Anschluss an die neue Umspannanlage Tiengen, voll im Zeitplan“, schildert Jörg Weber die bisherigen Maßnahmen. Derzeit würden die Unterlagen für das Genehmigungsverfahren vorbereitet. Noch im ersten Halbjahr dieses Jahres soll der Antrag auf Planfeststellung beim Regierungspräsidium Freiburg gestellt werden, so Weber.

Im Zuge der umweltfachlichen Kartierungen zur Anlagenplanung habe sich gezeigt, dass sich auf den Flächen vereinzelt Vorkommen der Haselmaus befinden. Entsprechende Ausgleichsmaßnahmen wie auch Umsiedlung von Tieren seien in Vorbereitung.

Die notwendigen Baugrunduntersuchungen für die Maststandorte seien bereits durchgeführt. „Bei den Umspannanlagen gehen wir davon aus, dass die Anlagenerneuerung im 110-kV-Bereich im Jahr 2024 bereits zu etwa 50 Prozent fertiggestellt sein wird“, erklärt Weber. Die Restarbeiten zur Sanierung der Schaltfelder werden aufgrund von dafür erforderlichen Freischaltungen im Jahr 2025 erfolgen.

Der Baubeginn für die Tennisplatzverlegung des TC Gurtweils ist für das Ende des zweiten Quartals geplant. Die gasisolierte Schaltanlage (GIS-Anlage) werde ab 2025 gebaut: „Derzeit bereiten wir die Genehmigungsunterlagen vor“.

So geht es bei Transnet weiter

Das Umspannwerk in Gurtweil ist technisch veraltet und soll durch eine moderne Anlage ersetzt werden.
Das Umspannwerk in Gurtweil ist technisch veraltet und soll durch eine moderne Anlage ersetzt werden. | Bild: Baier, Markus

In Sachen Umbau des Umspannwerks Gurtweil soll es bei der Transnet bereits im März losgehen: „Zunächst werden Fundamente für die beiden je 300 Tonnen schweren Transformatoren gegossen“, so Kettmann. Diese sollen voraussichtlich im Spätsommer angeliefert werden und ab 2025 die bestehenden Geräte ersetzen. Diese hätten ihre Lebensdauer erreicht, so Kettmann weiter.

Es werde dann ein Antrag gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz gestellt, nach dessen Genehmigung Mitte 2026 die voraussichtliche Umbauphase beginne, in dessen Zuge auch bestehende Masten rund um Gurtweil entfernt werden.

Der Antrag für Planfeststellung zum Leitungsbau werde im Sommer 2026 gestellt, mit einem Baubeginn sei Ende 2028 zu rechnen, sagt Otto Kettmann. Zeitgleich werden Baumaßnahmen an den Leitungen Richtung Beuren und Hungerberg vorgesehen.

Der Abschluss des Gesamtprojekts ist für spätestens 2032 vorgesehen. Danach werde das alte Umspannwerk Gurtweil abgebaut.