Ein Mensch kommt gewaltsam zu Tode, und kaum einer der 350 anderen Menschen, die an seinem Wohnort leben, hat ihn gekannt. „Das wie ein idyllisches Schwarzwalddorf daherkommende kleine Wehrhalden ist in mancher Hinsicht anonymer als die großen Wohnquartiere in der Bad Säckinger Weststadt, in der Laufenburger Oststadt oder auf der Waldshuter Liedermatte“, schrieb unsere Zeitung im Februar.

Wie Barbara Kellenberger und Daniel Kern den Ort erleben

Zahlreiche Menschen lasen den Beitrag, darunter auch Barbara Kellenberger (66) und Daniel Kern (68). Das Schweizer Ehepaar lebt seit 2018 beziehungsweise 2021 in Wehrhalden.

Jetzt treffen sie sich in ihrem Haus mit dem Reporter, um mit ihm über ihre neue Heimat zu reden, denn sie erleben den Ort anders als in dem Beitrag geschildert.

Besonders ärgern sie die Aussagen einer Nachbarin

Besonders verärgert sind sie über die in dem Beitrag zitierten Aussagen einer Nachbarin. Der Tatort werde nur noch Messer-Haus genannt, hatte die Frau berichtet; auf den Briefkästen der sechs Wohnungen seien 15 Namen angebracht; alle zwei Wochen finde ein Mieterwechsel statt.

Ein solches Gerede sei „unqualifiziert“ und „dumm“, sagen die beiden Schweizer. So etwas hätten die hauptsächlich unbescholtenen Bewohner des Hauses nicht verdient.

Viel Wiese, viel Wald, viel Himmel. So sieht der Blick vom Wohnzimmerbalkon Barbara Kellenbergers und Daniel Kerns aus.
Viel Wiese, viel Wald, viel Himmel. So sieht der Blick vom Wohnzimmerbalkon Barbara Kellenbergers und Daniel Kerns aus. | Bild: Vonberg, Markus

Den 35-jährigen Verstorbenen haben sie gekannt, wie sie sagen. „Der junge Mann ist letzten Sommer nach Wehrhalden gezogen“, sagt Daniel Kern. Viele Menschen im Ort seien sehr betroffen gewesen über seinen gewaltsamen Tod.

Das Ehepaar lobt die gute Nachbarschaft in Wehrhalden

Sie hätten hier eine gute Nachbarschaft erlebt, betonen beide. Ein gutes Beispiel sei das in einem angrenzenden Haus lebende Ehepaar. Um die kümmere sich eine frühere Bewohnerin des angeblichen Messer-Hauses.

„Und wenn unsere Nachbarn Hilfe brauchen, dann dürfen sie selbstverständlich bei uns klingeln“, so Kellenberger.

Der Ort besitzt inzwischen eine heterogene Einwohnerschaft

Aber in der Tat kenne in Wehrhalden nicht mehr jeder jeden. „Es ist eine heterogene Gesellschaft hier: Alteingesessene, Neuzuzüger, Ferienwohnungsnutzer…“, sagt Kern. Einige suchten gar keinen Kontakt. „Manchmal sind es gerade die Alteingesessenen, die Schwierigkeiten mit Neuen haben“, hat Kellenberger beobachtet.

2017 hat das Schweizer Ehepaar sein Haus in Wehrhalden gekauft, um dort den Ruhestand zu verbringen. Bereits 2018 nahm Barbara Kellenberger, die 40 Jahre im Pflegebereich tätig war, hier ihren festen Wohnsitz. Ihr zunächst noch berufstätiger Mann, ein freiberuflicher Software-Entwickler, kam zunächst nur am Wochenende nach Wehrhalden, lebt dort aber seit 2021 ebenfalls fest.

Eine Immobilie im Hotzenwald kostet nur halb so viel wie ein vergleichbares Haus in der Schweiz

Warum hat sich das Ehepaar entschieden, aus der nördlich der Lägern bereits im Kanton Zürich gelegenen Gemeinde Niederweningen in die südbadische Gemeinde Herrischried zu ziehen?

Einer der Gründe ist die günstigere Lebenshaltung: Eine Immobilie kostet hier nur etwa halb so viel wie eine in vergleichbarer Lage in der Schweiz. Ein weiterer Grund: Im Südschwarzwald leben sehr viel weniger Menschen als im Schweizer Mittelland. Kellenberger nennt einen dritten Grund: „Die Ruhe!“

Als größten Nachteil betrachten die beiden Schweizer den schlechten öffentlichen Nahverkehr

Und welche Nachteile hat sich das Schweizer Ehepaar durch seinen Umzug nach Deutschland eingehandelt? An erster Stelle nennt es den öffentlichen Verkehr. „Dort hatten wir einen Halbstundentakt. Den haben wir hier nicht. Hier ist man völlig auf das Auto angewiesen“, sagt Kern.

Besser sei in der Schweiz auch die Gesundheitsversorgung. Die Qualität der Behandlung sei zwar auf ähnlichem Niveau, sagt Kellenberger. Aber in der Schweiz sei in den Krankenhäusern bei der Pflege die Personalausstattung besser. Außerdem gebe es eine wohnortnähere Versorgung. Kurz bevor sie nach Wehrhalden gekommen sei, habe in Bad Säckingen das Spital geschlossen.

Ein Problem ist in beiden Ländern gleich: Den Vereinen gehen die Aktiven aus, weil dort der Nachwuchs fehlt. So gibt es auch die Gymnastikgruppe, die Barbara Kellenberger in Willaringen regelmäßig besuchte, nicht mehr.

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