Es gibt sie vielerorts: Die Mütter, deren Kinder keinen Notbetreuungsplatz erhalten, auch wenn er ihnen zusteht. Denn: Für Kinder von Eltern, die in systemrelevanten oder präsenzpflichtigen Berufen arbeiten, gibt es zwar eine Teilnahmeberechtigung, jedoch keinen definitiven Anspruch auf einen Platz. Wir haben mit einer Mutter vom Hochrhein gesprochen, die lange um einen Platz kämpfen musste.

Die Tochter als Wanderpokal

„Meine Tochter wurde zum Wanderpokal“: So beschreibt Marianne Mutter aus Murg-Niederhof die Betreuungssituation ihrer Fünfjährigen in den vergangenen Wochen. Denn die Tochter bekam im Kindergarten „Arche Noah“ in Niederhof vorerst keinen Notbetreuungsplatz. Und die alleinerziehende Mutter musste seit Anfang Mai an ihrer Wiedereingliederungsmaßnahme teilnehmen. Am 5. Mai hatte Marianne Mutter laut eigener Aussage bei der Gemeinde Murg angerufen und sich nach einem Platz erkundigt. Am 11. und 12. Mai habe sie nochmals angerufen und habe laut eigener Aussage telefonisch bereits eine Zusage bekommen von Hauptamtsleiter Werner Vökt.

Der Träger des Kindergartens ist jedoch der Vinzentiusverein Niederhof und dieser habe Marianne Mutter Mitte Mai vorerst eine Absage erteilt. Denn: „Mit Kindern, die aktuell in der Notbetreuung sind und den Vorschülern ist die Kapazität für den 50-prozentigen Regelbetrieb bereits ausgeschöpft“, hieß die Begründung. Für weitere Kinder der Notbetreuung gab es keinen Platz mehr.

Auch andere Kindergärten wollten das Mädchen nicht aufnehmen. Dies sei nicht erlaubt, so hieß es. „Ich verstehe nicht, wenn man eigentlich laut Verordnung einen Platz bekommen sollte, dass man sich dann so querstellt“, ärgert sich Marianne Mutter. Sie kämpfte weiter um einen Platz: Sie schrieb nicht nur die Gemeinde und den Träger an, sondern meldete sich auch beim Dekan selbst und beim Kultusministerium.

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Freunde der Mutter wechselten sich zwischenzeitlich mit der Betreuung der Tochter ab, sie war quasi jeden Tag woanders. Die Maßnahme der Eingliederung hätte Marianne Mutter nicht abbrechen können. Denn: „Dann hätte ich Hartz-4 beantragen müssen“, erklärt sie ihre missliche Lage.

Doch am Ende wird alles gut: Noch vor Pfingsten habe ihr der Vinzentiusverein eine Zusage für die Notbetreuung ab Mitte Juni erteilt. Marianne Mutter freut sich darüber sehr.

Das sagen Gemeinde und Kultusministerium zu diesem Fall

Von den sechs Kindergärten der Gemeinde Murg ist nur einer in kommunaler Hand, alle anderen haben kirchliche Träger. „Wir haben das Prozedere der Aufnahme nicht in der Hand“, erklärt der Murger Hauptamtsleiter Werner Vökt. Dafür sei der Träger zuständig. Zentral bei der Gemeinde abgewickelt worden seien nur die Nachweise der Arbeitgeber – zuerst über die Systemrelevanz, später auch über die Präsenzpflicht – und diese leitete die Gemeinde dann an die Träger weiter.

Doch wer ist wirklich für die Aufnahme in die Notbetreuung zuständig? Benedikt Reinhard, Pressesprecher des Kultusministeriums sagt dazu: „Generell enscheidet zunächst die Einrichtungsleitung oder der Träger über die Aufnahme, wobei die Corona-Verordnung gilt.“ Aber: „Letzen Endes entscheidet die Gemeinde über die Aufnahme, etwa dann, wenn die Kapazitäten nicht ausreichen und zwischen zwei Kindern entschieden werden muss“, so Reinhard. Dies sei auch der Fall, wenn die Gemeinde gar nicht der Träger der Einrichtung sei.

Im Fall von Marianne Mutter habe sich Hauptamtsleiter Werner Vökt dafür eingesetzt, dass die Tochter einen Platz bekommt. „Und jetzt hat es ja auch geklappt“, so Vökt.

Darf die Notbetreuung in einem anderen Kindergarten stattfinden?

Fünf der sechs Murger Kindergärten haben kirchliche Träger. Auch dass die Betreuung in einem anderen Kindergarten hätte stattfinden können, schließt Werner Vökt aus. „Es war eine ausdrückliche Anweisung der Landesregierung, dass es ein Muss ist, jedes Kind in seiner bisherigen Einrichtung unterzubringen“, sagt er.

Doch ist dem wirklich so? Benedikt Reinhard, Pressesprecher des Kultusministeriums, widerspricht: „Ist es nicht anders möglich, muss sich die Gemeinde darum bemühen, einen Platz für das Kind in einer anderen Einrichtung zu finden.“ Reinhard macht aber auch klar, dass es bei der Notbetreuung generell keinen Anspruch auf einen Platz gibt. Es gebe lediglich eine Teilnahmeberechtigung.

Das sagt der Träger: Schuld liege bei der Mutter

Der Vorstand des St. Vinzentiusverein Niederhof und der Elternbeirat des Kindergartens „Arche Noah“ haben Mitte Mai beschlossen, zusätzlich zu den 16 Kindern der Notbetreuung 25 weitere für den eingeschränkten Regelbetrieb von 50 Prozent aufzunehmen, allerdings nur Vorschulkinder. Den Vorschulkindern habe man daraufhin Bescheid gesagt. Dass sich Marianne Mutter bereist Anfang Mai gemeldet habe, sei falsch, sagt Peter Waldkircher, der zweite Vorsitzende des Vinzentiusvereins Niederhof. Und auch, dass die Mutter bereits eine telefonische Zusage erhalten habe, entspreche nicht der Wahrheit, so Waldkircher weiter.

Erst nach der Entscheidung des Elternbeirats, am 14. Mai, habe sich Marianne Mutter gemeldet, so Waldkircher. Doch dann habe es keine weiteren Notbetreuungsplätze mehr gegeben, erklärt er und ergänzt: „An diesem Punkt konnte ich ihr nicht mehr helfen.“

Er sieht Marianne Mutters Beschwerde als unbegründet an und sie selbst in der Verantwortung, da sie sich zu spät gemeldet habe. Doch am Ende habe sich die Situation in Wohlgefallen aufgelöst: Eine Mutter habe ihr Kind von der Notbetreuung abgemeldet und die Tochter von Marianne Mutter konnte nachrücken.

Darf ein Kindergarten jetzt nur Vorschulkinder betreuen?

Nach den Pfingstferien startet im Kindergarten „Arche Noah“ der 50-prozentige Regelbetrieb. Nach dem Beschluss mit dem Elternbeirat werden in den Regelbetrieb nur Vorschulkinder aufgenommen. „Das war ein Vorschlag vom Elternbeirat, damit Kinder auf die Schule vorbereitet werden können, auch mit den Kooperationskräften und ihre Freunde treffen können“, sagt Peter Waldkircher. „Von einem rollierenden System halten wir nichts, weil dieses mit dem Infektionsschutzgesetz einen Wahnsinnsaufwand bedeutet“, so der zweite Vorsitzende des Trägervereins.

„Das ist nur in Niederhof so, die machen, was sie wollen“, ärgert sich Marianne Mutter. Nicht nur sie, sondern auch viele weitere Eltern hätten sich über dieses Vorgehen beschwert, beschreibt Mutter. Es hätte sogar eine Unterschriftenaktion in Niederhof gegeben. Waldkircher jedoch wisse nichts von diesen Beschwerden weiterer Eltern, wie er sagt.

Doch ist das Vorgehen legitim? „Der Vorrang für Vorschulkinder kann bei einem eingeschränkten Regelbetrieb eingeräumt werden“, erklärt Benedikt Reinhard als Sprecher des Kultusministeriums. Er sagt aber auch: „Allerdings war es so gedacht, dass alle Kinder berücksichtigt werden.“ Dabei dürften Kinder der Notbetreuung nicht zusammen mit denen des Regelbetriebs betreut werden. Also dürfte keine Durchmischung stattfinden und es bräuchte konstante Gruppen.