„Wenn der September noch donnern kann, setzen die Bäume viel Blüte an.“ Diese alte Bauernregel zeigt, dass es hin und wieder vorkommen kann, dass Obstbäume, aber auch Zierhölzer, im Herbst nochmals Blüte tragen.
Laut dem Internet-Gartenportal „4Ländergarten“ ist meist eine zeitige Frühjahrsblüte in Verbindung mit einem trockenen und kühlen Sommer sowie ein feucht-warmer Herbst Auslöser dafür, dass die Gehölze den Herbst mit einer Nachblüte einläuten. Eine zweite Apfelernte sei allerdings nicht zu erwarten, so das Portal.
„Es ist wirklich übelst“
Clemens Stoll ist Obstbauer und Inhaber des Bauernladens Stoll in Kadelburg. Er erklärt, was es mit der „Zweiten Blüte“ auf sich hat, und was das für Obstbauern und für die Ernte im kommenden Jahr bedeutet.
„Das ist nicht normal“, fasst Clemens Stoll die jetzige Blüte mancher Obstbäume prägnant zusammen. „So etwas kann zum Beispiel passieren, wenn man zu früh zurückschneidet – der Baum bildet dann später noch mal Blüten aus, als Reaktion auf diesen Stressfaktor.“
„Das ist wirklich übelst, denn das sind die Knospen, die das nächste Jahr Früchte tragen sollen. Jede Blüte, die jetzt offen ist, ist eine verlorene Frucht im kommenden Jahr. Man kann zwar noch reagieren, da der Baum in der Regel immer mehr Blüten produziert als nötig, etwa durch Schneiden. Daher kann man generell noch nichts über den Ertrag im kommenden Jahr sagen. Aber auf jeden Fall ist das Blühen jetzt Stress für den Baum.“
Bäume im Stress
„Die Bäume haben in dieser Saison ohnehin schon viele Stresssituationen gehabt. Im Frühjahr war es sehr nass, dann sind die Bäume schnell gewachsen. Viele Bäume sind aber aufgrund dieser Feuchte auch verpilzt. Im Sommer war es dann wieder sehr heiß. Dann mussten wir sogar wässern, damit sie nicht sterben“, erklärt der Obstbauexperte.
Im Grunde habe der Baum jetzt schon den Ertrag an Früchten und an Blättern für nächstes Jahr festgelegt, erklärt Stoll, und nun sei er aufgrund dieser oder anderer Stressfaktor durcheinandergekommen. Denn ein ohnehin geschwächter Baum bringt eigentlich, um sich selbst zu schützen, keine Blüten mehr hervor, denn das Hervorbringen von Blüten ist mit Energieaufwand verbunden, erklärt der Obstbauexperte. „Daher könnten diese oder andere Stressfaktor dafür verantwortlich sein, dass der Baum jetzt noch mal Blüten hervorbringt.“

Vieles scheint nicht zu passen
Simone und Bruno Preis betreiben ebenfalls einen Obstbaubetrieb in Kadelburg. Auch sie kennen die Probleme, die mit einer zweiten Obstblüte zusammenhängen: „Bei uns sehen wir zwar jetzt keine Blüten, aber wir hatten es auch schon.“
Bruno Preis erklärt das zweite Blühen so: „Normalerweise ist es so: Wenn es im Juni, Juli stark geregnet hat, bekommen die Bäume nochmal Energie, und sie bilden Knospen fürs nächste Jahr. Ungefähr am längsten Tag des Jahres – 21. Juni – sind die Blütenknospen voll ausdifferenziert fürs nächste Jahr. Wenn danach nochmal richtig Regen kommt, dann können die Bäume nochmal blühen.“ So zumindest die gewöhnliche Erklärung für ein zweites Blühen im Spätsommer beziehungsweise Herbst.

Das späte Blühen jetzt könne aber so nur schwer erklärt werden, da es fast den ganzen Sommer über heiß und trocken war. Das sei auf jeden Fall untypisch, sagt Preis. „Ein Baum erzeugt ja keine Früchte für die Ernährung der Lebewesen, sondern zur eigenen Fortpflanzung. Und für die Fortpflanzung ist das, was jetzt passiert, eher kontraproduktiv.“
Den Klimawandel sieht der Obstbauexperte als echte Herausforderung: „Einige Apfelsorten wird es wahrscheinlich in einigen Jahrzehnten nicht mehr geben, zum Beispiel den Elstar, da er sehr empfindlich ist. Man kann mit Züchtungen der Problematik zwar entgegensteuern, aber ab einem bestimmten Grad wird es kritisch. Ab einer Temperatur von rund 33 Grad stellt der Baum das Fruchtwachstum ein, selbst bei guter Wasserversorgung. Und die Zeiträume, in denen solche Temperaturen herrschen, werden länger. Dann sind die Früchte eben bei der Ernte kleiner.“