Entspanntes Geplauder ist aus dem großen Raum im evangelischen Gemeindezentrum Petrus zu hören. Kaffeetassen klappern, Kuchen steht auf dem Tisch, daneben kleine Windbeutel, es gibt Orangensaft und Sekt: Im Sprachcafé der Initiative Ukrainer im Schwarzwald wird an diesem Nachmittag gefeiert.

Anlässe gibt es mindestens zwei: Da wäre zum einen der Paul Harris-Preis des Rotary Clubs Villingen-Schwenningen, der Anfang Mai an die Initiative und den Jobclub VS verliehen wurde, und zum anderen der Geburtstag von Irina Solowiejko.

Gruppe kommt seit 2018 zusammen

Sie ist einer der Motoren der Initiative, die es sich heute vor allem zur Aufgabe gemacht hat, den Menschen, die vor dem russischen Angriffskrieg geflüchtet sind, das Ankommen zu erleichtern.

Die Anfänger der Gruppe reichen bis ins Jahr 2018 zurück, als die Lehrerin und Erzieherin aus Villingen Lilly Smirnova über soziale Netzwerke Kontakte zu Landsleuten suchte, um zusammen den Tag der ukrainischen Unabhängigkeit zu feiern. Mit dem Ausbruch des Kriegs im Februar 2022 hat die Gruppe noch einmal eine ganz andere Dynamik und Bedeutung bekommen.

„Ich lebe schon so lange hier, dass ich mich den Ukrainern eigentlich nie so richtig zugehörig gefühlt habe“, sagt Irina Solowiejko, die schon 2002 nach Deutschland kam. Doch dann kam der Krieg und mit ihm der Wunsch, irgend etwas zu tun, um der Hilflosigkeit etwas entgegen setzen zu können.

Bei der Ankunft fließen Tränen

Sie war vor Ort, als der erste Bus mit geflüchteten Frauen und Kindern im Winter 2022 in Donaueschingen ankam. „Ich sollte eigentlich übersetzen“, sagt sie. „Aber ich konnte erstmal nur weinen.“

Die verängstigten Menschen, die in dem Bus in Donaueschingen ankamen, hätten zum Teil nichts bei sich gehabt außer ihren Pässen, hastig in Plastiktüten gestopft. Keine Kleidung, keine Spielsachen für die Kinder. „Die wollten einfach nur leben.“

Freude über den Paul-Harris-Preis: Von links Oxana Kochedykova, Lilly Smirnova, Daniel Wenzler, Marta Yaremko, Meinrad Zimmermann vom ...
Freude über den Paul-Harris-Preis: Von links Oxana Kochedykova, Lilly Smirnova, Daniel Wenzler, Marta Yaremko, Meinrad Zimmermann vom Job Club, Lilja Koval-Lavok, Alena Panachovna, Irina Solowiejko und Rotary-Präsident Stefan Beetz. | Bild: Sprich, Roland

Damals seien die Helfer der Gruppe „alle auf Adrenalin“ gewesen, sagt Irina Solowiejko rückblickend. Kundgebungen und Hilfstransporte wurden organisiert, man nahm Kontakt zur Caritas, zur Stadt VS und zum Gebrauchtkaufhaus Jumbo auf, Sammlungen wurden initiiert, und schnell erweiterte sich der Kreis um einen weiteren Helfer, der bis heute mit dabei ist: Daniel Wenzler.

„Jeder kann helfen“

Der langjährige Judo-Sportler war schon wenige Tage nach Kriegsbeginn bei der ersten Kundgebung in Villingen dabei. Erschüttert angesichts dessen, was dort berichtet wurde. „Da kann jeder helfen, auch ich, habe ich mir damals gedacht“, erinnert er sich. Bei der bloßen Idee blieb es nicht.

Ein netter Herr Wenzler habe eine Mail geschrieben und Hilfe angeboten, habe ihr Lilly Smirnova damals berichtet, blickt Irina Solowiejko ins Frühjahr 2022 zurück. Diesen Herrn würde sie gerne darum bitten, Vereine abzutelefonieren.

Damals war die Gruppe auf der Suche nach Räumlichkeiten, um den Kindern und Jugendlichen etwas anbieten zu können: Sport, Bewegung, Auspowern, Abwechslung – etwas, um in den zumeist engen vier Wänden der Unterkunft nicht verrückt zu werden.

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„Der nette Herr“, der so spontan seine Hilfe angeboten hatte, legte direkt los und organisierte Räume, so dass wenig später ein erstes Angebot starten konnte. Daniel Wenzler, selbst langjähriger Judo-Sportler, weiß um die positiven Effekte von Bewegung und Sport.

Sport und Bewegung gegen das Trauma

„Die Kinder waren ja auch traumatisiert. Die wussten gar nicht, wohin mit ihrer Kraft und Energie“, sagt er. „Wenn man dann beobachten darf, wie die Mütter Freudentränen in den Augen haben, weil ihre Kinder wieder aufblühen – das ist meine Motivation.“

In der Lukaskirche im Steppach stellte die evangelische Stadtgemeinde der Initiative Räume zur Verfügung. So viele, dass die Angebotspalette problemlos erweitert werden konnte: eine Krabbelgruppe, eine Tanz- und Ballettgruppe für Kinder, parallel dazu ein Yoga-Angebot für die Mütter, einen Chor.

Kommunikation ist der Schlüssel

Das Sprachcafé findet inzwischen zweimal wöchentlich statt. Freitags trifft man sich im Gymnasium am Romäusring, mittwochs in der Petrusgemeinde. „Die Leute sind sehr wissbegierig“, sagt Irina Solowiejko. Gerade Ältere würden keinen weiteren Sprachkurs finanziert bekommen, weshalb es wichtig sei, das Gelernte zu vertiefen und die Kommunikation zu üben.

Hinter all dem steht das eingespielte Team, bestehend aus Irina Solowiejko, Daniel Wenzler, Lilly Smirnova und deren Mann Robert Kuhar. Sie organisieren, planen und knüpfen Kontakte, suchen nach Räumen und organisieren Feste.

Mit gutem Beispiel vorangehen

Und dennoch: „Es ist ein Marathon. Und wenn einem von uns die Puste ausgeht, ziehen ihn die anderen wieder mit“, schildert Irina Solowiejko. Nicht alle Geflüchteten, mit denen sie über ihr Ehrenamt in Kontakt komme, seien nett und freundlich. Ausbremsen lässt sie sich davon nicht. „Ich sage auch meinen Kindern immer: Gib das Gute weiter, geh mit gutem Beispiel voran.“

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Unterstützung erhält die Initiative Ukrainer im Schwarzwald außerdem vom ebenfalls mit dem Rotarier-Preis ausgezeichneten Jobclub VS. Dieser finanziert beispielsweise seit drei Jahren die Deutschkurse, die von der Gruppe organisiert werden. Unter anderem hierfür soll auch das Paul-Harris-Preisgeld in Höhe von 1500 Euro eingesetzt werden.