Wohnbereichsleitung, Pflegefachkräfte, Pflegehilfskräfte – die Stellensuche auf der Webseite des Matthias-Claudius-Hauses in Waldshut steht stellvertretend für den Pflegefachkräftemangel am Hochrhein. Auf die Frage, ob der Landkreis Waldshut über ausreichend Pflegekräfte verfügt, antwortet Pressesprecherin Susanna Heim so kurz wie eindeutig: „Nein.“

Darum können freie Pflegplätze nicht besetzt werden

Selbst freie Plätze müssten aufgrund mangelnden Personals unbesetzt bleiben. Der Fachkräftemangel schlägt hier eine Wunde – Thomas Bomans, Geschäftsführer der sozialen Dienste der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Waldshut und Daniel Diaz Garcia, Einrichtungs- und Hauswirtschaftsleiter des Haus Apfelblüte in Klettgau, schildern Widrigkeiten und Lösungen.

Überall fehlt Personal

Nach Angaben des Landratsamtes gibt es im Landkreis Waldshut etwa 1500 Plätze in stationären Einrichtungen, circa 340 Plätze in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und rund 80 in ambulant betreuten Wohngemeinschaften. Nach AOK-Angaben waren im Landkreis Waldshut 4905 bei der Krankenkasse versicherte Personen pflegebedürftig. Allein diese übersteigen die Anzahl der verfügbaren Plätze.

Dass im Landkreis nicht mehr angeboten werden kann, liegt laut Landratsamtssprecherin Susanna Heim am fehlenden Personal. Das hat unter anderem mit der Nähe zur Schweiz zu tun, schildert Einrichtungsleiter des Haus Apfelblüte in Klettgau, Daniel Diaz Garcia.

Personal wandert in die Schweiz ab, weil dort die Löhne höher sind

„Wir bilden hier Personal aus, danach gehen die Leute jedoch oft in die Schweiz, weil sie dort mehr verdienen.“ Zudem trieben die Inflation und gestiegene Personalkosten die Preise für Pflegeplätze in die Höhe. Betten lassen sich trotzdem rasch nachbelegen und „man merkt der Region an, dass es weniger Betten gibt als benötigt werden“. „Allerdings können nicht einfach mehr Pflegeeinrichtungen errichtet werden“, ergänzt Awo-Geschäftsführer Thomas Bomans, „weil das Personal nicht da ist“.

Lange Wartelisten sind die Regel

„Das lässt sich an den langen Wartelisten ablesen“, sagt er. Die gestiegenen Kosten bremsten die Nachfrage allerdings nicht ab. „Ich habe zwischen zehn bis 30 Anfragen pro Pflegeplatz“, sagt etwa Florian Schmutz, Pflegedienstleiter des Matthias-Claudius-Hauses in Waldshut. Pro Monat erreichen das Heim über 50 Anfragen. „Deshalb arbeite ich nicht mehr mit Wartelisten“, so Schmutz.

In der Altenpflege mangelt es überall an Fachpersonal. Das ist auch am Hochrhein wie hier am Mathias-Claudius-Haus in Waldshut ein Problem.
In der Altenpflege mangelt es überall an Fachpersonal. Das ist auch am Hochrhein wie hier am Mathias-Claudius-Haus in Waldshut ein Problem. | Bild: Rasmus Peters

Die allein sind laut Landratsamtssprecherin Heim ohnehin unzureichend, um daraus die Anzahl Pflegebedürftiger abzulesen. Manche melden sich pro forma für einen Platz, ohne diesen schon zu brauchen oder sagen nicht ab, wenn sie anderswo aufgenommen wurden.

Der Bedarf an Pflegern wird steigen

In den nächsten Jahren könnten die Wartelisten noch weiter anwachsen. „Die geburtenstarken Jahrgänge werden in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand übergehen und müssen irgendwann von den geburtenschwachen Jahrgängen gepflegt werden“, schildert Bomans. So diktiert die Logik: Der Bedarf an Pflege wird steigen, ohne dass Nachwuchs folgt. Der Ruf nach Auszubildenden in der Pflege wird da immer lauter. „Die Infrastruktur zur Ausbildung im Landkreis ist da und funktioniert“, schätzt Bomans die Lage ein. Die Justus-von-Liebig-Schule in Waldshut etwa und das Klinikum Hochrhein bilden Fachpfleger aus, an der neuen Fachhochschule des Mittelstandes kann anschließend Pflege & Management studiert werden.

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„Der größte Pflegedienst sind die Angehörigen“

Zuletzt sind durch die Generalisierung der Ausbildung die Anforderungen gestiegen. Allerdings ging damit auch eine höhere Abbruchquote einher. Mit den gestiegenen Anforderungen sind auch die Löhne gestiegen. „Dass Pfleger schlecht bezahlt werden, stimmt längst nicht mehr“, sagt Bomans. Nach Tarifvertrag verdienen Fachkräfte 3500 Euro brutto und erhalten zudem ein 13. Monatsgehalt. Dennoch bleiben die Anmeldungen zur Pflegefachkraft-Ausbildung in Baden-Württemberg hinter den Erwartungen zurück. So blieb die Anzahl von 7094 Personen vor der Ausbildungs-Generalisierung 2020 seitdem unter 7000 und lag 2022 laut Statistischem Landesamt Baden-Württemberg bei 6155.

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Die Zukunft liegt in der Zuwanderung

„Der größte Pflegedienst sind die Angehörigen“, fasst Bomans den Status quo zusammen. Auf lange Sicht könnte Zuwanderung helfen, die angespannte personelle Situation zu lösen, stimmen der Sozialdienst-Geschäftsführer und Landratsamtssprecherin Heim überein. Möglicherweise aus Mexiko und Brasilien. Denn das sind laut Bomans die einzigen Länder weltweit, die derzeit mehr Pflegekräfte ausbildeten, als benötigt würden.