Es ist ein Boom und das mitten in den Krisen: Derzeit explodiert nicht nur die Nachfrage nach Fotovoltaikanlagen (PV-Anlagen), sondern auch die Preise explodieren. Hohe Nachfrage, hohe Preise – was auf Anhieb gut klingt für die Branche, ist alles andere als das: Denn zeitgleich mit dem Boom gibt es enorme Lieferprobleme, sagen die Fachleute.
Wichtige Teile für PV-Anlagen könnten derzeit gar nicht geliefert werden. Das frustriert Kunden wie Handwerksbetriebe gleichermaßen. Wir haben bei Handwerksbetrieben nachgefragt.
„Es ist zur Zeit keine gute Situation“, sagt Manfred Schäuble, Chef der Firma Schäuble – Regenerative Energiesysteme in Rickenbach-Hottingen im Hotzenwald. Der Markt müsse aktuell Preissteigerung um die 20 Prozent verkraften.
Die Lieferanten bestimmten diese Preise und die Handwerksbetriebe vor Ort müssten sie gezwungenermaßen an den Kunden weitergeben. Erst kürzlich sei der Preis für Solarpaneelen an einem Tag um 15 Prozent in die Höhe geschnellt, so Schäuble.

Die Hottinger Firma ist da kein Einzelfall. Auch Elektro Buck in Albbruck kennt das Problem. „Es sieht bei allen gleich aus“, vermutet Severin Schmidt, der kaufmännische Leiter bei Elektro Buck. Die Handwerksbetriebe könnten für die Preisanstiege nichts, müssten sie aber der Kundschaft vermitteln.
Auch er spricht von Erhöhungen um die 20 Prozent. Sogar bei Lieferungen, die bereits vor einem halben Jahr bestellt wurden, werde plötzlich der Preis nachträglich erhöht, klagt Schmidt – „ohne Verhandlungsmöglichkeit, ganz nach dem Motto friss oder stirb“.
Hinzu kommen laut Schmidt und Schäuble auch noch Lieferengpässe. So seien beispielsweise Wechselrichter und Stromspeicher in diesem Jahr kaum mehr zu bekommen. Bei neuen Bestellungen werde man auf Mai des nächsten Jahres vertröstet, beschreiben bei unisono die aktuelle Situation. Jüngste Aufträge können beide vielfach dieses Jahr gar nicht mehr komplett abarbeiten, weil dafür etwa Wechselrichter erst im Mai 2023 wieder verfügbar sind.
Wie sieht die Nachfrage konkret aus?
Im vergangenen Jahr habe Elektro Buck um die 20 Anlagen montiert, schätzt Severin Schmidt, in diesem Jahr werden es wohl bis zu 80 Anlagen sein. Allerdings: Diese Zahl spiegle nicht die tatsächlich Kundennachfrage wieder, sondern nur diejenigen, die die Firma auch bedienen kann.
Die Nachfrage sei viel höher, sagt Schmidt, „wir bekommen 10 bis 20 Anfragen die Woche.“ 90 Prozent müsse er ablehnen, im Grunde könnten nur noch Bestandskunden berücksichtigt werden.
Dasselbe Bild bei Manfred Schäuble in Hottingen: Um die 50 Anlagen habe sein Unternehmen bislang jährlich montiert, „dieses Jahr werden es 100 sein“, prognostiziert er. „Aber wir könnten dreimal soviel machen“, ergänzt er. Wegen der Lieferengpässe sei das aber nicht möglich. Zudem sei der Personalstamm auf diesen Boom nicht ausgelegt – „obwohl wir mittlerweile 25 Personen beschäftigen“, so Schäuble, vor drei Jahren seien es noch zwölf gewesen.
Was sind die Ursachen der aktuellen Situation?
Für Manfred Schäuble sieht ein Bündel von mehreren Ursachen. Es seien zum einen die beiden großen Krisen: Der anhaltende Pandemie-Lockdown in Fernost und der Krieg in der Ukraine. Wobei der Ukraine-Krieg vielen die Abhängigkeit von russischer Energie vor Augen führe. „Unsere Kunden wollen weg von Öl und Gas“, beschreibt Schäuble die Anfragen, „und das ist eine Riesennachfrage.“ Angeheizt werde dieser Trend zudem durch die Inflation. „Viele investieren außerdem jetzt in Sachwerte, also auch in die Modernisierung ihrer Immobilie.“
Schäuble hofft allerdings, dass sich die Marktlage in den kommenden ein bis zwei Jahren wieder etwas entspannt. Zumindest ein Ende des Lockdowns in China könnte die Liefersituation ein Stückweit normalisieren.
Was sagen Energieberater zur aktuellen Lage?
Nicole Römer ist PV-Expertin bei der Energieagentur Südwest in Lörrach. Die Agentur ist zuständig für beide Landkreise Lörrach und Waldshut. Hier habe sich die Nachfrage nach PV-Anlagen flächendeckend „extrem potenziert“, sagt sie.
Die Energieagentur spürt den Bedarf schon vorab durch den Anstieg der Beratungen. Die Anfragen nach Energieberatungen sei bereits spürbar geworden mit der Einführung der PV-Pflicht für Nichtwohngebäude zum 1. Januar. Aber mit dem Ukrainekrieg und der PV-Pflicht für Neubauten generell zum 1. Mai sei das dann regelrecht „explodiert“.
Hatte sie in den vergangenen Jahren um die zwei bis drei Beratungsanfrage pro Woche, seien es jetzt teilweise 10 bis 13 pro Tag. Deshalb sei für Interessierte derzeit Geduld angesagt, so Nicole Römer, Termine für Gebäudeberatungen sei frühestens ab Mitte Juni zu bekommen. Sie rät trotzdem jedem, sich zu informieren. Denn sie glaubt nicht daran, dass die Energiepreise schnell wieder fallen.