Das Gericht hat keine Zweifel an der Schuld von AfD-Kreisrätin Andrea Zürcher: Wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit versuchter Nötigung ist die in der Region weithin bekannte Politikerin zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt worden.

Waffe kommt zum Einsatz

Richterin Lea Uttner sah es am Ende des Prozesses am 2. April 2025 als erwiesen an, dass Zürcher einen damals 19-jährigen Freund ihres Sohnes in ihrer Wohnung festgehalten und versucht hatte, von ihm Informationen zu einem anderen Vorfall zu erzwingen. Dabei kam unter anderem eine Waffe zum Einsatz, die sich letztlich aber als Schreckschusspistole entpuppte.

Das Verfahren war geprägt von widersprüchlichen Zeugenaussagen zum Tathergang, Erinnerungslücken an wichtigen Stellen und vielen Ungereimtheiten, die wiederum zu sehr gegensätzlichen Einschätzungen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung führten. Zürcher selbst hatte die gegen sie erhobenen Vorwürfe als „vollkommen utopisch“ bezeichnet.

Die Vorgeschichte

Unstrittig war im Grunde nur die Vorgeschichte, die zu dem jetzt verhandelten Kerngeschehen führte, und die noch Gegenstand einer gesonderten Verhandlung sein wird: Demnach hatte der später Geschädigte ein Treffen zwischen Zürchers Sohn und einem Dritten organisiert, um eine Aussprache wegen eines Konflikts zu erwirken.

Unvermittelt waren mehrere Autos vorgefahren, aus denen laut Zeugen bis zu 20 Leute ausgestiegen waren. Einer von diesen habe sofort zugeschlagen und den Sohn der Politikerin verletzt. Diese hatte das Geschehen von ihrem nahegelegenen Haus aus beobachtet und sei mit der damaligen Freundin des Sohnes dazwischen gegangen. Unter Beschimpfungen und Beleidigungen hätten sich Mutter, Sohn und Freundin wieder ins Haus begeben, die Versammlung habe sich umgehend aufgelöst.

Der Tathergang

Unzweifelhaft, nach Einschätzung des Gerichts, war auch, dass Andrea Zürcher den Organisator des eskalierten Gespräches wenig später in ihre Wohnung eingeladen hatte – verbunden mit einem 20-Minuten-Ultimatum, nach dessen Ablauf sie die Polizei verständigen würde.

Der Geschädigte leistete dieser Aufforderung umgehend Folge: „Er fühlte sich verpflichtet, die Angelegenheit zu klären.“ Denn offenbar war er selbst von der Entwicklung der Ereignisse überrascht worden.

Widersprüchliche Aussagen

Dann wichen die Schilderungen der vier Zeugen, die zum Tatgeschehen gehört wurden, teilweise eklatant voneinander ab. Nach Überzeugung des Gerichts hat Zürcher den damals 19-Jährige in die Wohnung hineingezogen. Es folgte ein Gespräch, das einige Zeugen trotz der aufgeladenen, emotionalen Stimmung aller Beteiligten als „normal“ und sachlich beschrieben.

Der Geschädigte selbst, dessen Ausführung das Gericht letztlich als glaubwürdig einstufte, schilderte das Ganze als zunächst rabiat. Er sei rüde dazu aufgefordert worden, die Namen der an der Schlägerei Beteiligten zu nennen. Letztlich habe Zürcher sogar eine echt aussehende Waffe aus einem Schrank genommen und auf ihn gerichtet. Nach einigen Minuten habe sich die Lage allerdings entspannt.

Am Ende habe man sich – je nach Lesart – sogar beinahe freundschaftlich verabschiedet, just in dem Moment, als die von Freunden des Geschädigten alarmierte Polizei eintraf.

Die Darstellungen

Die direkt anwesenden oder beteiligten Zeugen schilderten den Hergang sehr widersprüchlich. An wesentliche Details konnten sich einige kaum noch erinnern. Nach Darstellung der von der Verteidigung favorisierten Zeugen habe das Gespräch trotz anfängliche Emotion schnell einen regelrecht sachlichen Verlauf genommen. Die Waffe, eine realistisch aussehende Schreckschusspistole, sei lediglich kurz vorgezeigt worden – quasi als Zeichen, dass man aufgrund der Bedrohungslage Schutzmaßnahmen ergriffen habe, wie diese Zeugen darstellten.

Die Angeklagte selbst verzichtete auf ihr Recht auf eine Aussage. Dem Geschädigten unterstellte der Verteidiger Sebastian Bösing am Ende sogar, aufgrund „emotionaler Überfordergung“, seines jugendlichen Alters und gewissen Schuldgefühlen aufgrund der möglichen Verantwortung für die Geschehnisse im Vorfeld den Tathergang übertrieben dargestellt zu haben. „Allenfalls ein subjektives Bedrohungsgefühl“ habe nach Bösings Einschätzung bestanden. Dieses sei aber nicht durch Tatsachen zu untermauern. Ein Zeuge ging sogar soweit, dem Geschädigten vorzuwerfen, er habe sich lediglich als Opfer inszenieren wollen

Richterin sieht Bedrohungslage

Richterin Uttner folgte derweil eher der Sichtweise von Staatsanwalt Tobias Haselwander, wonach die Bedrohungslage sich für den Geschädigten durchaus zeitweise massiv zugespitzt hatte. Dieser hatte in der Verhandlung konstatiert: „Ich war schockiert, es war ja das erste Mal, dass eine Waffe auf mich gerichtet wurde.“

Zudem hatte er zwei in einem Auto vor dem Haus wartenden Begleitern eine Whatsapp-Nachricht geschickt, in der er geschildert hatte, dass Zürcher eine Waffe habe. „Die Nachrichten wurden also aus dem Szenarion heraus verschickt“, so Uttner. Das beweise der Chatverlauf. Insofern könne keine nachträgliche Übertreibung oder gar der Wunsch, „der Angeklagen etwas anzuhängen“ vorgeworfen werden, wie Staatsanwalt Haselwander es bezeichnete: „Im Gegenteil hat er Frau Zürcher an einigen Stellen sogar in Schutz genommen und Verständnis für ihre Lage gezeigt.“

Die Lage habe sich nach Überzeugung des Gerichts erst dann entspannt, als der Geschädigte sich zur Kooperation bereit erklärt hatte und unter anderem der Kontrahent, für den er das klärende Gespräch organisiert hatte, angerufen wurde. Wie viel Zeit bis dahin verstrichen war, darüber schieden sich die Geister. Überhaupt brachte jeder Zeuge einen völlig anderen Zeitraum vor, in dem sich das Geschehen abgespielt haben sollte. Auch Videoaufnahmen, die die Verteidigung als Beweismittel eingebracht hatte, vermochten nur bedingt Klarheit zu vermitteln.

Offene Fragen bleiben

Der Faktor Zeit war allerdings nicht der einzige Aspekt in dem Fall, an dem sich die Geister schieden. Warum dauerte es so lange, bis die Begleiter des Geschädigten die Polizei verständigten, obwohl sie offenbar der Ansicht waren, dass die Situation gefährlich sein könnte? Warum suchte der Geschädigte am nächsten Tag noch einmal die Polizei auf, um über seine psychische Belastung zu sprechen, anstatt medizinische Hilfe zu suchen? Wie gut kannten sich eigentlich die Kreisrätin und der Geschädigte vor der Tat? Auf all diese Fragen erhielten Richterin Uttner, Staatsanwaltschaft und Verteidigung nur unzureichende Antworten. Auf die Entscheidung des Gerichts hatte dies aber keinen Einfluss. Abgesehen von der Geldstrafe muss Zürcher auch die Verfahrenskosten bezahlen. Die beschlagnahmte Schreckschusspistole wird samt zugehörigem Magazin einbehalten.

Die Verhandlung hatte am 2. April, um 13 Uhr begonnen. Verhandelt wurde vor dem Strafrichter des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen wegen des Vorwurfs der Freiheitsberaubung. Sechs Zeugen wurden gehört. Um 17.30 Uhr fiel das Urteil.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig