So unterschiedlich können Wahrnehmungen sein. Rechtsreferendarin Tairi sah in den Zeugenaussagen des Opfers die Vorwürfe aus der Anklageschrift gegen einen 52-jährigen Angeklagten bestätigt, seine Verteidigerin Christine Küpfer hingegen sah ihren Mandanten ein gutes Stück weit entlastet.

Ein Vorwurf der Körperverletzung könne überhaupt nicht mehr aufrecht erhalten werden; im zweiten Fall sei er volltrunken und somit schuldunfähig gewesen und im dritten Fall sah sie auf Grundlage aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keinen Beleg für die von der Staatsanwaltschaft geforderte härtere Strafe wegen gefährlicher Körperverteilung.

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Bei der Bemessung des Strafmaßes lagen die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und die Verteidigerin dann aber doch recht nahe beieinander. Amtsrichterin Lea Uttner vom Amtsgericht Waldshut-Tiengen blieb mit ihrem Urteil zwischen den beiden – neun Monate Haft auf Bewährung für den Angeklagten.

Immer wieder fließt der Alkohol

Acht Jahre lebten der heute 52 Jahre alte Angeklagte und das heute 59 Jahre alte Opfer als Paar zusammen. In dieser Zeit ist in der gemeinsamen Wohnung wohl immer mal wieder Alkohol geflossen. Und immer mal wieder – so war den Äußerungen des Opfers vor dem Amtsgericht in Waldshut zu entnehmen – sei ihr Partner gewalttätig geworden. Um drei solcher Fälle ging es nun vor der Amtsrichterin.

2019 hatte der Angeklagte seine Partnerin eines Abends so heftig mit Fäusten und Füßen malträtiert, dass deren Milz riss und sie sich tags darauf einer Notoperation im Krankenhaus unterziehen musste. Schläge setzte es auch Anfang Januar 2024, als der Angeklagte in stark angetrunkenem Zustand von einem Imbissstand nach Hause kam.

Als er sich wenige Tage später wieder in dem Imbiss aufhielt, rief seine Partnerin dort an und bat ihn, nach Hause zu kommen. Dies, so sagte sie vor Gericht, aus Angst vor weiteren Schlägen. Als er dann zu Hause eingetroffen sei, sei sie zur Nachbarin geflüchtet, welche schließlich die Polizei gerufen hatte.

Ist es im dritten Fall zu Gewalt gekommen?

Für Anwältin Küpfer war somit klar, dass der Angeklagte im zweiten Fall volltrunken gewesen und es im dritten Fall zu keinerlei Gewalt gekommen war. Als Richterin Uttner dem Opfer dann aber ihre damalige Aussage bei der Polizei vorlas, meinte sie, auch an jenem Abend geschlagen worden zu sein. Ihr Partner sei eigentlich immer aggressiv gewesen; nach dem Genuss von Alkohol aber besonders.

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Insgesamt blieb die Zeugin unpräzise, mitunter auch widersprüchlich. Die erhofften konkreten Aussagen über den Alkoholkonsum des Paares bekam die Anwältin weder vom Opfer noch von der ebenfalls als Zeugin vernommenen Nachbarin. „Jeder trinkt mal Alkohol“, meinte diese auf die Frage, ob bei ihren Nachbarn übermäßig getrunken worden sei.

Staatsanwaltschaft fordert zehn Monate

Rechtsreferendarin Tairi bündelte in ihrem Plädoyer drei Einzelstrafen zu einer zehnmonatigen Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Ferner solle der Angeklagte Geld an eine soziale Einrichtung bezahlen, die Suchtberatung aufsuchen und sich in stationäre Suchttherapie begeben.

Das sagt die Verteidigerin

Verteidigerin Küpfer riet dringend von einer Geldstrafe ab. Der Angeklagte könne so schon seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten, er sei hoch verschuldet. Seine Betreuerin werde wohl ein Privatinsolvenzverfahren beantragen müssen. Auch sah sie keinen Grund für einen stationären Aufenthalt ihres Mandanten.

Der in der Anklageschrift ebenfalls erhobene Vorwurf der Drohung war nach Intervention von Christine Küpfer letztlich nicht Gegenstand des Urteils. Das Opfer habe bei ihrer Vernehmung nichts von solcher einer Drohung gesagt und der Angeklagte habe ihr gegenüber vehement bestritten, seiner Partnerin gedroht zu haben, ihr die Kehle durchzuschneiden.

Angeklagter bedauert Vorfälle

Alle anderen Vorwürfe hatte er mit dem Ausdruck des Bedauerns eingeräumt – und damit auch jene Körperverletzung, die es nach Interpretation der Verteidigerin überhaupt nicht gegeben hatte.

Das Urteil

Richterin Uttner verurteilte den Mann schließlich wegen einer gefährlichen Körperverletzung und zwei Fällen von Körperverletzung zu einer Gesamtstrafe von neun Monaten Haft auf Bewährung. Er muss eine Suchtberatung aufsuchen und die Kosten des Verfahrens tragen.