Welche Rolle kommt Wirtschaftsunternehmen im Rahmen der Pandemiebekämpfung zu? Mit Sicherheit eine bedeutsamere als es bisher der Fall ist, so die einhellige Meinung der Expertenrunde mit Lörrachs Landrätin Marion Dammann, regionalen Kammervertretern und Unternehmern. Rund eine Stunde tauschten sich die Teilnehmer jüngst über die Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen regelmäßiger Schnelltestungen für Unternehmen aus.
„Wir befinden uns am Anfang einer dritten Infektionswelle“, erklärte Landrätin Marion Dammann. Als wichtigen Pfeiler, die Infektionszahlen möglichst niedrig zu halten, nannte sie die Schnelltests auf das Coronavirus Sars-CoV-2. „Es gibt verständlicherweise die Sehnsucht nach Normalität. Allerdings steigt auch in unserem Landkreis die Inzidenz“, so Dammann. Der Grenzwert von 100 rückt näher.
Einen Einblick in die derzeitige Lage im Kreis Lörrach gab Gesundheitsdezernent Michael Laßmann: „Wir beobachten seit Mitte Februar stark ansteigende Inzidenz (88,6 – Stand 23. März) und ein diffuses Geschehen mit einzelnen größeren Ausbrüchen.“ Größere und kleinere Ausbrüche habe es auch in Unternehmen. Hintergrund der steigenden Zahlen sei die Verbreitung der Virusvarianten, insbesondere der britischen Mutation B.1.1.7. „Diese ist ansteckender und es gibt viele Folgefälle auch bei Einhaltung der Schutzmaßnahmen. Deshalb ist die rechtzeitige Erkennung unverzichtbar“, hob Laßmann hervor.
Warum Schnelltests in Unternehmen?
„Frühzeitiges Testen kann zur Eindämmung beitragen und Folgefälle können vermieden werden“, erläuterte der Gesundheitsdezernent. Dies entspreche auch dem Bestreben der Wirtschaft, dass die Arbeitsfähigkeit von Unternehmen geschützt wird. „Auch Testpflichten können gut abgebildet werden, insbesondere für Sondergebiete“, so Laßmann mit dem Blick auf eine mögliche Einstufung der Schweiz oder Frankreich als Hochinzidenz- oder Virusvariantengebiet durch den Bund. Ein wichtiger Punkt, der im Landkreis Lörrach mit Sorge verfolgt wird. Denn damit einher würde eine Testpflicht für den Grenzübertritt gehen, die vor allem Grenzgänger in stark treffen würde.
Wie wird aktuell getestet in den Unternehmen in der Region?
Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee (IHK) Thomas Conrady: „Die Unsicherheit, die mit Corona verbunden ist, macht müde“, so seine Einschätzung der derzeitigen Stimmung. Wichtig sei es, sinnvolle konkrete Öffnungsperspektiven bieten zu können und dafür sei die Bedeutung der Tests nicht zu unterschätzen. Mit Bezug auf eine aktuelle Umfrage der IHK erklärte Conrady: „Fast 50 Prozent der Unternehmen testen bereits oder wollen demnächst testen.“ Dies sei vor allem bei großen Unternehmen ab 500 Mitarbeitern der Fall.
Schwieriger sei die Situation kleinerer Unternehmen bis 200 Mitarbeiter. „Sie brauchen Unterstützung dabei und vor allem verlässliche Informationen“, so Conrady. Mittlerweile seien 150 Menschen als Tester geschult worden und die entsprechenden IHK-Kurse bis Ostern seien ausgebucht. Conrady gab zu bedenken: „Das Thema Beschaffungssicherheit für die Schnelltests ist noch nicht abgesichert.“ Die 300.000 Tests vom Sozialministerium – für den Fall der Einstufung der Nachbarländer als Hochinzidenz- oder Virusvariantengebiet – seien mittlerweile eingetroffen, aber rund 90 Prozent seien von den Unternehmen noch nicht abgerufen worden.
Wie sieht es in der Praxis aus?
Der Geschäftsführer der Schopfheimer Firma Durlum, Matthias Reuter, gab einen Einblick in die Umsetzung von Coronatests in seinem Unternehmen und die Fragen, die Wirtschaftsunternehmen beschäftigen, wie beispielsweise: Wie führt man solche Tests eigentlich im Unternehmen durch? Wie viel Personal braucht man? „Wir lassen Mitarbeiter schulen, aber wir wissen noch nicht wie viel Verantwortung die dann tragen. Das muss noch geklärt werden. Ob das Risiko so tragbar ist? Wir wissen nicht, welche Gefahren entstehen können.“ Wichtig sei es eine Teststrategie aufzubauen. Bei Durlum seien Selbsttests angeschafft worden, die bislang jedoch nur fallbezogen angewendet worden seien, so Reuter. Grundsätzlich hob er hervor: „Ich sehe keine Alternativen mehr zu den Tests. Alles andere – Abstand, Homeoffice, ist weitestgehend verinnerlicht.“
Michael Jenisch von der Schopfheimer Firma Herbster erklärte: „Ich möchte grundsätzlich fürs Testen im Unternehmen werben.“ Das rund 100 Mitarbeiter zählende Unternehmen habe Mitarbeiter an einer Schulung für Antigen-Schnelltests teilnehmen lassen und einen weiteren Kurs zur Organisation und zu den rechtlichen Hintergründen belegt. „Wir beginnen nun mit der Umsetzung und versuchen nun eine Regelmäßigkeit im Alltag zu erreichen“, so Reuter. Er ergänzte: „Die Corona-Regeln einzuhalten ist unglaublich wichtig und kostet in der Umsetzung enorme Kraft. Da müssen wir ein Auge darauf haben.“
Öffentliche Testzentren in Unternehmen?
Katharina von der Hardt, Leiterin des Gesundheitsamts Lörrach, wies auf die Möglichkeit hin, dass Unternehmen sogar selbst zu Testzentren, die dann auch der Öffentlichkeit zugänglich wären, werden könnten. Dafür gebe es vom Land definierte Anforderungen an die Räume, das Personal, die Durchführung der Tests und die weiteren rechtlichen Schritte, insbesondere bei positivem Testresultaten. Für die Unternehmer eine recht neue Information, die Durlum-Geschäftsführer Reuter „interessant“ nannte, womit aber viele weitere Fragen verbunden seien.
Wie wird die Testoffensive aus Sicht des Handwerks beurteilt?
Daniel Herkommer, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, sieht eine Einstiegshürde bei der Schulung der Tester. Selbsttests, also so genannte Laientests, die sich jeder selbst kaufen und durchführen kann, wären aus seiner Sicht darum zu bevorzugen. Vor allem auch hinsichtlich der Meldepflicht, die bei Schnelltests bei Testzentren erfolgen muss, bei privaten Testergebnissen, allerdings nicht. In der Gewerbeakademie in Schopfheim lagern die Tests des Sozialministeriums. Auch hier sei die Nachfrage gering. „Das entsprechend geschulte Personal fehtl“, so Herkommer. Dem schloss sich Kreishandwerksmeister Martin Ranz an: „Wir scheitern mal wieder an der Bürokratie.“ Das Handwerk brauche Testungen auf freiwilliger Basis mit Selbsttests, keine finanzielle Belastung der Betriebe, die Beschaffung und Finanzierung von Tests durch die Landkreise, nicht nur durch Städte und Gemeinden, wo derzeit die Zuständigkeit liege. Den letztgenannten Punkt nahm Marion Dammann zur Prüfung auf.
Woher kommen die Informationen?
Neben IHK und Handwerkskammer stelle auch die Wirtschaftsregion Südwest regionale Informationen, beispielsweise eine Übersicht über Teststellen bereit. Der Wirtschaftsbeauftragte für den Landkreis Lörrach, Daniel Tastl, hob hervor: „Wir sind ansprechbar und gut vernetzt und bemühen uns, schnell zu helfen.“
Wie geht es weiter?
Für Lörrachs Landrätin steht außer Frage: „Die Tests sind immens wichtig.“ Aber vor allem das Impfen sei entscheidend, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Für die Warteliste des Kreisimpfzentrums sei nun neuer Impfstoff eingetroffen. „Ich hoffe sehr, dass es nach Ostern größere Mengen gibt und dass dann Hausärzte mit einbezogen werden können“, ergänzte Dammann.