Im Westen was Neues: Bad Säckingen, Wehr, Murg, Rickenbach und Herrischried wollen Landes-Modellregion für Corona-Forschung werden. Hintergrund: Die Initiatoren, Bürgermeister Alexander Guhl und Michael Thater, kritisieren die aktuellen Lockdown-Maßnahmen als zu pauschal und fordern eine differenziertere Öffnungsstrategie: „Wir müssen weg von dem alles oder nichts.“ Mit Amtskollege Thater und den Rathauschefs der Verwaltungsgemeinschaft will er das Thema in Form eines Modellprojektes vorantreiben. Anders als in Tübingen soll es hierbei nicht nur um „Testen und Öffnen“ gehen, sondern um belastbare Antworten auf die entscheidende Frage: Wo sitzen die Infektionsgefahren und wo nicht?
Erstes Etappenziel: Stuttgart überzeugen
Nach Ostern soll der Landesregierung ein Grobkonzept für ein Forschungsmodell vorgelegt werden. Gerne hätten die fünf West-Bürgermeister auch andere Gemeinden des Landkreises im Boot. Ein erstes Gespräch hat bereits stattgefunden. Kommenden Mittwoch soll die Entscheidung fallen, wer dabei sein wird. Klar ist jedoch schon jetzt: Waldshut-Tiengen und Lauchringen machen einen Alleingang und haben das Tübinger Modell bereits beantragt. Guhl und Thater wollen mit ihrer Initiative bis nächsten Mittwoch abwarten. Mittlerweile hätten auch Laufenburg und Albbruck Interesse an einer Teilnahme signalisiert.
So soll das Modellprojekt funktionieren
Ziel ist es, die Corona-Auswirkungen bei Öffnung bestimmter Einrichtungen im Versuch zu testen. „Wir wollen daraus kontrollierte Öffnungsszenarien entwickeln“, beschreibt Guhl die Idee. Dafür braucht es ein Gesamtkonzept. Beispiel: Es könnten etwa ausgesuchte Geschäfte oder Gaststätten gezielt in einen Testbetrieb unter kontrollierten Bedingungen gehen. Kunden müssen dabei nachweislich coronafrei sein. Sie werden erfasst, ihr Gesundheitszustand nachverfolgt. Ähnlich sei dies bei kulturellen oder sportlichen Veranstaltungen denkbar, so Guhl.

Das Ganze könne nur als Forschungsprojekt unter wissenschaftlicher Begleitung funktionieren. Guhl machte deutlich, dass es nicht einfach um wahllose Öffnungen geht: „Das muss von einem Expertengremium ergebnisoffen begleitet werden.“ Natürlich sei das Ziel eine langsame Lockerung in Bereichen, die sich im Infektionsgeschehen als nicht risikoreich erweisen.
Die Teststrukturen stehen bereits
Den Grundstein für ein solches Projekt hat Bad Säckingen bereits gelegt. Mit dem Testzentrum im Kursaal können sich alle Bürger der Region einmal wöchentlich kostenfrei testen lassen. Breit angelegte Testmöglichkeiten sind Voraussetzung für solche Modellforschungen. Denn potenziell geöffnete Einrichtungen dürfen nur von negativ-getesteten Personen genutzt werden. Ebenso muss das Personal ständig getestet werden. In diesem Zusammenhang haben Wehr und Bad Säckingen jetzt gemeinsam 100.000 Schnelltest geordert.
Expertenrunde soll Projektwissenschaftlich begleiten
Ein solches Projekt müsse von Experten begleitet werden. Dafür haben die Bürgermeister bereits Personen im Auge, beziehungsweise angesprochen – z.B. ein Professor von der Uni Freiburg. Laut Guhl brauche es einen Mediziner, einen Virologen, einen Psychologen, einen Soziologen, einen Vertreter des Sportbundes sowie der Kultur – und natürlich das Gesundheitsamt Waldshut, „ohne das Gesundheitsamt geht gar nichts“, sagt Guhl.
Positive Reaktion aus dem Landratsamt
Die Reaktion von Landrat Martin Kistler auf den Vorstoß aus Bad Säckingen und Wehr sei sehr positiv gewesen, berichtet der Bad Säckinger Bürgermeister. Insofern sieht er gute Chancen für ein gemeinsames Vorgehen und auch für die Teilnahme des Gesundheitsamtes an der Expertenrunde. Zum Hintergrund: Das Gesundheitsamt ist dem Landratsamt angegliedert.
Bedauern über Waldshuter Alleingang
Guhl bedauert, dass die Stadt Waldshut-Tiengen zusammen mit der Gemeinde Lauchringen jetzt vorprescht und nicht abwartet, ob ein breiteres Bündnis zustande kommt. OB Philipp Frank hat am Freitag Vormittag angekündigt, dass er das Tübinger Modell für seine Stadt beantragen werde. CDU-Bundestagsabgeordneter Felix Schreiner ließ anschließend via Pressemitteilung wissen, dass er die Initiative von Waldshut-Tiengen und Lauchringen begrüßt und unterstützt.
Perspektive kommende Monate
Alexander Guhl und Michael Thater wissen, dass der Vorstoß der beiden Städte gerade jetzt auf steigende Inzidenzzahlen trifft. „Der Zeitpunkt ist nicht optimal“, sagte Guhl. Dennoch halten die beiden den Aufbau einer längerfristigen Öffnungsstrategie für nötig. Denn die Pandemie werde auch die Region weitere Monate im Griff behalten, schätzt Guhl.