Rund elf Millionen Deutsche haben bis Ende Juni ein Abonnement für das monatlich 49 Euro teure Deutschland-Ticket abgeschlossen, rund 700.000 sind es in Baden-Württemberg. Diese Zahlen nennen der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) beziehungsweise das Landesministerium für Verkehr. Am Hochrhein haben die beiden Verkehrsverbünde nach eigenen Angaben fast 5000 Abos für das seit 1. Mai gültige Deutschland-Ticket verkauft, davon 2858 der Waldshuter Tarifverbund (WTV) und 1930 der Regio Verkehrsverbund Lörrach (RVL).
Die meisten Nutzer des Deutschland-Tickets besaßen vorher ein anderes Abo
Die meisten Deutschland-Ticket-Abonnenten besaßen allerdings vorher ein Abo eines Verkehrsanbieters und ließen dieses auf das kostengünstigere und leistungsstärkere neue Ticket umstellen. Bundesweit sind nach Angaben des VDV zu 46 Prozent Wechsler aus anderen ÖPNV-Abonnements, zu 44 Prozent ehemalige Bar-Zahler oder Inhaber anderer Zeitkarten und nur zu etwa 8 Prozent echte Neukunden, die vorher selten oder nie Bus und Bahn genutzt haben. Bei der WTV besaßen 74,5 Prozent der Deutschland-Ticket-Kunden vorher ein anderes Monatsabo, das sie umschreiben ließen.
Es überrascht, wie viele Kunden trotz des günstigen Preis-Leistungs-Verhältnisses des neuen Tickets bei ihrem alten Monats-Abo geblieben sind. Der RVL gibt an, dass nur 30 Prozent seiner bisherigen Abonnenten gewechselt seien und die Zahl der Abonnenten mit 6000 relativ konstant geblieben sei. Vor allem Monatstickets mit besonderen Funktionen seien weiter gefragt, erklärte WTV-Geschäftsführer Stefan Preuss. Wenn Karten übertragbar seien, im Ausland gültig oder die Mitnahme mehrerer Personen ermöglichten, könnten sie für einen Nutzer sinnvoller sein als das Deutschland-Ticket.
Deutschlandweite Gültigkeit oder die Kinder mitfahren lassen?
Ein besonders gutes Beispiel dafür ist das Mein-RVL-Abo. Für zwei Tarifzonen kostet die personalisierte Karte im Jahresabo zwar monatlich 56 Euro und ist damit 7 Euro teurer als das Deutschland-Ticket.
Die RVL-Monatskarte berechtigt dafür aber zu Fahrten im zum Tarifverbund Nordwestschweiz (TNW) gehörenden Großraum Basel und im Schweizer Rheinfelden sowie am Wochenende und an Feiertagen zur Mitnahme eines zweiten Erwachsenen und von bis zu vier Kindern bis 14 Jahre.
Das Deutschland-Ticket ist in Deutschland nicht in allen Bussen und Bahnen gültig
Das Deutschland-Ticket heißt Deutschland-Ticket, weil es bundesweit in allen Bussen und Bahnen gültig ist. Das scheint logisch, stimmt aber nicht. Das Ticket berechtigt nur zu Fahrten mit Bussen und Bahnen im öffentlichen Personennahverkehr. Nicht eingeschlossen sind also Fernzüge wie der Intercity-Express (ICE), der Intercity (IC) und der Eurocity (EC). Auch im Flixbus und im Flixtrain gilt das Deutschland-Ticket nicht. Der Interregio-Express (IRE) hingegen zählt als Nahverkehrszug, er kann mit dem Deutschland-Ticket benutzt werden.
Es ist auf einzelnen Strecken im Ausland gültig – auch in der Schweiz
Das Deutschland-Ticket heißt Deutschland-Ticket, weil es in Deutschland, aber nicht im Ausland gültig ist. Auch das scheint logisch, stimmt aber nicht. Das Ticket schließt auch im Ausland liegende Ziele ein, wenn diese mit Bussen oder Bahnen eines am Deutschland-Ticket beteiligten Verkehrsverbunds oder -unternehmens angefahren werden. Dies ist auch am Hochrhein der Fall: Dort gilt das Deutschland-Ticket auf der S6 der S-Bahn Basel (Wiesentalbahn) einschließlich Bahnhof Basel SBB. Auch auf einzelnen Linien der S-Bahn Schaffhausen ist das Deutschland-Ticket gültig, so zwischen Erzingen-Schaffhausen-Thayngen-Singen und auf der Strecke Schaffhausen-Lottstetten.
Verkehrsverbünde wie WTV und RVL haben weniger Einnahmen
Generell haben sowohl WTV wie RVL wegen des Deutschland-Tickets niedrigere Einnahmen. Die liegt nicht nur am politisch festgesetzten niedrigen Preis. „Kunden kaufen vermehrt D-Tickets, aber eben nicht nur beim RVL“, bedauert dessen Geschäftsführer Frank Bärnighausen. Das Abo fürs D-Ticket kann online abgeschlossen werden.
Wer aber beispielsweise bei der Suchmaschine google.com den Begriff „deutschlandticket kaufen“ eingibt, wird zuerst auf die Homepage der Deutschen Bahn bahn.de verwiesen, zweiter Treffer ist die Seite deutschlandticket.de, die die dem privaten Verkehrsunternehmen Transdev gehört. Anbieter wie diese greifen deshalb unverhältnismäßig viele Abonnenten des Deutschland-Tickets ab.
Bund und Länder gleichen Einnahmeverluste aus
Bund und Länder haben bei der Einführung des Deutschland-Tickets den Verkehrsbetrieben zugesagt, 2023 und in den Folgejahren entstehende Einnahmerückgänge auszugleichen. WTV-Geschäftsführer Preuss: „Damit soll sichergestellt werden, dass bei den Verkehrsunternehmen nach wie vor mindestens die Einnahmen ankommen, die zur Sicherstellung des Fahrplanangebots auf Straße und Schiene auch benötigt werden.“
Als Basis dienen die Kennzahlen des Jahres 2019. Berücksichtigt werden geringere Abo-Einnahmen, eine Verringerung des Umsatzes durch Wechsel von Kunden zu anderen Anbietern, aber auch mögliche Mehrerlöse durch eine höhere Nachfrage.
Die nicht-subventionierten Fahrkarten sind seit 1. August teurer
Zum 1. August haben beide Verkehrsverbünde am Hochrhein ihre die Preise bei den Monats- und Jahreskarten, den Jahresabos, bei Einzelfahrscheinen, Mehrfahrtenkarten und Tageskarten angepasst. Beim RVL kosten sie jetzt 8, beim WTV durchschnittlich 8,9 Prozent mehr.
Die Verbünde begründen die Preiserhöhung mit stark angestiegenen Personal- und Energiekosten. RVL-Geschäftsführer Bärnighausen: „Wir erleben einen Paradigmenwechsel, indem politisch definierte und stark subventionierte Angebote wie das Deutschlandticket und das JugendticketBW die Preisgestaltung prägen. Gleichzeitig laufen den Verkehrsunternehmen jedoch die Kosten für die Bereitstellung des Fahrtenangebots auf Straße und Schiene davon.“
Der Preis für das Deutschland-Ticket bleibt vorerst gleich
Unverändert blieben die Preise für das Deutschland-Ticket (49 Euro) und das Jugendticket BW (30,42 Euro), die beide vom Bund und vom Land subventioniert werden. Im Dezember wird in Baden-Württemberg das Jugendticket durch ein gleich teures Deutschland-Ticket für Jugendliche ersetzt werden.
Der Kreistag Waldshut begrüßte jüngst die Einführung des neuen Tickets und stufte es als „wichtigen Baustein zur Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs“ ein. Für langfristige Aussagen sei es noch etwas zu früh, erklärte WTV-Geschäftsführer Preuss. „Dennoch kann man davon ausgehen, dass das Deutschland-Ticket attraktiv ist und für Umsteiger und Nachfrage sorgt.“ In Lörrach ist man noch zurückhaltender, was die Auswirkungen des neuen Angebots betrifft. Er beobachte bislang eher eine Verlagerung im Vertrieb und keine signifikanten Zuwächse der Nachfrage, so RVL-Geschäftsführer Bärnighausen.