Ziemliche Wellen schlägt in Bonndorf ein Aufruf an ehemalige Ministranten, dem „Konradsblatt“ alte Erinnerungen mitzuteilen. Höhepunkt für die einstigen Messdiener in Bonndorf dürfte zweifelsfrei ein Fußballspiel gegen die Schönauer Ministranten im Jahr 1975 gewesen sein. Der damalige Vikar Bernhard Fleig, der vor seiner Bonndorfer Zeit in Schönau seinen Dienst verrichtet hatte, organisierte damals das Match.
Keiner wusste so richtig, wo Schönau liegt
Unter der stattlichen Zahl von 40 Ministranten – ausnahmslos Jungs – meinte man, genügend talentierte Kicker zu finden. „Wir schafften uns eigens neue Trikots an und machten uns siegessicher auf den Weg nach Schönau“, blickt der ehemalige Messdiener Guido Woll zurück. „Keiner wusste so recht, wo das überhaupt liegt. Aber uns allen war klar, dass die Gegner in Gummistiefeln gegen uns antreten würden. Wir dagegen hatten allesamt Kickschuhe mit Stollen.“
Mit Altpapiersammlungen füllten sie die Kasse
Doch woher hatten die Ministranten aus Bonndorf das Geld für einen kompletten Satz Trikots? „Wir hatten immer genügend Geld in unserer Kasse. Wir sammelten Altpapier, damals gab es 120 Mark für eine Tonne“, erinnert sich Roland Weishaar bei einem Treffen ehemaliger Ministranten und somit Mitspieler.
Siegessicher traten die Bonndorfer die Reise an
Mit stolzgeschwellter Brust reisten die Bonndorfer Ministranten also nach Schönau. Am Steuer saßen Vikar Fleig und Siggi Blattert, Vater des Bonndorfer Schwimmmeisters Jürgen Blattert. Er fungierte auch als Schiedsrichter. Im Wiesental indes erwartete die Löwenstädter eine Klatsche, wie sie sie nie zuvor erlebt hatten. „Von wegen Gummistiefel! Das war ein totaler Trugschluss“, erinnert sich Karl-Heinz Rogg, einer der wenigen aktiven Kicker in der damaligen Bonndorfer Ministranten-Mannschaft. „Bei den Schönauer Ministranten kickte nämlich Jogi Löw mit, und der spielte damals schon in der Landesauswahl. Der Jogi Löw war so gut, den konntest du nicht mal foulen.“
Jogi Löw holte alle auf den Boden zurück
Matthias Weishaar sieht den Jogi noch vor sich, wie er, den Ball jonglierend, durch das Mittelfeld tänzelte. Wer alles bei diesem desaströsen Match dabei war, können die damals 13- bis 16-Jährigen nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Das Endergebnis jedoch hat sich unvergesslich in ihre Erinnerung eingebrannt: Mit 1:10 Toren verloren die Bonndorfer. Und dieses Ehrentor schoss der Vikar, der jeweils eine Halbzeit bei jeder der beiden Mannschaften kickte. „Jogi Löw hat alle Schönauer Tore geschossen. Das war dermaßen frustrierend, dass bei uns schon gar keiner mehr ins Tor wollte“, sagt Guido Woll lachend.
So schmachvoll diese Niederlage auch war, die einstigen Ministranten sind sich dennoch einig, dass die Ministrantenzeit eine der schönsten ihres Lebens war. Die Erinnerungen sprudeln. Sie erinnern sich, dass nur die Ältesten im Hochamt ministrierten und die Jüngeren allenfalls Kollekte sammeln und in Frühmessen oder bei Gottesdiensten an Werktagen ministrieren durften.
Weitere Erinnerungen an die Ministrantenzeit
Dass die Gewänder nicht für alle ausreichten, man zuweilen aus der Spitalkapelle Nachschub holen und sogar neue anschaffen musste. Und dass alle gerne bei den Morgenmessen im Spital ministrierten. „Da bekam man große Wasserwecken, dick mit Butter und Marmelade bestrichen. Dazu gab es Kakao“, schwärmt Roland Weishaar.
Jeder wollte zum Dreikönigslaufen
Dass „Schlempen“ auf dem Kakao schwammen, nahm man in Kauf. Bei Vespern in der Krankenhauskapelle lagen für die Ministranten häufig zwei Fünfzigpfennigstücke auf dem Beichtstuhl, eine großzügige Gabe der Vinzentiusschwestern. Höhepunkt alljährlich war zweifelsfrei das Dreikönigslaufen. „Da wurde gekämpft, wer überhaupt mitdurfte“, blicken die Männer zurück.
Ministranten harmlos? Von wegen!
Derweil waren Ministranten bekanntermaßen zu keiner Zeit harmlose, fromme Buben. So erinnern Woll, Rogg und Weishaar, wie sie beim Räuber-und-Gendarm-Spielen die jüngsten Neuzugänge unter die Metallabdeckungen der Kellereingänge der Kirche sperrten. Oder welch krachende Ohrfeige sie sich von Dekan Höfele einfingen, nachdem dieser im Weihrauchschiffchen obenauf Knallkörper entdeckt hatte.
Erinnerungen an unzählige Lausbubenstreiche
Unzählige Lausbubenstreiche reihen sich an derlei Erinnerungen. In den Gruppenstunden ging es wild zu. „Brav dasitzen und basteln konnten wir in der Schule“, bilanziert Roland Weishaar. Andererseits renovierten die Jungs in Eigenregie ihren Gruppenraum im Vinzentius-Heim. Die meisten Vikare indes waren für die Ministranten gute Kameraden, unternahmen mit ihnen Radtouren, Hüttenaufenthalte und Ferienlager. Oder fuhren an Sonntagnachmittagen mit ihnen spazieren, um irgendwo einzukehren.