Die Bomben im Jahr 1942 trafen Felder nahe der Unternehmen Degussa (heute Evonik) und Alu. Schäden an Gebäuden oder gar Verletzte und Tote seien nicht verzeichnet worden. Das habe man nun neu herausgefunden, sagt Wolfgang Bocks im Gespräch mit dieser Zeitung. Der Leiter des Arbeitskreises Geschichte im Verein Haus Salmegg gibt auch die Rheinfelder Geschichtsblätter heraus.

Wiederholter Luftalarm in Rheinfelden

Zu dieser Zeit habe es wiederholt Luftalarm in Rheinfelden gegeben, auch auf der Schweizer Seite, letztlich passierte aber nichts. Die Schweiz hatte sich bei den Alliierten und insbesondere den Briten dafür eingesetzt, dass nicht zu nahe an ihrem Territorium bombardiert worden sei, sagt Bocks. Nicht immer mit Erfolg, wie die wohl versehentliche Bombardierung Schaffhausens zeige. Aber doch wirksam, denn so wurden etwa das Kraftwerk und die Alu, damals als AI AG eine deutsche GmbH mit Schweizer Besitzern, verschont.

Erinnerungen zeichnen ein nicht immer einheitliches Bild

Bocks hat bereits vor einigen Jahren einen Band zum Ende des Zweiten Weltkriegs und der Besatzungszeit in Rheinfelden herausgegeben. Darin sind Tagebucheinträge, Erinnerungen und Zeitungsartikel zum Kriegsende in Rheinfelden zu finden. Sie zeichnen ein nicht immer einheitliches Bild, wie das bei Erinnerungen und Augenzeugenberichten nicht unüblich ist.

Schon vor dem Einmarsch bereiten sie sich vor

Schon vor dem Einmarsch der Franzosen bereitete man sich in beiden Rheinfelden auf das Ende des Kriegs vor. Zwar hatte die Schweiz die Grenze nach Deutschland geschlossen, aber den Übergang in Rheinfelden hielten die Zöllner für die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter offen, die in der Industrie in Rheinfelden arbeiten mussten, um „Plünderungen und Massaker durch die Fremdarbeiter und Kriegsgefangenen“ zu verhindern, wie es in der Rheinfelder Zollchronik heißt.

Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter gehen in die Schweiz

Insbesondere die Alu hatte ein Interesse daran, die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter über den Rhein zu bringen, wie Bocks in dem Buch ausführt. Denn bei der Alu waren unter anderem französische Kriegsgefangene tätig. Und sollten diese dort „Leid“ erduldet haben, stände man vor den Besatzern schlecht da, hieß es sinngemäß in einer Sitzung des Verwaltungsrats der AI AG.

Auf dem Inseli werden sie in Empfang genommen

Ab dem 21. April 1945 zogen die Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen über die Brücke auf die Schweizer Seite, wo sie auf dem Inseli von Schweizer Behördenvertretern in Empfang genommen wurden, darunter auch Kriegsgefangene aus der Sowjetunion, etwa aus der Ukraine und Russland. Sie standen in der Hierarchie ganz unten. Für sie war „eine Vernichtung durch Arbeit“ vorgesehen. Dafür habe es entsprechende Anweisungen von ganz oben gegeben, sagt Bocks. Insgesamt waren es rund 3000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Dazu kamen noch mehrere 100 Zivilisten und die einen oder anderen Wehrmachtssoldaten, die über den Rhein flohen.

Über die Brücke gehen sie in die Freiheit

Hermann Heres, damals ein leitender Mitarbeiter bei der Degussa, schrieb in seinem Tagebuch, dass der eine oder andere Arbeiter wohl gerne noch geblieben wäre, und sich herzlich verabschiedet hätte. Eine andere Beobachterin beschreibt die Freude derer, die über die Brücke „in die Freiheit“ gingen. Einig sind sich beide über den schlechten Zustand vor allem der Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion.

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Paul Bettung erwartet die französischen Soldaten

Am 25. April 1945 erwartete der Regimegegner Paul Betting die von Westen vorrückenden französischen Soldaten vor der Stadt. Ihm sei es wichtig gewesen, dass Rheinfelden, anders als etwa Lörrach, nicht angegriffen wird, sagt Bocks. Zusammen mit einem Offizier fuhr er in die Stadt und bereitete die Kapitulation vor. Vor den Häusern hatten weiße Fahnen zu hängen, forderten die französischen Soldaten. In einem Interview berichtete Betting von seiner Sorge, dass versprengte SS-Einheiten oder andere Nazi-Fanatiker doch noch auf die Franzosen schießen und diese dann Rheinfelden angreifen würden. Doch dazu kam es nicht.

Nach dem Einmarsch beginnen harte Zeiten

Gleichwohl begannen mit dem Einmarsch der Franzosen in die Stadt harte Zeiten. Zunächst wurde der NS-Bürgermeister Max Weiß verhaftet. Es kam zu Plünderungen und auch Vergewaltigungen, so Bocks. Der Arbeitskreis Geschichte habe versucht, Arztunterlagen zu den Vergewaltigungen zu finden, allerdings erfolglos. Es werde aber von einer ganzen Reihe berichtet.

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Es kommt zu Verhaftungen und Erschießungen

Neben Weiß wurden auch andere Mitglieder der NSDAP verhaftet. Zudem kam es zu Erschießungen. Die Verhafteten wurden in ein Lager gebracht. Anschließend richteten die Franzosen eine Sperrzone entlang der Schweizer Grenze ein, die auch am Dinkelberg niemand übertreten durfte. Das stellte insbesondere die Bauern vor Probleme, die ihre Felder auf der Höhe, aber ihre Höfe im Tal hatten. Für sie gab es aber Passierscheine. Insgesamt sei die Besatzung von mehr Willkür geprägt gewesen als beispielsweise die der Briten, sagt Bocks, der in der britischen Besatzungszone aufgewachsen ist.