Mit seinen Plänen, in Bad Säckingen ein Nahwärmenetz zu installieren, dass sich aus dem Rhein speist, machte Martin Lohrmann auf sich aufmerksam. Der Volkswirt, der sich unter anderem mit dem Arbeitskreis Energie in der Stadt für die örtliche Wärmewende engagiert, hat dafür einen einfachen Grund: „Die Klimadestabilisierung ist hoch gefährlich“, sagt er. Sein Vorwurf: Die kommunale Wärmeplanung verzögere die Klimawende. Stattdessen könnten nach seinem Dafürhalten Gemeinden bis in zwei Kilometer Entfernung zum Rhein klimaneutral und kostengünstig innerhalb von zwei Jahren mit einer Flusswasser-Großwärmepumpe vollversorgt werden. Aber wenn die Lösung so einfach ist, was spricht dagegen?

Um über das Potenzial der Rheinenergie für lokale Wärmenetze zu sprechen, war Martin Lohrmann in der SÜDKURIER-Redaktion in ...
Um über das Potenzial der Rheinenergie für lokale Wärmenetze zu sprechen, war Martin Lohrmann in der SÜDKURIER-Redaktion in Waldshut-Tiengen. | Bild: Rasmus Peters

Der Rhein fließt immer

Der Bad Säckinger Martin Lohrmann arbeitete jahrelang in der Energiewirtschaft und setzt sich nun für klimafreundliche Wärmeversorgung ein. Grob skizziert, wird der Rhein durch Lohrmanns Pläne zur Energie- und Wärmeader der Region. Technisches Zentrum des Konzepts ist eine Flusswasser-Großwärmepumpe. Sie speist je nach Bedarf ein Nahwärmenetz. Über den Betrieb der Flusswasser-Wärmepumpe im Rhein stünden nach Lohrmanns Berechnungen stündlich 18.800 Kilowattstunden zur Verfügung. Das entspricht dem durchschnittlichen Jahresverbrauch eines 150 Quadratmeter großen Einfamilienhauses. Statistisch könnten also 365 Haushalte versorgt werden.

Die Größe der Wärmepumpenzentrale soll allerdings abhängig zum finalen Versorgungsgebiet entschieden werden. Selbst in Trockenperioden liefert der Rhein laut Lohrmann noch 400 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Der Zugriff auf eine Abflussrate von zwei Kubikmetern pro Sekunde böte laut Lohrmann ausreichend Wärmeleistung, um ganz Waldshut an den kältesten Tagen vollständig zu versorgen. Damit könnte der Fluss die Hauptheizlasten im Winter absichern.

Der Rhein bei Waldshut – wie und ob er für Wärmeenergie genutzt werden kann, erhitzt derzeit einige Gemüter.
Der Rhein bei Waldshut – wie und ob er für Wärmeenergie genutzt werden kann, erhitzt derzeit einige Gemüter. | Bild: Rasmus Peters

Eine gute Idee, aber wer schließt sich an?

Nun zum großen Aber: „Allein die Tiefbauleistungen, die wir erbringen müssten sind enorm. Zwischen dem Rhein und der Stadt liegt die Bahnstrecke und die B34“, entgegnet Philipp Stiegeler von den Stadtwerken in Bad Säckingen. Lohrmanns Idee werde jedoch sicher von Greenventury, die von der Stadt mit der kommunalen Wärmeplanung beauftragt wurden, geprüft werden.

„Wir könnten uns den Einsatz eine Großwärmepumpe sehr gut Vorstellen“, sagt Siegfried Pflüger, Geschäftsführer der ...
„Wir könnten uns den Einsatz eine Großwärmepumpe sehr gut Vorstellen“, sagt Siegfried Pflüger, Geschäftsführer der Stadtwerke Waldshut-Tiengen. | Bild: Foto Santos

Ähnlich klingt die Resonanz in Waldshut-Tiengen: „Wir können uns den Einsatz einer Flusswasser-Großwärmepumpe sehr gut vorstellen“, kommentiert der Geschäftsführer der Stadtwerke Waldshut-Tiengen, Siegfried Pflüger. Allerdings müssen die Preise der Wärmekosten durch eine Machbarkeitsstudie geprüft werden.

Industrie statt Fluss

Bei den Bad Säckinger Stadtwerken tendiert man eher zur Nutzung industrieller Abwärme. Dafür kämen etwa das Schluchseewerke oder die Alunova in Frage, sagt Bürgermeister Alexander Guhl. Mit 30 bis 40 Grad Celsius liefere die Abwärme der Industrie konstanter höhere Temperaturen als der Rhein, der zwischen 5 und 25 Grad schwankt.

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„In der Regel ist es auch wirtschaftlicher, den Bestand weiterzuentwickeln als etwas gänzlich neues einzurichten“, heißt es aus den Stadtwerken. Ja, die Kosten seien erstmal intensiv, räumt Lohrmann ein. Wie hoch, sei von zu vielen Faktoren abhängig, deshalb könne er dazu nichts sagen. Er gehe jedoch davon aus, dass man langfristig gesehen davon profitiere.

„In der Regel ist es wirtschaftlicher, den Bestand weiterzuentwickeln als etwas neues einzurichten“, meint Philipp Stiegeler ...
„In der Regel ist es wirtschaftlicher, den Bestand weiterzuentwickeln als etwas neues einzurichten“, meint Philipp Stiegeler von den Stadtwerken Bad Säckingen. | Bild: Susanne Eschbach

Eigentümer-Genossenschaften für die Wärmewende

Um das Argument unzureichenden Kapitals für eine schnelle Wärmewende entgegenzuwirken, schlägt Lohrmanns Konzept vor, dass sich Gebäudeeigentümer in Wärmegenossenschaften zusammenschließen. So könnten sich die Mitglieder bei der Heizkreisoptimierung sowie der Kapitalbeschaffung für den Aufbau der Wärmenetze unterstützen. In Dänemark seien Genossenschaften die dominierende Rechtsform der Fernwärmenetze, erläutert Lohrmann. Damit stelle das Land den höchsten Fernwärmeprozentsatz Europas und schaffe durch die kleinteilige Organisation eine enorme technische Dynamik.

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In Mannheim, wo jüngst eine Flusswasser-Großwärmepumpe wie sie Lohrmann vorschwebt in Betrieb genommen wurde, war es expliziter Wunsch der Stadt, sagt Dirk Schumann, Pressesprecher der Stadt. Wie Waldshut-Tiengen liegt auch Mannheim am Rhein. Dort ist „die Pumpe ein Baustein zur Vergrünung der Fernwärme“, so Schumann. Weitere Pumpen dieser Art seien durchaus denkbar. Das 15 Millionen Euro teure Projekt wurde mit Mitteln von Bund und Ländern gefördert.

Ähnliche Dimensionen wie die hier gezeigte Großwärmepumpe in Mannheim, könnte die am Hochrhein auch bekommen.
Ähnliche Dimensionen wie die hier gezeigte Großwärmepumpe in Mannheim, könnte die am Hochrhein auch bekommen. | Bild: Stadt Mannheim

Auch im Gemeinderat Wehr wurde jüngst Fließgewässer als potenzielle Wärmegewinnung vorgestellt. Im Sinne der Wärmewende wirbt Lohrmann dafür, sich nicht nur mit den technischen Bedingungen, sondern auch mit den Organisationsformen von Nahwärmenetzen auseinanderzusetzen. „Wenn uns wirklich am Klimaschutz gelegen ist, dann haben wir für die rheinnahen Bebauungsgebiete mit dem Rhein eine Wärmeenergiequelle zur Hand“, verleiht Lohrmann seinem Anliegen Nachdruck. Ob er Gehör findet, entscheiden andere.