Wenn wie jetzt im Frühjahr die Apfelbäume zu blühen beginnen, ist Stadenhausen besonders schön. Der kleine Ort liegt am Fuß von Schwarzwald und Jura in einer der letzten noch unverbauten Ebenen am Hochrhein. Im weiten Bogen umschmiegt der Fluss Wiesen, Felder und Obstgärten. Ein Gutteil davon gehört Thomas Bächle.

Doch dem Landwirt ist mitten in seinem Idyll zum Heulen zumute. Denn wo sich an langen Spalierreihen jetzt eigentlich zartrosa Knospen bilden sollten, um im Herbst als saftige Früchte geerntet zu werden, blecken spitze Holzstümpfe aus dem Boden.

„So schlimm wie jetzt war es noch nie“

Der Biber hat hier im Winter mindestens 400 Apfelbäumchen abgefressen. 2400 Euro hat der Appetit des Nagers ihn gekostet, schätzt Thomas Bächle. Seine Arbeitszeit und den Ernteausfall von rund 8000 Äpfeln pro Saison hat er dabei noch nicht einmal eingerechnet. Doch keiner ersetzt ihm den Schaden. „Wir haben seit 20 Jahren mit dem Biber zu tun. Mal mehr, mal weniger. Doch so schlimm wie jetzt war es noch nie“, sagt Bächle.

Ein Biber sitzt im Wasser. Viele schätzen den Nager, weil er durch seine Bautätigkeit den Wasserhaushalt reguliert. (Symbolbild)
Ein Biber sitzt im Wasser. Viele schätzen den Nager, weil er durch seine Bautätigkeit den Wasserhaushalt reguliert. (Symbolbild) | Bild: Felix Heyder

Seit der Mensch vor etwa 10.000 Jahren begonnen hat, Boden zu bebauen, zu säen und zu ernten, wehrt er sich gegen Wildtiere, die die Früchte seiner Arbeit ebenfalls begehren. Im agrarisch intensiv genutzten Mitteleuropa wurden in den vergangenen Jahrhunderten viele als Schädlinge begriffene wildlebende Pflanzen- und Fleischfresser stark dezimiert, wenn nicht sogar ganz ausgerottet.

So auch der Biber. Das bis ins 17. Jahrhundert hinein noch weit verbreitete Säugetier war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland vollständig verschwunden. Im Südwesten wurde der letzte Biber 1846 geschossen.

Doch der Biber ist zurückgekehrt

Bestände wanderten ein aus Bayern, wo sie ab den 1960er Jahren Biber wieder angesiedelt worden waren und am Hochrhein aus der Schweiz, ab 1956 erste Tiere in der Wildnis ausgesetzt worden waren. In Baden-Württemberg schätzt das Umweltministerium die Population inzwischen auf wieder rund 7500 Tiere. Neben Oberschwaben, der Ostalb und der Donau zählt der Hochrhein zum Hauptverbreitungsgebiet der streng geschützten Art.

Was die Landesanstalt für Umweltschutz über Biber sagt

Natur- und Umweltschützer schätzen die Rückkehr des Bibers. Er erfülle wichtige Funktionen für die Verbesserung der Gewässerökologie. „Die Aktivitäten des Bibers führen im und am Gewässer zu einer höheren Struktur- und Artenvielfalt. S

o renaturiert er Gewässer, die vom Menschen begradigt und degradiert wurden, mit positiven Auswirkungen für Tiere und Pflanzen der Gewässer- und Auenlandschaften, die in den letzten Jahrzehnten besonders unter den Eingriffen des Menschen gelitten haben“, teilt eine Sprecherin des Umweltministeriums mit. Durch die Stauaktivitäten des Bibers werde Wasser in der Landschaft gehalten, was zum Hochwasserschutz beitrage. Durch seine Tätigkeit erspare der Biber dem Menschen hohe Kosten.

Doch Biber richten auch Schäden an

Darunter leiden in hohem Maß die Landwirte. Biber setzen land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen unter Wasser. Sie untergraben Äcker, Dämme und Wege. Sie fressen Feldfrüchte und fällen – wie in Stadenhausen – Bäume. Wenn so etwas im Landkreis Waldshut vorkommt, ist dies ein Fall für Bettina Sättele.

Die Biberbeauftragte des Regierungspräsidiums Freiburg, Bettina Sättele, neben einer gefällten Eiche. Biber bevorzugen kleine Stämme, ...
Die Biberbeauftragte des Regierungspräsidiums Freiburg, Bettina Sättele, neben einer gefällten Eiche. Biber bevorzugen kleine Stämme, können aber auch Bäume mit einem Durchmesser von bis zu 75 Zentimetern fällen. (Archivbild) | Bild: Julia Becker

Seit 2003 ist die selbstständige Biologin aus Ühlingen-Birkendorf als Bibermanagerin tätig. Sie berät Privatleute, Firmen und Kommunen im Umgang mit dem Nager. Auch Stadenhausen und Thomas Bächle kennt sie gut: „Es ist eine schwierige Situation für ihn. Das verstehe ich absolut.“

Unweit von Stadenhausen hat ein Biber begonnen, unter einer Straßenbrücke einen Bau zu errichten. Das oberhalb der Brücke aufgestaute ...
Unweit von Stadenhausen hat ein Biber begonnen, unter einer Straßenbrücke einen Bau zu errichten. Das oberhalb der Brücke aufgestaute Wasser könnte für Probleme sorgen. | Bild: Vonberg, Markus

Sättele aber ist der Überzeugung, dass es gar nicht so weit hätte kommen müssen, wenn rechtzeitig reagiert worden wäre. „Mit einem Biber kann man klarkommen“, sagt sie und verweist auf das Beispiel vieler Landwirte im Landkreis. Ein vorübergehend aufgestellter elektrischer Wildzaun könne das Tier schnell davon überzeugen, um einen Obstgarten oder um ein Feld einen großen Bogen zu machen. Wo Biberburgen Felder oder Wegen unter Wasser zu setzen drohten, da hälfen Drainagen. Das Land stelle die Schutzmittel gegen Biber kostenlos zur Verfügung.

Keine Entschädigung bisher

Das alles weiß auch Bauer Bächle. Er habe es schon mit Zäunen versucht, sagt er. Doch der Biber habe sich unter ihnen durchgegraben. „Nötig wäre ein Zaun aus Baustahl, 20 Zentimeter tief in die Erde einbetoniert“, sagt er. Und fragt: „Wer zahlt mir den! Und wer zahlt mir die Arbeit, die ich habe, den zu bauen?“ Er hält deshalb eine Entschädigung für die bessere Lösung.

Einen finanziellen Ausgleich für Biberschäden gibt es beispielsweise in Bayern. Vor wenigen Jahren hatten 1000 Landwirte auf einer Unterschriftenliste dies auch für Baden-Württemberg gefordert. Doch das Umweltministerium winkte damals wie heute ab.

Das Land trage kein Verschulden an Schäden, die wildlebende Tiere verursachen, und es habe auch keine Gefährdungslage geschaffen. Denn anders als in Bayern sei der Biber in Baden-Württemberg nicht aktiv angesiedelt worden, erklärt eine Sprecherin des Ministeriums.

Biber Thema im Landtag

Auch im Landtag war der Biber und der Umgang mit ihm erst Anfang März ein Thema. Einzelne Abgeordnete forderten im Plenum sogar schon eine Regulierung des Bestands durch Bejagung. Bisher ist der Biber ist streng geschützt und darf nicht geschossen werden. Daran könne das Land nichts ändern, sagt das Ministerium gegenüber unserer Zeitung. Der Biber sei eine durch nationales und internationales Recht geschützte Art.

Wie Baden-Württemberg mit dem Biber künftig umgehen will, soll ein Modellprojekt klären, das Anfang dieses Jahres im oberschwäbischen Landkreis Biberach startete.

Die Biberbeauftragten vor Ort sollen regelmäßig berichten, welche Probleme sich mit dem Tier ergeben und wie sie gelöst werden könnten. Erste nennenswerte Erkenntnisse des auf zwei Jahre angelegten Modellprojekts würden Anfang des nächsten Jahres erwartet, so das Ministerium.

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