Rhina Historische Gemarkungskarten erfreuen sich einer zunehmenden Beliebtheit. In vorderösterreichischen Diensten stehende Geometer fertigten solche zum Ausgang des 18. Jahrhunderts im gesamten Gebiet der österreichischen Vorlande. Grund war die Erfassung aller Nutzungsarten zum Zweck einer gerechten Steuererhebung.

Der Säckinger Geometer Joseph Fridolin Kunzelmann (1730 bis 1790) gehörte zu den acht Geometern, die seinerzeit hierzulande die einzelnen Banne (Gemarkungen) vermaßen, Pläne zeichneten und Nutzungsarten berechneten. Eine seiner Aufgaben war 1780, den „Grund Riss über das orth Rihnen in der henemer Einung an Rustical grund Stücke“, wie er ihn titulierte, zu fertigen.

Bei allem Respekt für den verdienstvollen Geometer, was aber in aller Welt bewog Kunzelmann, die Ortschaft Rhina in die Einung Hänner einzuordnen? Zum einen gab es die Einung Hänner innerhalb der Grafschaft Hauenstein gar nicht. Das Dorf Hänner gehörte zur Einung Murg. Zum anderen war Rhina im Jahre 1780 noch Bestandteil der Gemeinde Murg und die war wiederum Hauptort der Einung Murg.

Auch Wein wird hier angebaut

Dem 35 auf 64 Zentimeter großen Grundriss von Rhina sei gleichwohl gebührende Anerkennung gezollt. Auf ihm sind alle vorhandenen Nutzungsarten fein säuberlich kartiert und als rechnerisches Ergebnis auf das rechts im Plan zweimal eingerollte Blatt geschrieben. Demnach waren an Ackerland 115 Jauchert, Matten (98), Reben (2), Eichenholz (57), Gestrüpp-Holz (11) sowie Wege, Gewässer und Gebäude (8), zusammen also 291 Jauchert, vorhanden, was mit einer Fläche von 105 Hektar gleichzusetzen ist, weil einem Jauchert umgerechnet 35,97 Ar entsprechen. Dies, wie Kunzelmann weiter in seiner Titelkartusche ausführte, „nach dem vorgeschriebenen Wiener Maaß, die Jauchert zu 36.000 Quadrat-Schuh gerechnet“. Diesbezüglich ist von Kenntnis, dass nach Einführung des metrischen Maßes (1872) ein Wiener Schuh eine Länge von 31,61 Zentimetern hatte.

Eine Windrose belebt das Kartenbild, und mit Hilfe der am unteren Teil angebrachten Maßstabsleiste, an der eine Entfernung von 200 Ruthen (eine Ruthe entspricht zehn Schuhe) angezeigt ist, kann der Kartenmaßstab errechnet werden. Da die Maßstabsleiste annähernd zehn Zentimeter lang ist, ergibt sich daraus – unberücksichtigt eines etwaigen Papierverzuges – ein rechnerischer Maßstab 1:6300.

Von Interesse sind auch die im Plan dargestellten 31 Marksteine, die sich auf der Gemarkungsgrenze zu Murg hin befinden. Sie entstanden aufgrund des Vergleichs zwischen Murg und Rhina vom 9. Oktober 1773, in dem sich drei Obmänner von Rhina und vier von Murg geeinigt haben, eine separate Gemarkung für Rhina zu bilden. Diesem Vergleich vorausgegangen waren langjährige Streitereien wegen „Schatzung“ (Abgaben an die Obrigkeit) und „Waidgang“ (Weiderechte). Der Redmann Johannes Schmid aus Stadenhausen, der Alt-Einungsmeister aus Hänner, Joseph Eckert, sowie Joseph Volli waren die Moderatoren der Vereinbarung.

Gegenüber der Gemarkungsgrenze zu Niederhof standen 1773 bereits sieben Marksteine, nicht aber solche zur Gemarkungsgrenze gegenüber Laufenburg. Denn die Waldstadt Laufenburg lag seinerzeit wegen ihrer Abgrenzung zur Grafschaft Hauenstein mit dieser im Clinch. 1781 konnten sich die beiden Kontrahenten jedoch einigen und daraufhin neun Bannsteine setzen. Die Steine mit den Nummern 8 und 9 betrafen die nie angezweifelte Grenze zu Rhina. Diesbezüglich ist nach einer Beschreibung schon 1710 die Grenze so verlaufen.

Damit aber nicht genug. Wenn schon eine eigene Gemarkung, dann auch eine eigene Gemeinde. Ein Antrag an das Bezirksamt Säckingen wurde 1832 gestellt, die Regierung in Freiburg nahm ihn wohlwollend auf, und per Gesetz vom 30. November 1833 entstand die Gemeinde Rhina mit damals 272 Einwohnern. Die Selbstständigkeit blieb allerdings nicht ohne eine Anpassung der Gemarkungsgrenzen, die 60 Jahre zuvor wegen den vorausgegangenen Streitigkeiten aus Kompromissgründen etwas unförmig erfolgte.

Aufgrund des Vermessungsgesetzes von 1852 und des Vermarkungsgesetzes von 1854 wurde im seit 1806 bestehenden Großherzogtum Baden die Katastervermessung eingeführt. Murg, Niederhof, Rhina und Laufenburg waren von 1890 bis 1895 davon betroffen. In diesem Zusammenhang wurden durch ein 1890 abgeschlossenes Flurbereinigungsverfahren noch bestehende Unstimmigkeiten ausgeräumt, was zur Bildung von endgültigen Gemarkungsgrenzen führte. Rhina hatte im September 1894 eine Gemarkungsgröße von 117,71 Hektar, darin inbegriffen rund 13 Hektar Rheinfläche.

Was die Gemarkungen Murg und Niederhof anbelangt, sind deren Gemarkungsgrenzen zu Rhina im Wesentlichen bis heute gleichgeblieben, doch gegenüber Laufenburg gibt es seit 1933 keine Gemarkungsgrenze mehr. Sie fiel weg, weil Rhina zu Laufenburg eingemeindet wurde. Zweimal versuchte die Waldstadt vergebens, Rhina für sich zu gewinnen, 1919 und 1924. Rhina war gut situiert, weil auf seiner Gemarkung von 1908 bis 1914 das Kraftwerk gebaut wurde und 1915/16 sich die Elektro-Nitrum AG angesiedelt hatte, wodurch die kleine Gemeinde Rhina kräftige Steuereinnahmen hatte. Der Gemeinderat von Rhina wehrte sich stets entschieden gegen eine Vereinnahmung. Trotz alledem wurde mit Gesetz vom 8. November 1933 die gegenseitige Gemarkungsgrenze aufgehoben und die inzwischen auf rund 500 Bürger angewachsene Gemeinde Rhina wurde Bestandteil der Stadt Laufenburg.

Rhina will 1945 wieder „frei“ werden

Wie der frühere Stadtarchivar von Laufenburg Theo Nawrath (1914 bis 1989) in seinem Festvortrag anlässlich der 700-Jahr-Feier von Rhina am 30. August 1981 erwähnte, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in Rhina nochmals Stimmen laut, die eine Wiedergutmachung für zugefügtes nationalsozialistisches Unrecht und ein „freies Rhina“ durch eine Ausgemeindung von Laufenburg forderten. Eine Gruppe entschlossener Jungmänner (unter ihnen auch ein junger Hilfsratschreiber), entwarf eine Denkschrift mit dem Ziel, wenigstens die Rückgabe des 1924 erbauten Schulhauses und damit eine Ausschulung aus Laufenburg zu erwirken. Dieser Aktion blieb aber der Erfolg versagt. Die Kreisversammlung hatte nämlich im Herbst 1948 nach mehrstündiger Beratung die Vereinigung mit Laufenburg gutgeheißen, und die damalige Staatsregierung in Freiburg bestätigte das Ergebnis dieser Beratung.

Kirchlich gesehen gehörte Rhina lange Zeit zur Pfarrei Murg und ab 1. April 1952 zum Kirchspiel Laufenburg. Der Wunsch der rund 450 Katholiken in Rhina nach einer eigenen Kapelle blieb, obwohl er seit 1935 immer wieder vorgetragen wurde, unerfüllt. Doch im November 1953 wurde der Grundstein zur Marienkirche gelegt, die im April 1955 fertiggestellt war. Eine Genugtuung für viele „Rhinemer“, die zwar ihr Rathaus und Schulhaus verloren, aber eine neuzeitliche Kirche erhalten haben.