Historisch gesehen ist die „Neue Murger Mitte“ etwas aus der Mitte gerückt. Oder andersherum, die „Neue Murger Mitte“ ist das Ergebnis eines strukturellen Wandels in den 90er Jahren. Er machte aus dem einstigen wirtschaftlichen Zentrum Unterdorf ein Wohngebiet und ermöglichte, dass anstelle des in nächster Nähe angesiedelten Sägewerks Rufle im Mühleareal heute eine moderne Kindertagesstätte steht. Die 90er Jahre machten den Weg für diese Entwicklungen frei.
Das Unterdorf einst: Fischer, Mühlen, Hammerschmieden und Sägewerke
Das Unterdorf in Murg erstreckt sich zwischen der Murgmündung und dem heutigen Gewerbegebiet. Hier gingen die Fischer über Jahrhunderte hinweg ihrem Broterwerb nach, und hier lagen jene Uferstellen, an den die Flößer Baustämme zu großen Holzteppichen zusammenbanden.


Gleichzeitig bot das Wasser der Murg immer auch Anreiz zu gewerbliche Nutzung an. Schon im frühen Mittelalter entstanden im Unterdorf und unmittelbar nördlich angrenzend am Murgbach Mühlen, Hammerschmieden und Sägewerke.
Entwicklung bis in die 90er Jahre
Die erste Säge im Unterdorf wird schon 1583 genannt und war von den Stiftsdamen in Säckingen als Lehen vergeben. Ebenso die Säge im Mühleareal. Die Geschichte der beiden Sägen ist wechselhaft und erlebte eine Blütezeit, als mit Magnus Lüthy beide Sägen denselben Eigentümer hatten.
Die Säge in der Rheinstraße im Unterdorf ist jedenfalls ab 1936 im Besitz von Karl Rügner, und in den 90ern Firmensitz der Firma Hospa, die dann ins Gewerbegebiet West umzieht. In der parallel verlaufenden Fährstraße stehen zu jener Zeit noch weitere gewerbliche Gebäude. Im Jahr 1900 siedelte sich hier im Zuge des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs eine Brennerei und Presshefefabrik an, später die Firma Etzkorn. Östlich in der Schiffstraße und direkt am Murgbach gründete sich noch vor 1900 die Seidenfärberei Sackermann und ab den 30ern die Kleiderfabrik Ferdinand Laule.
Die 90er-Jahre: Das Unterdorf wird zum Wohnquartier
Zu Beginn der 90er Jahre sind all diese Wirtschaftsstandorte Geschichte, und die Gemeinde verfolgt konsequent das Ziel, im Unterdorf Wohnbauflächen zu entwickeln. Bereits 1988 werden die Gebäude in der Schiffstraße abgerissen, an dieser Stelle kann 1998 das erste Gebäude der Seniorenanlage eingeweiht werden.
In der Fährstraße entstehen 1991 mit dem Abriss der alten Presshefefabrik die ersten Wohngebäude. Die Bagger auf dem Gelände der Rügner Säge rollen ab 1996. Auch hier sind Wohnungen geplant, aber das Areal ist in Privatbesitz. Erst 2015 tritt der Eigentümer mit Plänen für ein Mehrfamilienhaus an die Gemeinde heran. Das Haus ist inzwischen gebaut, aber angrenzend Richtung Rhein ist noch immer Grünfläche.


Abriss des Mühleareals 1993 – aber dann war Stillstand
Ähnlich lange dauert es, bis feststeht, was mit dem Mühleareal passiert. 1922 erwarben die Gebrüder Rufle die Sägerei und schufen daraus ein modernes Sägewerk. Bis zuletzt war das Sägewerk längs der Murg und in der Ortsmitte in Familienbesitz. 1993 erfolgte der Abriss. Das Gelände war fortan in Gemeindebesitz, galt als „Filetstück“, aber erst 2016 kam das Areal als Standort für eine Kindertagesstätte ins Gespräch.
Parkplatz und Festplatz
Das Mühleareal war viele Jahre lang Parkplatz und zwischendurch auch Festplatz. Zum Beispiel für den historischen Markt anlässlich der 750 Jahrfeier der Gemeinde Murg in 2010. In den Jahren zuvor waren diverse Planungen mangels Masse an Investoren gescheitert. Im Gespräch waren unter anderem direkt an der B34 ein Wohn- und Geschäftshaus, im mittleren und nördlichen Bereich Grünfläche und ebenfalls Wohnungen. Versuche, einen Lebensmittelmarkt anzusiedeln, scheiterten an den Größen- und Zufahrtsvorgaben der Konzerne. 2006 beschloss der Gemeinderat auf alle Fälle an einem Gesamtkonzept festzuhalten. Das kam dann mit der Kindergartenplanung. Die Kindertagesstätte „In der Mühle“ wurde 2021 eingeweiht.