Die Polizei beschreibt ihn als gewalttätig, ZfP-Arzt Franz-Xaver Regel widerspricht: „Der würde nie zuschlagen, nie ein Auto rauben – da lege ich die Hand ins Feuer.“
Die Richterin findet deutliche Worte. „Sie werden so lange in der Psychiatrie behandelt, bis sie nicht mehr gefährlich sind“, sagt Eva Kleine-Cosack, als sie das Urteil der Schwurgerichtskammer verkündet. Die Behandlung ist schnell vorbei: Am 11. Februar flieht der Straftäter aus dem Zentrum für Psychiatrie – zehn Monate nach der Verurteilung.
Versuchter Totschlag, gefährliche Körperverletzung, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr: Im Oktober 2016 rast der Rumäne betrunken in einem Rheinfelder Wohngebiet mit dem Auto auf seine Ex-Freundin und deren Partner zu, dabei verletzt er den Mann schwer. „Für mich ist es sehr schwierig, zu akzeptieren, dass Schluss ist“, sagt er ein halbes Jahr später vor Gericht. Das Gutachten attestiert ihm eine Persönlichkeitsstörung – und eine verminderte Schuldfähigkeit.
Seit dem Urteil im April 2017 ist der 36-jährige Rumäne in der Klinik für Forensische Psychiatrie in Emmendingen untergebracht. Die Therapie laufe gut, sagt Franz-Xaver Regel, stellvertretender Chefarzt in der Forensik. Die Ärzte gewähren dem Rumänen Ausgang auf dem ZfP-Areal – erst in Begleitung eines Pflegers, dann alleine. Regel: „Es war immer undramatisch. Wir gewähren so einen Ausgang auch nie nach dem Prinzip Schaun ’mer mal. Da muss immer die Überzeugung dabei sein, dass er die Lockerung nicht missbraucht – und natürlich gibt es die nicht, wenn zu befürchten ist, dass er etwas Schlimmes anstellt.“
Am Sonntag vor einer Woche, schildert der Arzt, sagt der Häftling um 17.20 Uhr, dass er an die frische Luft will. Er darf das Gebäude verlassen, muss aber auf dem Gelände bleiben – und um 20.30 Uhr zurück sein. Er bleibt weg. Die Pfleger suchen in der näheren Umgebung nach ihm, um 21.30 Uhr alarmieren sie die Polizei.
Fünf Tage später erst veröffentlichen Polizei und Staatsanwaltschaft das Foto des flüchtigen Straftäters. „Erfahrungsgemäß werden die meisten Entwichenen nach kurzer Zeit gefasst“, sagt Franz Josef-Heering, Leiter der Lörracher Staatsanwaltschaft. „Eine Öffentlichkeitsfahndung ist ein schwerwiegender Eingriff – den muss man sich gut überlegen.“ Die Beamten beschreiben den entlaufenen Rumänen in ihrem Fahndungsaufruf als gefährlich. „Das hat sich wohl aus der Tat abgeleitet“, sagt Psychiater Regel nach rund zehn Monaten Therapie – und widerspricht. „Als Persönlichkeit ist er ein eher zurückhaltender, unsicherer Mensch, keiner, der für seine kriminellen Interessen über Leichen geht.“
Oberstaatsanwalt Rainer Hornung, der vor Gericht als Ankläger aufgetreten ist, sieht die Sache anders. „Der Mann ist nicht völlig harmlos, sonst wäre er nicht im Maßregelvollzug. Er ist vielleicht nicht gemeingefährlich. Aber man darf ihn auch nicht unterschätzen, wenn er in die Enge getrieben ist.“ Die Polizei, sagt er, stehe in ständigem Kontakt mit seiner Ex-Freundin und deren Partner. „Die waren wenig begeistert, als sie es gehört haben.“
Die ZfP-Ärzte entscheiden selbstständig, ob ein Verurteilter Ausgang bekommt. Die Staatsanwaltschaft fragen müssen sie erst, wenn der Patient das Klinikgelände verlassen soll. Mauern oder Zäune musste der Geflohene jedenfalls nicht überwinden. „Er ist einfach rausgelaufen“, sagt Psychiater Regel. „Wir haben ihn als stabil eingeschätzt. Er war auch fast jeden Tag zuvor draußen.“