Wegen Nachstellungen zum Nachteil ihrer damaligen Nachbarn in zwei dauerhaft begangenen Fällen hat ein Gericht am Amtsgericht Lörrach eine 53-jährige Frau zu einer Geldstrafe von 5250 Euro verurteilt. Nach neun Verhandlungstagen seit Anfang Februar kam das Gericht zur Überzeugung, die Frau habe die Nachbarn beharrlich beobachtet, ihnen aufgelauert und sie verfolgt. Die Angeklagte hatte, wie berichtet, alles abgestritten.
Ein Strauch als Auslöser
Nachdem die Nachbarn im Sommer 2016 eingezogen waren, gab es zunächst keinen intensiven Kontakt. Als der Mann der Angeklagten aber einen Strauch der Nachbarn beschädigte, verschlechterte sich das Verhältnis. Nach einer ungewöhnlich umfangreichen Beweisaufnahme kam das Gericht zur Überzeugung, dass die Angeklagte sich mit ihrem Auto vor dem Haus der Nachbarn postierte, sie von ihrem Balkon aus beobachtete und Bewegungen der Nachbarn und ihrer Gäste nachäffte.
Nachbarn ziehen entnervt weg
Auch habe sie mit dem Mobiltelefon zumindest so getan, als würde sie filmen, auch direkt vor dem Fenster der Nachbarn. Außerdem ist das Gericht überzeugt, dass sie den Nachbarn am Kindergarten ihrer Kinder auflauerte und sie verfolgte. Ende Mai 2018 verkauften die Nachbarn ihr Haus unter Wertverlust und zogen entnervt weg.
Verfolgungen gehen weiter
Doch die Nachstellungen gingen weiter. Die Angeklagte passte sie weiterhin am Kindergarten ab und verfolgte sie, einmal kam es auf der A 98 zu einer gefährlichen Situation, als die Angeklagte mit Lichthupe dicht auffuhr, die Nachbarn überholte und ausbremste.
Zwei weitere Male konnten die Nachbarn die Angeklagte nur abschütteln, indem sie weiter zur Schweizer Grenze oder zur Polizei fuhren. „Die Nachbarn hatten kein normales Leben mehr und fühlten sich nicht mehr sicher in ihrem Haus“, stellte Richter Julian Rapp fest. Er hielt die Aussagen der Nachbarn und Zeugen für glaubhaft, während er die Angaben der von der Verteidigung aufgebotenen Entlastungszeugen teilweise in Zweifel zog.
Anträge des Verteidigers werden zurückgewiesen
Verteidiger Dubravko Mandic hatte dem Nachbarn vorgeworfen zu lügen. Dessen Vernehmung hatte alleine drei Verhandlungstage in Anspruch genommen, unter anderem weil Mandic dem Nachbarn immer wieder lautstark ins Wort fiel und ihn bei drei Jahre zurückliegenden Ereignissen auf exakte Daten festnageln wollte – wohl um ihn zu verunsichern und in Widersprüche zu verwickeln.
Mehrmals stellte er Befangenheitsanträge gegen das Gericht und zog sie wieder zurück. Er beantragte ein aussagepsychologisches Gutachten, weil er eine psychische Störung der Nachbarin behauptete, eine Durchsuchung bei den Nachbarn, um Videos, die in den Akten genannt sind, sicherzustellen, und mehrmals verlangte er einen Ortstermin aufgrund der Behauptung, die Nachbarn seien nicht wegen der Nachstellungen, sondern wegen eines Feuchtigkeitsschadens im Haus weggezogen. Das Gericht lehnte diese Anträge ab.
Entlastungszeugen unglaubwürdig
Die Aussagen der Zeugen waren nach den Kriterien der Vernehmungspsychologie glaubhaft, detailreich und im Kern widerspruchsfrei, stelle Staatsanwalt Bornheim fest. Die Entlastungszeugen hätten hingegen teilweise Daten heruntergerattert, ohne Details nennen zu können. Nachstellung ist ein Dauerdelikt, bei dem zahlreiche, beharrliche begangene Einzelvorfälle zu einer Tat zusammengefasst werden.
Angeklagte will keine Angaben zu Einkommen machen
Der Staatsanwalt beantragte eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen. Die Tagessatzhöhe, die sich nach dem Einkommen der Angeklagten berechnet, musste er auf 70 Euro schätzen, da die Angeklagte nicht bereit gewesen war, Angaben zu ihrem Einkommen zu machen. Die Anwältin der Nachbarn warf der Angeklagten vor, sie habe Vorwürfe, die Nachbarn würden ihre Kinder misshandeln, erfunden, um vom eigenen Fehlverhalten abzulenken. Sie wunderte sich auch darüber, wie die Angeklagte nach drei Jahren genau sagen konnte, wann und um welche Uhrzeit sie wo mit wem gesprochen hatte.
Verteidiger Mandic meinte indes, es brauche viele Klimmzüge, um über die Widersprüche hinwegzusehen. Er hielt die Nachbarn und die Zeugen für unglaubwürdig, verharmloste die Nachstellungen als Unannehmlichkeiten und beantragte einen Freispruch. Den längsten Schlussvortrag mit einer Stunde und zehn Minuten hielt die Angeklagte selbst, die sich als vollkommen unschuldig und als Opfer darstellte. Mit der Geldstrafe von 75 Tagessätzen à 70 Euro blieb das Gericht deutlich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Angeklagte muss jedoch, da sie verurteilt wurde, auch die Kosten für die ausufernde Gerichtsverhandlung, für ihren eigenen Anwalt und die Anwältin der Nachbarn bezahlen.