Pfarrer sein bedeutet unter anderem die Verkündigung des biblischen Wortes und Seelsorge. Keine kleine Herausforderung derzeit für Renate Hartwig, die seit April vergangenen Jahres Vakanzpfarrerin in der St. Blasier Christusgemeinde ist. Pfarrerin werden wollte sie schon, seitdem sie als Jugendliche mithalf die Kindergottesdienste vorzubereiten, erzählt die 55-Jährige, die in Norddeutschland aufgewachsen ist. „Ich wollte kennenlernen, was es mit dem christlichen Glauben auf sich hat – und den Glauben dann eben auch leben und weitervermitteln“, erzählt sie.
„Online-Gottesdiente sind kein gleichwertiger Ersatz“
„Lasset uns beten“, forderte Pfarrerin Renate Hartwig an diesem Sonntag im Gottesdienst in der Christuskirche die Gläubigen auf. Handydesinfektion, Abstand halten, Mundschutz: Die Coronamaßnahmen werden strengstens umgesetzt, sonst gäbe es hier keinen Gottesdienst.
„Dass an Ostern 2020 gar keine Gottesdienste stattfinden konnten, fand ich sehr hart. Es widersprach eigentlich allem, was wir vom christlichen Glauben, auch vom sozialen Zusammenleben her bisher an Werten haben“, berichtet sie. Zwar habe es Onlineangebote gegeben, doch seien für sie kein gleichwertiger Ersatz gewesen: „Ich brauche die zwischenmenschlichen Begegnungen, Telefonate sind gerade noch an der Grenze.“ In Waldshut, wo sie auch Pfarrerin ist, habe man es mit offener Kirche versucht, was bedeutet, dass die Menschen ins Gotteshaus hinein konnten, wo sie selbst auch vor Ort war.
Zu ihrem Beruf gehört auch der Religionsunterricht an der Schule, je nach Größe der Gemeinde sind es zwischen vier und acht Wochenstunden. Renate Hartwig selbst gibt ihn derzeit aber nicht, da in St. Blasien direkt niemand gebraucht wurde. Außerdem war Corona, und da fiel so manches weg – auch im Jahreskreis einer Kirchengemeinde.
Den Konfirmandenunterricht hielt damals Pfarrer Wagenbach. Er hatte das Konfirmandenjahr im Herbst 2019 begonnen – und da hatte Pfarrerin Hartwig ihren Dienst in St. Blasien noch gar nicht begonnen. Die Konfirmation, die für Mai geplant war, musste wegen Corona verschoben werden und wurde im Oktober nachgeholt. Auch Seniorennachmittage fielen aus.
Möglich gemacht wurde im April aber der Spatenstich für das evangelische Pfarrhaus. Möglich sei es auch gewesen, die Geburtsjubilare der Kirchengemeinde zu besuchen, schließlich habe man sich ja mit dem Mitglied eines anderen Haushalts treffen dürfen. Doch schon die Hand zu reichen, was ja eigentlich zu einer rechten Gratulation dazugehört, war aus verständlichen Gründen tabu. Bei einem Besuch im Luisenheim – Besuche dort gehören auch zu ihren Aufgaben –, habe sie einmal eine schwerhörige Bewohnerin gebeten, ihre Maske abzunehmen. Sie habe weiteren Abstand genommen und sei der Bitte nachgekommen.
Kirchengemeinderatsitzungen konnten stattfinden, nicht über ein Online-Konferenzprogramm, sondern real. Dabei habe man im großen Gemeinderaum mit großem Abstand an Einzeltischen gesessen, so ähnlich, wie auch die Gemeinderatssitzungen der Stadt abgehalten wurden. In St. Blasien und in den Umlandgemeinden erlebt sie die Menschen im Umgang mit der Corona-Pandemie als sehr besonnen. Renate Hartwig findet das angenehm. Die Besonnenheit erlebe sie auch im Kirchengemeinderat. „Wir nehmen das ernst, aber es herrscht keine Überdramatisierung“, sagt sie.
„Ich lebe von der Begegnung mit Menschen“
Wie sich die Corona-Pandemie weiter entwickle, wisse niemand, insofern könne man auch keine Pläne machen. Sie persönlich sei nicht die Person, vermehrt Gottesdienste ins Netz zu stellen. „Ich lebe von der Begegnung mit Menschen“, sagt sie. Sie selbst und ihre Familie seien nicht von Corona betroffen gewesen. Im März sei an der Schule ihres Sohnes eine Lehrerin daran erkrankt, mit der er allerdings nichts zu tun hatte. „Damals wurde noch die ganze Schule geschlossen, wegen eines einzigen Falles, das macht man jetzt auch gar nicht mehr“. Was ihre persönliche Zukunft betrifft, rechnet sie damit, dass sie in der Christusgemeinde im Lauf dieses Jahres aufhören wird, wenn die Pfarrstelle neu besetzt ist.