Jutta Binner-Schwarz

Der Warenverkehr zwischen Stühlingen und dem Kanton Schaffhausen war schon des Öfteren verboten oder zumindest stark eingeschränkt. Andrerseits ließen sich Vorteile aus in der Schweiz günstig eingekauften Waren ziehen. Das verführte auch zum Schmuggeln. Dabei ging es nicht nur um Kaffee und Tabakwaren, wie die folgenden Schmuggelgeschichten zeigen. Aufgeschrieben wurden sie im Zusammenhang mit diversen Ausstellungen des Schwarzwaldvereins Stühlingen.

Gebiss im Hosensack

Nicht nur heute schätzen Patienten aus der Schweiz die Vorzüge der Stühlinger Dentisten. Helge Pawlak besuchte nach 1950 die Realschule Schleitheim. Da seiner Familie das Aufbringen des Schulgeldes nicht leicht fiel, übernahm er spezielle Botengänge. Er schmuggelte immer wieder Gebisse für den Stühlinger Zahnarzt.

Noch fehlt der Inhalt: Nicht nur der gute Meili-Kaffee war einst eine beliebte Schmuggelware.
Noch fehlt der Inhalt: Nicht nur der gute Meili-Kaffee war einst eine beliebte Schmuggelware. | Bild: Jutta Binner-Schwarz

Eines Tages kontrollierte ein Zöllner sehr genau Pawlaks schmale Schultasche. Er besah sich jedes einzelne Heft, die Bücher und das Federmäppchen und meinte: „Du weisch, was ich suech, Bueb. Mach‘s nümme!“ In der Tat wusste der, was gemeint war, aber an diesem Tag hatte kein Zahnersatz die Grenze wechseln sollen. „Außerdem hätte ich den nicht im Schulranzen, sondern im Hosensack versteckt“, sagte der 80-Jährige, der heute in Singen lebt.

Guter Bohnenkaffee

Bohnenkaffee brachten die Mädchen und Jungen nach dem Schulbesuch regelmäßig mit über die Grenze. War es Gespür oder gezielte Information, dass sie wussten, ob der Tag günstig war für solche Aktionen, oder man es besser bleiben ließ? Man munkelt auch, dass Küchenschwester Euphronia die weiten Kleider ihrer Schwesterntracht nutzte, um heimlich Schweizer Kaffee über die Grenze zu schmuggeln. Sie dürfte nicht die Einzige gewesen sein.

Der Migros-Wagen lockt

Bis in die 60er Jahre kam der Migros-Wagen nach Oberwiesen. Die günstigen Waren erfreuten die Kundschaft, die Schleitheimer Ladenbesitzer waren verständlicherweise weniger begeistert. Margot Schüle erinnerte sich im Rahmen von „Stühlingen und Schleitheim, Nachbarn mit Grenze(n)“ an ihre ersten Migros-Einkäufe: „Meine Schulfreundin und ich radelten über die Grenze mit einem großen Einkaufszettel. Meist hatten wir Ruchbrot, Kochbutter, Fleischbrühwürfel und Nudeln einzukaufen. Wir Teenager mussten gut rechnen können – am Zoll hieß es, die Waren zu zeigen, sie durften das Limit von 2,17 D-Mark nicht überschreiten. Die Ware wurde hinter dem Zollhäuschen auf einem Holzstapel deponiert, und mit leerer Tasche ging‘s über die Grenze nach Oberwiesen zurück, um die nächsten Lebensmittel für insgesamt 2,17 D-Mark einzukaufen. Diese wurden wieder hinter dem Zoll zwischengelagert und weiter ging‘s, bis der Einkaufszettel abgearbeitet war. Zum Schluss wurde die zwischengelagerte Ware hinter dem Stühlinger Zoll eingepackt und die Heimfahrt gestartet.“

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Wer sich über den seltsamen Betrag wundert: Die Zahl der erstandenen Waren richtete sich nicht nur nach der erlaubten Menge, sondern auch nach dem aktuellen Frankenkurs. Heute wäre diese „portionierte“ Wareneinfuhr verboten, dafür ist die Freimenge mit 300 Euro ungleich höher.

Fleisch im Gürtel

Plätzli (Schnitzel) aus der Metzgerei Schüle überquerten vor vielen Jahren die Grenze in anderer Richtung. Eine Schleitheimerin trug sie beim Grenzübertritt stets in einer Art Gürtel um den Bauch. Ob das die Designer gehört hatten, die für Lady Gaga ein Kleid aus Fleisch kreierten, mit dem sie im Jahr 2010 für Furore sorgte? Sicher ist, dass die Plätzli in der Pfanne landeten.

Und heute?

Wer Zeitung liest, bemerkt, dass es heute beim Schmuggeln selten um Waren des täglichen Gebrauchs geht. Viel häufiger wechseln Drogen, Waffen, Menschen, Geld, exotische Tiere und mehr in Verstecken die Länder. Der Zoll hat in diesen Bereichen alle Hände voll zu. So gesehen zählen kiloweise Steinpilze in den Kofferräumen von Schweizer Fahrzeugen zwar zu den ärgerlichen, aber weniger gefährlichen Schmuggelwaren.