Wilfried Dieckmann

Die Narrenzunft der Galgenvögel hat in Grafenhausen ein neues Domizil im Hagehus gefunden. Ihre bisherige Zunftstube im Schwarzwaldhaus der Sinne (SdS) soll künftig für den Museumsbereich „Zeit“ genutzt werden.

Mit dem Soziologen Hartmut Rosa von der Uni Jena, Jürgen Glocker aus Waldshut und Bürgermeister Christian Behringer soll ein Konzept erstellt werden. Vorstellbar sind kleine Diskussionsrunden zum Thema „Fragen zur Zeit“. Kurzum: Die SdS-Erfolgsgeschichte soll in neuen Dimensionen weiter entwickelt werden.

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Nach den Betriebsferien hat das Schwarzwaldhaus der Sinne seit gestern wieder geöffnet. Wie die Verantwortlichen auf ihrer Internetplattform informierten, gibt es Neuerungen: „Unter anderem ein neues Exponat, Veränderungen an weiteren Exponaten, neue Bodenteile, komplett neue Beleuchtung, farbliche Auffrischung und natürlich die eine oder andere Reparatur“.

Idee wird Wirklichkeit

Mit dem Projekt Schwarzwaldhaus der Sinne hat sich die Gemeinde Grafenhausen ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Noch ein Schwarzwaldhaus? Das kommunale Projekt war so einfach. Aber nicht unumstritten – jedenfalls in der Umsetzungsphase, die bereits im Jahr 2012 begann. Die Entscheidung für das innovative Projekt hat der Gemeinderat Grafenhausen bereits Ende September 2012 einstimmig gefällt.

Im Haus des Gastes gab es einmal eine eigenständige, klassische Kurverwaltung mit einem ebenso klassischen Kurgeschäftsführer. Eine Einrichtung, die in die Jahre gekommen war und Staub angesetzt hat. Auch hatte der Luftkurort Grafenhausen, der zwischenzeitlich mit der Nachbargemeinde Ühlingen-Birkendorf zur Tourismusregion „Rothauser Land“ fusionierte, keine einzige Kureinrichtung mehr. Nicht zu vergessen die Tatsache, dass sich Feriengäste nicht mehr verwalten lassen wollten.

Der Ruf nach der Moderne wurde laut. Die Ferienregion Rothauser Land habe nun die Chance, sich weiter zu entwickeln, Schlüsselprojekte könnten umgesetzt werden: Mit zwei Gegenstimmen sprach sich der Gemeinderat Grafenhausen in einer Grundsatzentscheidung für die Verlegung der Touristinformation nach Rothaus aus. Einstimmig wurde entschieden, dass im Haus des Gastes ein Mitmachmuseum eingerichtet werden soll. So folgte das Unausweichliche: Die klassische Kurverwaltung wurde von der Hochschwarzwald-Tourismus GmbH (HTG) abgelöst.

Nach dem Umzug der Touristinfo war der Weg nun frei: Einstimmig wurde im Gemeinderat entschieden, dass im Haus des Gastes ein Mitmachmuseum eingerichtet werden soll. Mit Planer Matthias Wild konnte ein Experte gefunden werden, der den Volksvertretern im Rat mit einem Mitmachmuseum „Rund um die Sinne“ ein schlüssiges Konzept vorstellte. Bei dem Begriff Museum kommt gleich der Gedanke von Erhalten und Bewahren in den Sinn.

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Das vorgestellte Konzept hat aber mit dem angestaubten Begriff Museum nichts Gemeinsames. Ganz im Gegenteil: Hier geht es nicht darum, Exponate lediglich zu betrachten – beim Mitmachmuseum „Rund um die Sinne“ ist Anfassen und Ausprobieren ausdrücklich erlaubt. Für zu erwartende Besucherzahlen hatte er im Umkreis von Grafenhausen Strukturdaten ermittelt und ging von rund 20 000 Besuchern aus. „Voraussetzung ist aber ein gutes Marketing“, betonte Matthias Wild damals.

Das Schwarzwaldhaus der Sinne wurde mit Pauken und Trompeten eröffnet. Verschiedene Experimente treffen hier auf das reale Leben. Für die künstlerische Gestaltung des Mitmachmuseums war der Grafenhausener Holzbildhauer Simon Stiegeler verantwortlich. Die Herstellung der verschiedenen Exponate wurde von Mitarbeitern des gemeindeeigenen Bauhofs übernommen.

Sehen

Beim Thema Sehen sollen Phänomene präsentiert werden, die zu den optischen Illusionen gehören. Bilder mit veränderter Farbwahrnehmung, 3D-Bilder, Bewegungsillusionen und Spiegelräume gehören dazu. Mit einem Grafenhausen-Suchbild kann ein Bezug zum Ort hergestellt werden: Durch ein Fernrohr muss der Besucher vom Fenster des Mitmachmuseums aus bestimmte Dinge im Ortsbild finden.

Hören

Beim Hören geht es um akustische Experimente: Schallgeschwindigkeit erleben, Schwingungen spüren und die eigene Stimme sichtbar machen sind einige der möglichen Varianten. Bei der Schwarzwälder Rohrpost könnten ausgehöhlte Stämme, die mit einer Gesamtlänge von nahezu 50 Metern durch das ganze Haus laufen, die Geschwindigkeit des Schalls verdeutlichen.

Riechen

Beim Thema Riechen steht ein verrückter Bauerngarten im Mittelpunkt. Ein Schwarzwälder Bauerngarten mit vielen bunten Blumen. Aber Vorsicht, keine riecht nach Blumen. Mit Duftölen wird die Nase betrogen, viele bunte Blumen locken zum Schnuppern und sind optische Hingucker.

Fühlen

Noch ein Wort zum Thema Fühlen. Hier wurde ein Barfußpfad in einem märchenhaften Fasnachtswald mit Figuren der Narrenzünfte aus dem Rothauser Land installiert. Um diese Traumwelt in vollen Zügen genießen zu können, müssen Besucher Schuhe und Strümpfe ausziehen, um die Bodenbeschaffenheit mit Kies, Sand, Tannenzapfen oder Korken fühlen zu können.

Neben der spannenden Erlebniswelt im Haus der Sinne werden verschiedene Aktionen insbesondere für Kinder angeboten, wie Forscher-, Detektiv- und Entdeckertage, Bastel- und Kreativnachmittage oder spezielle Programme zu einem Kindergeburtstag. Im Foyer der zweiten Etage werden in unregelmäßigen Abständen wechselnde Kunstausstellungen gezeigt. Das hauseigene Café Wunderfitz bietet rund 45 Sitzplätze sowie eine Terrasse mit Blick auf den Skulpturenpark.

Im Obergeschoss kann das Thema Zeit spielerisch erlebt werden.

Die bisherige Zunftstube im Schwarzwaldhaus der Sinne soll künftig für den Museumsbereich „Zeit“ genutzt werden. Bürgermeister Christian ...
Die bisherige Zunftstube im Schwarzwaldhaus der Sinne soll künftig für den Museumsbereich „Zeit“ genutzt werden. Bürgermeister Christian Behringer freut sich über konzeptionelle Ideen. | Bild: Wilfried Dieckmann

Ideengeber und geistiger Pate dieses Themenbereichs ist der Grafenhausener Soziologe Hartmut Rosa von der Universität Jena, der sich unter anderem durch seine Veröffentlichungen zum Thema Be- und Entschleunigung einen Namen gemacht hat.

Mit dem Tüftler Matthias Wild und dem Holzbildhauer Simon Stiegeler versucht er, seine soziologischen Ergebnisse nicht theoretisch, sondern praktisch zu veranschaulichen: Wie kam es zur Beschleunigung der Zeit? Und wo stecken Zeitfresser? Diese und viele weitere Fragen werden in diesem Themenbereich aufgeworfen und, wenn möglich, erklärt.