Ein Blick auf die Mietangebote für Waldshut-Tiengen lässt aufhorchen: Hier werden für die 4-Zimmer-Wohnung, in einem Haus Baujahr 1964 stattliche 10,81 Euro pro Quadratmeter verlangt. Die Kaltmiete beträgt 930 Euro Kaltmiete für 86 Quadratmeter. Einen offiziellen Mietspiegel gibt es für die Stadt nicht, doch auf Portalen wie immobilienscout24.de können für eine Wohnung in der großen Kreisstadt je nach Alter und Lage durchaus 13 Euro pro Quadratmeter fällig werden.
Doch ist das nun viel oder wenig? An dieser Stelle scheiden sich wie sooft die Geister zwischen den Vermietern und denjenigen, die Mieterinteressen vertreten.
Haus & Grund: „Miete unter elf Euro kaum kostendeckend“
„Selbst 10 oder 10,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter sind noch zu wenig, weil kaum kostendeckend“, sagt indes Anton B. Hilbert, Rechtsanwalt und Vorsitzender von Haus & Grund Hochrhein, dem Verein der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer im Kreis Waldshut. Hinter diesem stehen 2300 Mitglieder. Nicht alle davon vermieten, aber ein großer Teil davon.
„Es geht doch auch am Hochrhein nur nach oben. Die Mieten sind im Vergleich zu anderen ländlich geprägten Regionen schon überdurchschnittlich und sehr hoch. Wer kann das noch bezahlen?“, fragt sich hingegen Ulrich Cramm. Auch er ist Anwalt, vertritt im Vorstand des Kreismietervereins Waldshut aber die Gegenseite und berät diese, etwa 1000 Mieterinnen und Mieter.
Klar: Einen Mega-Mietkonzern wie Vonovia kennt die Region nicht. „Das Gros unserer Mitglieder sind private Vermieter mit ein bis zwei Wohnungen oder einem Vierer, Sechser- oder Achterblock“, sagt Hilbert. Mitglieder mit mehreren Dutzend Wohneinheiten gebe es eher selten.
Vermietende dieser Größenordnung, so Hilbert, müssten vorsichtig sein, an wen sie vermieten. Bleiben Zahlungen aus, erweist sich der Mieter gar als Betrüger oder hinterlässt er nach der Zwangsräumung eine verwüstete Wohnung, könne der Schaden gravierend, womöglich existenzbedrohend sein.
Laut Hilbert ist der Vermieter nach Vertragsabschluss geradezu „entrechtet“. Gebe er damit doch einen Großteil der Verfügungsgewalt über sein Eigentum ab. Andererseits sagt er: „In aller Regel sind die Mietverhältnisse in der Region solide und gut.“ Private Vermieter kümmerten sich um die Liegenschaften und die Gegenseite zahle pünktlich ihre Miete.
„Vermieter suchen die Harmonie“
Hilbert ist überzeugt: Vermietende scheuten den Konflikt mit ihren Mieterinnen und Mietern, seien geradezu auf Harmonie mit ihnen aus und der Ansicht: Lieber einen soliden Mieter als eine höhere Miete.
„Denn Mieterhöhungen durchzusetzen, ist mit enorm hohen Anforderungen verbunden, wovor viele, auch aus Bequemlichkeit, zurückschrecken“, sagt er. Stimme der Mieter etwa nicht zu, müssten Gutachter her, womöglich müsse gar vor Gericht gegangen werden.
Die damit verbundenen Kosten stehen laut Hilbert oft nicht im Verhältnis zum Ertrag in Form einer vielleicht 20 Euro pro Monat höheren Miete.
Kreismieterverein: „Werden bei Beratungen regelrecht überrannt“
Wenn tatsächlich alles so harmonisch wäre, hätten Cramm und Anwaltskollege Thorsten Brück – sie machen die Mieterberatungen gemeinsam – kaum etwas zu tun. Tatsächlich aber wird es immer mehr. Cramm: „Die Termine sind für Wochen im Voraus ausgebucht. Wir werden überrannt.“
Streit um die Nebenkosten sei, gerade jetzt wieder, „Dauerbrenner“ in den Beratungen. Vermeintliche oder tatsächliche Mängel, die sich auch durch Schimmelbildung zeigen, sind ebenso Gegenstand wie Mieterhöhungen, Unstimmigkeiten über den Mieteranteil an der Grundsteuer oder gar Eigenbedarfskündigungen. Mieterhöhungen im Zuge von energetischen Sanierungen kommen laut Cramm aber praktisch nie vor.
Hilbert hat Verständnis dafür, dass die Vermieter-Seite da zurückhaltend ist: „Viele haben schlicht nicht die Mittel dafür. Die Kosten – 200.000 Euro etwa für die Dämmung eines Viererblocks samt Wärmepumpe und Photovoltaik – seien nur zu einem geringen Teil auf die Mieterseite umlegbar und überforderten viele Vermieter finanziell, trotz staatlicher Zuschüsse. Aber irgendwann werden sie müssen – mit steigenden Anforderungen an die Klimaneutralität des Gebäudesektors oder einfach deswegen, weil das Gasnetz in der Stadt stillgelegt sein wird.
Kein Mietspiegel für Waldshut-Tiengen
Auch in Waldshut-Tiengen ist der Wohnungsmarkt ein Vermietermarkt. Und diese bekommen dank Knappheit auch energetisch unsanierte Wohnungen gut vermietet. Bei der Miethöhe sind diese auch weitgehend frei, existiert in der Stadt doch kein Mietspiegel.
Denn ein solcher ist nur in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern Pflicht. So fehlt bei Neuvermietungen auch die ortsübliche Vergleichsmiete als Orientierung. Was auch die Einführung der Mietpreisbremse für Waldshut-Tiengen erschwert.
„Die nach Landesrecht zuständigen Behörden sollen Mietspiegel erstellen, wenn hierfür ein Bedürfnis besteht und dies mit einem vertretbaren Aufwand möglich ist“, heißt es dazu im Bürgerlichen Gesetzbuch. Cramm findet, dass dies für Waldshut-Tiengen gegeben wäre, was das Bedürfnis wie auch den Aufwand betrifft.
Aber Hilbert sieht im Fehlen kein Problem, wenn er sagt: „Die meisten unserer Mitglieder schöpfen ihren finanziellen Spielraum ohnehin längst nicht aus.“ Deren „sozialer Kompass“ sei höher als der wirtschaftliche.