Auf der Tür eines Trafo-Häuschens, halb versteckt hinter Büschen, weist ein unscheinbares Schild auf den Mann hin, der die Bergstadt, das Wohngebiet auf dem Waldshuter Aarberg, entscheidend mitgestaltet hat. „Station Hiener„ ist darauf zu lesen. „Mein Vater Siegfried Hiener hat in den 1970er Jahren die ersten Mehrfamilienhäuser in der Bloisstraße und im Lewesweg gebaut“, erzählt Annette Huber bei einem Spaziergang durch die Wohnsiedlung.

An der Haltestelle in der Bloisstraße wartet eine ältere Dame auf den Bus. Annette Huber geht auf sie zu. Die Frauen kennen sich. „Ihr Mann war viele Jahre Hausmeister in einem der Häuser, die mein Vater gebaut hat“, bemerkt Huber. Die Seniorin gehört zu den ersten Bewohnerinnen der Bergstadt. „Früher war nur Wald hier. Die Hasen sind bis ans Haus gekommen“, erzählt die Frau, die ihren Namen nicht verraten will, und deutet mit ihrem Gehstock auf die Umgebung. Mittlerweile leben in dem Wohngebiet knapp über 2000 Menschen.

Das könnte Sie auch interessieren

Die Pläne für eine Siedlung hoch über der Stadt Waldshut reichen weit zurück. „Man hat schon in der Vorkriegszeit davon gesprochen“, sagt der frühere CDU-Stadtrat Hans Studinger auf Nachfrage unserer Zeitung. Deshalb entstand bereits Mitte der 1930er Jahre eine Erschließungsstraße auf den Aarberg. Kurz danach wurde der Bergfriedhof angelegt. „Es hat sich dann doch nicht so schnell entwickelt wie gedacht“, sagt Studinger über die spätere Neubausiedlung. Erst Anfang der 1970er Jahre rollten die ersten Bagger an.

Siegfried Hiener steht in den 1970ern vor dem ersten Wohnblock, den er auf dem Waldshuter Aarberg erbaute.
Siegfried Hiener steht in den 1970ern vor dem ersten Wohnblock, den er auf dem Waldshuter Aarberg erbaute. | Bild: privat/Annette Huber
An der gleichen Stelle steht heute seine Tochter Annette Huber, die in der Wohnsiedlung aufwuchs.
An der gleichen Stelle steht heute seine Tochter Annette Huber, die in der Wohnsiedlung aufwuchs. | Bild: Juliane Schlichter

Siegfried Hiener erhielt am 4. September 1973 die Baugenehmigung für den ersten Wohnblock, heute Bloisstraße 58. Viele weitere Mehrfamilien- und später Einfamilienhäuser sollten folgen. Dazu kaufte Hiener ein Gelände südwestlich der Bloisstraße, das von der Einmündung in die Tannenstraße beim heutigen Dialysezentrum bis zu den wegen ihrer Dachform Toblerone-Häuser genannten Gebäude reicht.

„Er war kein Millionär. Er war ein einfacher Mann – ein Zimmermann“, erzählt Annette Huber über ihren aus Unteralpfen stammenden Vater. Die von ihm zuvor gebauten Mehrfamilienhäuser in Wutöschingen und Erzingen sicherten ihm als Referenzen die notwendige Finanzierung.

Das könnte Sie auch interessieren

Mit seinem Team baute er ein Haus nach dem anderen. „Er hat nicht nur den Rohbau gemacht, sondern jeden Fenstergriff und jede Klopapierrolle selbst angebracht“, sagt Huber. Weil der Vater ständig auf der Baustelle war, zog die ganze Familie auf den Aarberg. „Ich wurde in der Schule belächelt, weil ich in einem Block wohnte“, erinnert sich Huber, die mit fünf Geschwistern aufwuchs.

Das Mietshaus in der Bloisstraße 58 (ganz rechts) war das erste überhaupt in der Bergstadt.
Das Mietshaus in der Bloisstraße 58 (ganz rechts) war das erste überhaupt in der Bergstadt. | Bild: privat/Annette Huber
Blick vom Dach der Tiefgarage auf den Wohnblock in der Bloisstraße 58.
Blick vom Dach der Tiefgarage auf den Wohnblock in der Bloisstraße 58. | Bild: Juliane Schlichter

Die Idee, Mehrfamilienhäuser zu bauen, sei aus der Not heraus entstanden, sagt die 53-Jährige. „Er hatte selber erlebt, wie es war, keine Wohnung für sich und seine Familie zu finden.“ Deshalb fing Siegfried Hiener an, bezahlbare und familiengerechte Mietwohnungen zu schaffen.

Die rechtliche Grundlage für die Erschließung des Aarbergs schaffte der 1973 in Kraft getretene Bebauungsplan „Bergstadt I“. In den 1990er Jahren wurde der Grundstein für die Bergstadt II gelegt, 2011 folgte der Bebauungsplan für die Bergstadt III.

Das könnte Sie auch interessieren

Hans Studinger erinnert sich, dass ursprünglich Läden und Gastronomiebetriebe für das Wohngebiet vorgesehen waren. „Es hat sich niemand dazu bewegen lassen, dort oben Geschäfte zu eröffnen. Niemand wollte das Risiko eingehen“, bedauert der langjährige Kommunalpolitiker.

Bis heute gibt außer einem Dialysezentrum mit Arztpraxen, zwei Kindergärten, einem Bolzplatz und einer Friedhofsgärtnerei keine Infrastruktur in der Bergstadt, die mehr Einwohner als Gurtweil hat.