Die Waldstadtfäger sind in ihrem 40. Jahr eine der bekanntesten Guggenmusiken der Stadt. Was aber kaum jemand weiß: Es war der fast schon rebellische Eifer junger Stadtmusiker nach fetzig-schrägen Tönen, der das Aufkommen der hochrheinischen Guggenmusiken überhaupt erst mit losgetreten hat.
Junge Stadtmusiker ziehen auf eigene Faust los
Februar 1979 – Fasnacht – Kaiserstraße: Der traditionelle Flohmarkt ist in vollem Gange. Die kleine Besetzung der Stadtmusik unterhält das Treiben in einem mehrstündigen Programm. Ebenso traditionell wollen sich die Musiker nach „getaner Arbeit“ unter das närrische Volk mischen. Aber nicht alle. Ein eingeschworener Haufen junger Kerle zeiht auf eigene Faust los – und zwar mitsamt ihren Instrumenten und in Begleitung ihrer Freundinnen. Diese dürfen damals noch nicht stadtmusizieren und werden von den Jungs kurzerhand zu ihren Perkussionistinnen ernannt.
Im Radio laufen damals die Rolling Stones und Deep Purple und von jenseits der Grenze sind die schrägen Töne der unzähligen Schweizer Guggenmusik zu hören, erinnert sich heute Joachim Ebi, einer der jungen Wilden, die musikalisch damals eigene Wege gehen wollen. Das Ziel ist klar: Weg vom altbackenen Schunkel-Walzer der traditionellen Musikvereine und hin zum fetzigen Samba des brasilianischen Karnevals.
Trotz mittlerweile dicker Lippen vom vielen Musizieren ziehen die acht „Rebellen“ um Joachim „Jogi“ Ebi und Nikolaus „Niki“ Efinger an diesem Februartag 1979 durch die Stadt und werden in allen spontan besuchten Gaststätten freudig empfangen. Der Abend gipfelt mit begeistertem Applaus beim Junggesellenball in der Stadthalle. Der Bruch mit der Tradition schlägt an diesem Tag unverhofft gut ein. Für die Musiker ist klar: Diese Aktion muss Zukunft haben.
Bis zum Herbst hat die junge musikalische Bewegung während der Stadtmusik-Proben im Kornhaus genügend Mitstreiter rekrutiert, um eine ordentliche Organisation auf die Beine zu stellen. Bei ihren ersten Auftritten tragen die „Kornhausratten“, wie sie sich damals noch nennen, noch Kartoffelsäcke als „Verkleidung“.
Schminke statt Maske
Doch schon bald sind die rot-weiß-blauen Kostüme einsatzbereit – jedes mit individueller Note seines Trägers und bunten Federn am Hut. Inspiriert sind sie durch die der Schweizer, jedoch mit einer Ausnahme, die bis heute gilt: Schminke statt Maske – die Gesichter sollen erkennbar bleiben. Noch im selben Jahr schließen sich 21 Gründungsmitglieder zur neuen Guggenmusik zusammen.

Februar 1980 – Fasnacht – Kaiserstraße: Das neue Kostüm ist fertig und auch das dreistimmige Programm wurde sauber ausgearbeitet. Auch der Name ist neu. Fortan will man als „Waldstadtfäger“ mit geballter Musik die Winterkälte aus den Gassen und den Herzen „fägen“. Denn: „Gute Dinge brauchen gute Namen“, sagt sich Ebi, damals 19-jähriger „Oberfäger“.
Auch das musikalische Equipment wurde mittlerweile um Waschbretter, Schellenbäume und Trommeln der Marke Eigenbau erweitert. Das Konzept kommt an: Die Waldstadtfäger treten in den kommenden Jahren überregional auf und beweisen, dass gerade „die Frauen oft der Motor des Ganzen sind“, erzählt Ebi. Früher aus der Stadtmusik ausgeschlossen, sorgen sie nun für Stimmung und Kreativität im Verein.
Musik hat sich verändert
1979 gegründet, feiern die Waldstadtfäger in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen. Die Guggenmusik hat sich im Verlauf der vergangenen vier Jahrzehnte weiterentwickelt und hat heute 47 Mitglieder, allein in diesem Jahr sind zwölf neue dazugekommen. Auch die Musik hat sich weiterentwickelt und beinhaltet Stücke, die heute angesagt sind. Doch auch Fans der „guten alten“ Guggenmusik kommen auf ihre Kosten: Regelmäßig spielen die „Revivals“, zu denen viele Mitglieder aus der Anfangsära gehören, die Musik von damals.
So auch am 16. November. „Da bringen wir den guten alten Groove wieder aufs Parkett“, freut sich Joachim Ebi. Anfang der 90er Jahre wurde diese Musik sogar auf eine CD gebannt, die bis heute zu den Schätzen des Vereins gehört. „Wir hören sie bis heute gerne“, bestätigt Elisabeth Ebner, die heutige Vorsitzende.
Auch in Lewes erklingen schräge Töne
Ebenfalls am 16. November findet ein Nachtfackelzug gemeinsam mit 35 Angehörigen der Commercial Square Bonfire Society aus der englischen Partnerstadt Lewes statt. Seit Jahrzehnten pflegen beide Vereine beste Beziehungen. Und auch vereinsintern hat sich die Waldshuter Guggenmusik den Sinn für Geselligkeit bewahrt: Jeder ist willkommen.
Wer keine Noten lesen kann, dem werden die schrägen Töne einfach beigebracht. „Wir lernen vereinsintern“, erklärt die Vorsitzende stolz. Dabei gilt die Philosophie der Waldstadtfäger über Guggenmusik heute wie früher. Elisabeth Ebner: „Es muss zwar bunter, aber trotzdem gute Musik sein – nicht organisierter Lärm.“