Peter Rosa

Beim Großbrand des Londoner Grenfell Towers am 14. Juni sind Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Die Ursache ist bis heute nicht abschließend geklärt. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass die Verwendung brennbarer Materialien an der Fassade wesentlich zur Ausbreitung des Feuers beigetragen hat.

"In Deutschland ist ein solches Szenario aufgrund der gesetzlichen Vorgaben und ihrer Kontrollmechanismen extrem unwahrscheinlich", sagt Waldshut-Tiengens Feuerwehrkommandant Peter Wolf. Demnach muss jedes Gebäude über zwei voneinander unabhängige Rettungswege verfügen. Der zweite Rettungsweg darf hierbei über die Rettungsgeräte der Feuerwehr führen. Da diese in der Regel nur bis zu einer Höhe von 23 Metern nutzbar sind (Drehleiter DLA(K) 23/12), gelten für höhere Hochhäuser strengere Brandschutzrichtlinien.

Eines der höchsten Gebäude in Waldshut steht in der Gurtweiler Straße. Das oberste Stockwerk kann hier noch mit der Drehleiter erreicht ...
Eines der höchsten Gebäude in Waldshut steht in der Gurtweiler Straße. Das oberste Stockwerk kann hier noch mit der Drehleiter erreicht werden. Das Wohnhaus ist somit nicht als Hochhaus eingestuft.

Das einzige Gebäude in der Stadt Waldshut-Tiengen, auf das dieser Sachverhalt zutrifft, ist das 1973 erbaute, zwölfstöckige und rund 36 Meter hohe Hochhaus in der Pommernstraße 8 in Tiengen. Sein Sicherheitstreppenhaus entspricht laut Wolf der gesetzlich vorgeschriebenen Feuerschutzklasse F90. Seine Wände widerstehen 90 Minuten lang jeder Brandeinwirkung. Darüber hinaus verfügt es unter anderem über einen Rauchabzug und Warneinrichtungen ab dem achten Obergeschoss. Weitere gesetzliche Vorgaben geben teilweise bereits seit Jahrzehnten einen verschärften Brandschutz für Hochhäuser, wie zum Beispiel Sprinkleranlagen, vor. Bereits seit 2008 dürfen bei Hochhäusern keine brennbaren Dämmstoffe mehr verwendet werden.

Bürgermeister Joachim Baumert erklärt, dass das Baurechtsamt gemäß weiterer gesetzlicher Vorgaben alle fünf Jahre – oder bei Bedarf kurzfristig Brandschutzschauen in dem Gebäude durchführt. Eventuell festgestellte Mängel müssen vom Hausbesitzer behoben werden. Baumert: "Gesetzliche Vorschriften werden berücksichtigt und umgesetzt." Welches Material beim Bau des Gebäudes in der Pommernstraße für die Fassade angebracht worden ist, werde laut Baumert zurzeit vom Baurechtsamt abgefragt. Hintergrund sind Forderungen der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren und des Deutschen Feuerwehrverbandes sowie der Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes.

In dem am 12. Juni – zwei Tage vor dem Brand in London – veröffentlichten Positionspapier heißt es unter anderem: Brände von Wärmedämmverbundsystemen, in denen der als "schwer entflammbar" (Baustoffklasse B1) eingestufte Polystyrolschaum verarbeitet sei, stellten die Feuerwehrwehren vor enorme Herausforderungen. "Die rasante Brandausbreitungsgeschwindigkeit und die enorme Rauchintensität dieser Systeme unterscheiden sich deutlich von anderen Fassadenbränden." Es werden Brandriegel aus nichtbrennbarem Material in jedem Stockwerk gefordert, statt in jedem zweiten, um Brände "von außen" beziehungsweise ihre Ausbreitung über die Fassade – wie in London – zu verhindern oder deutlich zu verlangsamen. Ebenfalls sollen für bewegliche Brandlasten, wie Mülltonnen, ein Sicherheitsabstand zur Fassade oder eine nicht brennbare Einhausung erhalten um ein Überspringen von Feuer auf die Fassade zu verhindern. Die Forderungen beziehen sich auf ältere Bestandsgebäude und Gebäude unter 22 Metern Höhe. Die Verwendung brennbarer Dämmstoffe wurde seitens der Bauministerkonferenz erst 2008 und nur für Gebäude ab einer Höhe von 22 Metern verboten.

Die zuständigen Industrieverbände entgegnen, dass die für Hochhäuser vorgeschriebenen schwer entflammbaren polystyrolhaltigen Baustoffe bei fachgerechter Bauausführung den gesetzlichen Vorgaben entsprechend ausreichend langen Feuerwiderstand bieten. Auch die Bauministerkonferenz hat 2015 bestätigt, dass entsprechend der Zulassungen gefertigte Wärmedämmverbundsysteme mit Polystyrol-Dämmstoffen sicher sind. Voraussetzung hierfür sei aber sowohl die Instandhaltung der Fassade und die Reparatur von Beschädigungen. Hauseigentümern steht eine Vielzahl an Dämmstoffen zur Verfügung. Diese müssen den gesetzlichen Vorgaben und technischen Regelwerken entsprechen. Weitergehende gesetzliche Regelwerke für Polystyrol-Dämmstoffe liegen laut Bürgermeister Baumert aktuell nicht vor. Solange dies der Fall sei, entscheiden die betroffenen Hauseigentümer darüber, ob und welche Maßnahmen sie ergreifen. Ebenso gebe es aus auch keine Erhebungen dazu, womit in der Regel in der Stadt gedämmt werde.

Über die Feuerwehr

  • Die Feuerwehr: Aufgrund des Gebäudes in der Pommernstraße sowie mehrerer weiterer mehrstöckiger Gebäude (Gurtweilerstraße oder in der Bergstadt) besitzt die Feuerwehr Waldshut-Tiengen zwei Drehleitern DLA(K) 23/12 (23 Meter Höhe bei zwölf Metern Ausladung). An sechs Standorten (Waldshut, Tiengen, Kaitle, Gurtweil, Krenkingen, und Waldkirch) stehen 240 Kameraden zur Verfügung. Kommandant ist Peter Wolf.
  • Der Einsatz: Im Falle einer Alarmierung rückt standardmäßig ein ganzer Löschzug aus. Dieser besteht aus zwei Löschfahrzeugen und einer Drehleiter DLA(K) 23/12 sowie einem Einsatzleitwagen. Unter den 20 Feuerwehrleuten ist auch der Einsatzleiter und der Zugführer. Automatisch rückt zu jedem Einsatz auch ein Rettungswagen aus. Bis die ersten Helfer am Einsatzort eintreffen, vergehen nur selten mehr als zehn Minuten.