Der Sellerie und ich werden in diesem Leben keine Freunde mehr. Dies ist eine der Erkenntnisse, die ich während meines sechseinhalbwöchigen Selbstversuchs, bei dem ich mich ausschließlich von regionalen Produkten ernähren wollte, gewonnen habe. Für das Experiment wollte ich der Knolle, die ich eigentlich nicht mag, eine weitere Chance geben. Aber ob regional oder nicht – Sellerie schmeckt mir einfach nicht. Welches Fazit ich sonst noch von meinem Selbstversuch ziehe, lesen Sie hier.
1. Wie leicht oder schwer es war, sich regional zu ernähren
Das kommt darauf an, wie streng man die Definition auslegt. Ursprünglich war mein Plan gewesen, dass sämtliche Inhaltsstoffe aller Lebensmittel aus der Region stammen müssen. Bei Äpfeln und saisonalem Gemüse ist dies auch kein Problem. Doch schon beim Brot vom Bäcker stieß ich hier an die Grenze. Denn das Mehl stammt zwar aus der Region, aber nicht das Salz in der Backware. Ebenso enthalte der Kochschinken aus regionalem Schweinefleisch nicht regionales Salz, genauer gesagt Meersalz, wie mir Alexander Honegg von der Waldshuter Metzgerei Mülhaupt erklärt hat.
Machen diese fremden Bestandteile die Lebensmittel damit zu einem nicht-regionalen Produkt? Ich finde nicht, und so hatte ich dann auch kein schlechtes Gewissen, beispielsweise Waldhaus- und Rothaus-Bier mit Hopfen aus Tettnang zu trinken, Simmler-Marmelade mit nicht regionalem Zucker zu essen oder Schwarzwaldmilch zu trinken, in der sich die Milch von Kühen aus dem Landkreis Waldshut zum Beispiel mit der Milch von Kühen aus der Ortenau vermischt.

2. Wo ich beim Selbstversuch noch an die Grenzen gestoßen bin
Immer dann, wenn ich mir mein Essen nicht selber zu Hause zubereitet habe, wo ich selbst bestimmen konnte, welche Zutaten ich verwende. Ein paar Mal musste beziehungsweise wollte ich mein regionales Fasten brechen, als ich dienstlich und privat zum Essen eingeladen wurde. Dort wollte ich keine Extrawurst verlangen, also habe ich gegessen, was auf den Tisch kommt, wie man so schön sagt.
3. Was beim regionalen Fasten gar nicht möglich war
"Wann gehst Du mal wieder was mit uns trinken?" Diese Frage bekam ich mehrmals von Freunden während meines Selbstversuchs gestellt. Da ich aber nicht vor einem Glas Leitungswasser in einer Bar sitzen wollte, während meine Begleitung Cocktails schlürft, lehnte ich meist ab, wenn der Vorschlag kam, gemeinsam auszugehen. Bis ein Freund von mir den Besitzer der Casablanca-Piano-Bar in Waldshut, Ralf Hezel, überredete, extra für mich einen Cocktail aus möglichst regionalen Zutaten zu mixen. Das Ergebnis finden Sie am Ende dieses Artikels.
Sich einfach mal auf ein Bier zu treffen, war auch nicht so einfach. Mit einem anderen Freund bin ich eines Abends durch halb Tiengen gelaufen, um ein Lokal zu finden, das Rothaus-Bier statt bayerischen Gerstensaft ausschenkt.

4. Mit dem Selbstversuch habe ich meiner Gesundheit Gutes getan
"Es war sicherlich gut, was Sie gemacht haben", sagt Sandra-Kristin Bekers, Ernährungsberaterin im AOK-Gesundheitszentrum in Waldshut-Tiengen, nachdem ich ihr aufgelistet habe, was ich in den vergangenen Wochen seit Aschermittwoch an regionalen Produkten zu mir genommen habe (ausgenommen sind die Schummel-Momente): viel regionales Gemüse und Äpfel, Milchprodukte, wenig Fleisch und Wurst, Fisch, Eier, Honig, Linsen, Walnüsse, Rapsöl, Apfelessig und Leitungswasser. Die Ernährungswissenschaftlerin bestätigt mir, was ich bereits selbst vermutet habe: "Sie haben sich ausgewogen, abwechslungsreich und gesund ernährt, wie es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt."
5. Der Selbstversuch macht sich auf der Waage bemerkbar
Die Jeans, die vor ein paar Wochen noch gekniffen hat, sitzt jetzt locker auf der Hüfte. Auch der Blick auf die Waage bestätigt mir: Ich habe drei Kilogramm während meines Selbstversuchs abgenommen. Und dies fast ohne Sport. Grund für die Gewichtsreduktion: "Sie haben Honig statt Zucker und keine Fertigprodukte gegessen, in denen meist hoch industriell verarbeiteter Zucker steckt", erklärt mir Sandra-Kristin Bekers von der AOK.
Apropos Zucker: Zu Beginn meines Experiments dachte ich noch, dass es keinen Zucker aus einem Umkreis von 100 Kilometern gibt. Deswegen verzichtete ich ganz darauf. Inzwischen weiß ich dank des Tipps eines Kollegen: Im rund 30 Kilometer entfernten Rupperswil im Kanton Aargau gibt es eine Zuckermühle, die Zucker aus Schweizer Zuckerrüben herstellt.
6. Die Reaktionen auf den Selbstversuch waren überwältigend
Noch nie habe ich so viel Resonanz auf einen Artikel beziehungsweise eine Artikelserie bekommen, wie zum Selbstversuch "Regionales Fasten". Ich habe zahlreiche E-Mails von Lesern bekommen mit Tipps zum Einkauf von regionalen Produkten und wurde sehr häufig darauf angesprochen und mit der Frage konfrontiert, wie der Selbstversuch laufe.
Zuletzt schrieb mir eine Leserin aus Tiengen, die mir anbot, mich in ihrem Kräutergarten zu bedienen, wo sie Schnittlauch, Liebstöckel, Salbei und vieles mehr anbaut.
Neben den überwiegend positiven Reaktionen, schrieb mir aber auch ein Leser, der kritisierte, dass ich mit dem Auto zum Bauernmarkt in Frohnschwand gefahren sei und Salz in der Schweiz gekauft habe. "Da der Verzicht auf überregionale Produkte einen ökologischen Hintergrund hat, kann ich das nicht ganz verstehen und nachvollziehen", schrieb er. Der Einwand ist durchaus berechtigt. Deswegen habe ich mich bemüht, überwiegend auf dem Wochenmarkt einzukaufen. Das Salz von den Schweizer Salinen hat mir meine Schwester, die Grenzgängerin ist, übrigens aus Zürich mitgebracht – mit dem Zug.

7. Trotzdem werde ich den Selbstversuch nicht fortsetzen, aber...
Der Selbstversuch hat mich zum Nachdenken gebracht. In unserer Region am Hochrhein und im Schwarzwald gibt es so viele Produkte, mit denen man sich gesund und lecker ernähren kann. Auch künftig werde ich deshalb beim Einkaufen darauf achten, möglichst viele Lebensmittel mit Zutaten aus der Region zu kaufen. Trotzdem werde ich das Experiment nicht fortsetzen. Zumindest nicht so konsequent wie bisher. Zu gern esse ich Gerichte aus Indien mit exotischen Gewürzen oder mediterrane Köstlichkeiten mit Olivenöl.
"Ziehen Sie sich Ihre Frischkost doch selbst am Fensterbrett", schrieb mir die Leserin Margot Eisenmeier aus Lauchringen vor ein paar Wochen. Ich bin dabei, ihren Rat zu befolgen. In meiner Wohnung sprießen bereits die ersten zarten Zucchini- und Tomatenpflänzchen, die mir im Sommer hoffentlich eine reiche Ernte auf meinem Minibalkon bescheren werden.

Regionales aus der Bar
"Sparkling Passion" heißt der Cocktail, den Ralf Hezel, Inhaber und Barkeeper der Casablanca-Piano-Bar in Waldshut, selbst kreierte. Für mich hat er den Drink mit regionalen Zutaten abgewandelt. Statt Wodka wie im Originalrezept verwendet er "Monkey 47", einen Gin aus dem Schwarzwald. Die Zitronen für den Saft stammen vom eigenen Zitronenbäumchen, die Minze vom selbstgezogenen Minzstrauch. Der Champagner wird durch "Engelhof Secco", einem fruchtigen Perlwein aus Hohentengen, ersetzt. Statt Erdbeerpüree wie im Originalrezept hat Ralf Hezel Erdbeer-Marmelade von Simmler verwendet. Wenn es regionale Erdbeeren gibt, lässt sich das Püree aber auch leicht selbst machen. Mit Zucker aus dem Aargau. Getauft haben wir den Cocktail übrigens "Sparkling Regio".