Erstmals in der mehr als 40-jährigen Geschichte Waldshut-Tiengens können die Bürger aktiv in eine kommunalpolitische Entscheidung eingreifen. Beim Bürgerentscheid am 21. Oktober liegt es in ihrer Hand, ob das vom Gemeinderat beschlossene Aus für das Waldshuter Freibad Bestand hat oder aufgehoben wird. Da der Gemeinderat den Wortlaut für den Bürgerentscheid leicht geändert hat, könnte ein juristisches Nachspiel folgen. Im schlimmsten Fall wäre die Abstimmung ungültig.
Seit vielen Jahren beschäftigen sich Stadtverwaltung und Gemeinderat mit der Bäder-Frage. Bereits unter der Ägide von Alt-OB Martin Albers stand das Thema regelmäßig auf der Tagesordnung des Gemeinderates. Zwischenzeitlich sah es seinerzeit auch einmal so aus, als ob neben der jetzt erfolgten Sanierung (und Erweiterung) des Hallenbades in der Waldshuter Stadthalle auch beide Freibäder (Waldshut und Tiengen) saniert werden sollten.
Im März 2017 stimmte der Gemeinderat – mit Verweis auf die Hallenbad-Ertüchtigung und dessen künftige ganzjährige Öffnung – für eine Sanierung des Freibades in Tiengen und eine Schließung des Waldshuter Freibades. Doch das Aus wurde an diesem Abend so nicht beschlossen, sondern als faktisch vorausgesetzt. Monate später holte der Gemeinderat den förmlichen Schließungsbeschluss nach. Sobald die Sanierung des Tiengener Bades abgeschlossen ist, sollen die Pforten in Waldshut für immer schließen. Der Verein „Pro Freibad Waldshut“ will dies mit dem Bürgerentscheid verhindern.
Juristisches Nachspiel
Das Ergebnis des Bürgerentscheids ist für Verwaltung und Gemeinderat bindend. Vorausgesetzt, er wird nicht angefochten. Doch der Text des Bürgerentscheides ist nicht wortgleich mit dem des Bürgerbegehrens, das den Weg für den Urnengang am 21. Oktober erst freigemacht hat. Im Abstimmungstext fehlt das Wort „langfristig“. Nur ein Wort – aber möglicherweise ein entscheidendes. Denn der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in einem anderen Fall entschieden, dass der Text nicht verändert werden darf. Ein Risiko bleibt also. Auch wenn laut OB Frank Gemeinderat, Pro Freibad und Regierungspräsidium in Freiburg einvernehmlich handelten.
Steuererhöhung als Drohkulisse
Alles andere als einvernehmlich dürfte das Argument Steuererhöhung sein. Auf dem gemeinsamen Informationsblatt von Stadt und „Pro Freibad“ kündigt die Verwaltung eine Erhöhung der Grundsteuer um sieben Prozent für den Fall des Weiterbetriebs an: Transparenz sagen die einen, Drohkulisse die anderen. Wie auch immer.
Noch liegt die Entscheidungshoheit über kommunale Steuern beim Gemeinderat einer Kommune. Verwaltung und Bürgermeister/OB können zwar entsprechende Vorschläge machen, das letzte Wort haben aber die gewählten Volksvertreter, also die Stadträte. In diesem Gremium hat der OB eine Stimme. Also bliebe im Zweifelsfall die Frage offen, ob der Gemeinderat die Grundsteuer tatsächlich erhöht.
Zwei oder 4,8 Millionen Euro?
In ihren Argumenten gegen einen Weiterbetrieb des Freibades sagen Stadtverwaltung und OB zwar, dass eine Sanierung mindestens 4,8 Millionen Euro kosten würde und dafür zwingend Kredite in gleicher Höhe aufgenommen werden müssten, sagen aber nicht, was ein Rückbau kosten würde.
Ob die angekündigte Millionenspende tatsächlich nicht mit in eine Sanierung mit einfließen könnte, ist sicherlich noch nicht ausgemacht. Auch wenn davon möglicherweise nur noch 700 000 Euro übrig bleiben. Und zwar für jenen Fall, dass die Spende an den Verein „Pro Freibad“ ginge und von dort als Schenkung an die Stadt Waldshut-Tiengen. Dann wäre eine Schenkungssteuer in Höhe von 30 Prozent fällig.
Schließung kein Untergang
Es ist sicher richtig, dass ein Aus für das Waldshuter Freibad ein Verlust für die Doppelstadt darstellen würde. So wie „Pro Freibad“ in seinem Teil des Informations-Flyers schreibt. Der Freizeitwert der Stadt würde, zumindest vorübergehend, sinken. Aber ein Untergang wäre ein Aus für das Waldshuter Freibad nun auch wieder nicht. Das Freibad Tiengen wird aufwendig saniert (mit viel mehr Geld als ursprünglich geplant), das neue Hallenbad bietet deutlich mehr Badevergnügen als das alte und die Freibäder im Westen und Osten der Doppelstadt stehen als Alternativen bereit.
Und ein Fortbestand des längst in die Jahre gekommenen Bades am Rheinufer gibt es so oder so nicht zum Nulltarif. Er kostet Geld. Und zwar viel Geld. Entweder die mindestens 4,8 Millionen Euro, wie Stadtwerke und Stadt vorrechnen, oder aber wenigstens die gut zwei Millionen Euro, wie vom Verein "Pro Freibad" vorgerechnet. In beiden Fällen ein teurer Spaß für wenige Monate Nutzung pro Jahr. Jeweils zuzüglich jährlicher Betriebsverluste.
Gedanklicher Irrweg
Bizarr wirkt der Hinweis der Stadtverwaltung, dass die Kosten einer Sanierung des Waldshuter Freibades auf alle Bürger umgelegt würden, egal ob sie das Bad nutzen oder nicht. Das ist Unsinn, da dies bei jeder kommunalen Einrichtung so ist. Kinderlose Bürger finanzieren Kindergärten. Bürger, die mit Kultur nichts am Hut und keine Kinder auf der Realschule Waldshut haben und weder Hallenbad noch Sauna nutzen, beteiligen sich über Gebühren und Abgaben am 24-Millionen-Euro-Projekt Stadthalle Waldshut, Bürger, die nie einen Fuß in das Freibad Tiengen setzen, finanzieren dessen Sanierung ebenso mit. Ein Hinweis, der geradewegs in die Irre führt.
Letztes Wort haben die Bürger
Viel entscheidender sind in der ganzen Diskussion letztlich zwei Fragen. Braucht eine Stadt wie Waldshut-Tiengen zwei Freibäder und ein Hallenbad und wenn ja, kann sie sich diese drei Einrichtungen auch tatsächlich leisten? Beide Fragen müssen die Bürger der Stadt am 21. Oktober beantworten.