Ein abgedunkelter Raum, in dem die von Zigaretten geschwängerte Luft steht. An der Wand blinken bunte Automaten, die von Männern stundenlang mit Geldstücken gefüttert werden. So stellen sich die meisten von uns eine Spielhölle vor. Doch die Realität sieht in der Regel anders aus. „Es sind keine dunklen Kaschemmen. Die meisten Spielotheken haben Hotelflair. Sie sind hell und freundlich“, sagt Jonas Firnkes.

Firnkes ist Sozialarbeiter und arbeitet als Therapeut bei der Fachstelle Sucht in Waldshut-Tiengen, die sich der Prävention, Beratung und Behandlung von Alkohol-, Medikamenten-, Drogen- und Glücksspielsüchtigen verschrieben hat. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Glücksspielsucht. Am 25. September findet ein bundesweiter Aktionstag gegen Glücksspielsucht statt.

Die Fachstelle Sucht nimmt selbst nicht an der Aktion teil. „Wir haben nicht die Kapazität“, erklärt Firnkes und fügt hinzu: „Aber es ist uns wichtig, das Thema auf den Tisch zu bringen.“ Denn obwohl die Zahl der Betroffenen, die in der Beratungsstelle in der Waldshuter Kaiserstraße Hilfe suchen, in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist, sei die Glücksspielsucht nicht rückläufig.

Jonas Firnke ist Sozialarbeiter und Therapeut für Glücksspielsucht bei der Fachstelle Sucht in Waldshut.
Jonas Firnke ist Sozialarbeiter und Therapeut für Glücksspielsucht bei der Fachstelle Sucht in Waldshut. | Bild: Juliane Schlichter

„Lotto macht weniger süchtig als Automaten„

Im Gegenteil: Rund 180.000 Menschen in Deutschland gelten als spielsüchtig. Dies geht aus dem Jahrbuch Sucht 2019 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen hervor. Hinzu kommen 326.000 Menschen mit einem problematischen Spielverhalten. Auf dem legalen deutschen Glücksspielmarkt wurde 2017 ein Umsatz – gleichbedeutend mit Spieleinsätzen – von 46,3 Milliarden Euro erzielt. Das entspricht einem Anstieg um 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im Landkreis Waldshut werden jährlich knapp 43 Millionen Euro an Automaten verzockt, wie eine Recherche dieser Zeitung ergeben hat.

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Zu Jonas Firnkes kommen Betroffene erst, „wenn der Leidensdruck zu hoch geworden ist“. Finanzielle Probleme, Schwierigkeiten in der Partnerschaft bis zum Abrutschen in die Kriminalität zählen zu den Folgen der Glückspielsucht. Er beschreibt das Leben von Glücksspielsüchtigen als Hamsterrad. „Das Tragische ist, dass sie nie vorwärtskommen. Tagsüber verdienen sie ihr Geld und abends verzocken sie es wieder“, beschreibt Firnkes den Tagesablauf vieler Betroffener.

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Es seien nicht hauptsächlich Männer, die spielsüchtig sind, widerlegt der Therapeut ein weiteres Klischee. „Es gibt Spielotheken, in die überwiegend Frau gehen“, sagt Firnkes. So gebe es in vielen staatlichen Spielbanken Automaten, die gezielt die weibliche Klientel ansprechen sollen. „Die sind dann beispielsweise rosa oder haben Hundewelpen statt Indiana Jones als Motiv.“ Glücksspielsucht ziehe sich durch sämtliche Schichten. „Allerdings sind relativ viele junge Leute betroffen. Der Großteil ist unter 40“, so Firnkes. Seiner Erfahrung nach handelt es sich oft „um Menschen, die beruflich viel leisten, viel Geld verdienen und hohe Ansprüche an sich selbst stellen“.

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„Glücksspielern fällt es deutlich schwerer als anderen Süchtigen, sich Beratung zu suchen“, berichtet Jonas Firnkes. Die Hemmschwelle sei viel höher als beispielsweise bei Alkoholsüchtigen. Eine Erklärung hat der Therapeut dafür nicht. Fünf Prozent ihrer Klienten, wie die Mitarbeiter der Fachstelle Sucht die Beratungssuchenden nennen, seien spielsüchtig. 2018 baten in diesem Bereich 28 Betroffene um Hilfe, 2017 waren es 31.

Firnkes beschreibt die Auftragslage als „wellenartig“. Mal gebe es vier Erstgespräche in einer Woche, mal käme gar niemand. „Im Moment ist mehr oder weniger tote Hose“, sagt er. Bis Anfang des Jahres leitete Firnkes eine Gruppe für Spielsüchtige. Er würde sich freuen, wenn sich wieder Interessierte dafür finden würden. „Die Gruppe hätte den Vorteil, dass die Teilnehmer sich gegenseitig motivieren können.“

Wege aus der Glücksspielsucht

  1. Was macht die Fachstelle Sucht und wie kann man sie erreichen? Sie ist Anlaufstelle für Menschen mit Problemen oder Abhängigkeit von Suchtmitteln sowie für deren Angehörige. Die Abteilung Alkohol, Medikamente und Glücksspiel befindet sich in der Kaiserstraße 17 in Waldshut (Telefon 07751/89 66 80), die Abteilung Jugend- und Drogenberatung in der Bismarckstraße 16 (Telefon 07751/89 67 70).

    Leiterin der Fachstelle Sucht ist Roswitha Klotz-Birk. Die Beratung ist kostenlos. Finanziert wird die Einrichtung vom Landkreis Waldshut. Sie hat 6,9 therapeutische Stellen, die auf elf Mitarbeiter verteilt sind. Infos (www.bw-lv.de).
  2. Welche Arten von Glücksspiel gibt es? Um Geld spielen kann man in Spielotheken, in staatlichen Spielbanken und Casinos sowie in Online-Spielotheken. Bei letzteren greifen laut Jonas Firnkes keine deutschen Gesetze. Die Einsätze sind höher als an Automaten in Spielotheken – Gewinn und Verlust ebenso. „Hier kann man in kurzer Zeit sehr viel Geld verzocken“, warnt der Suchtberater vor dieser Art des Glücksspiels.

    Auch Sportwetten, Spekulationen an der Börse und Lotto wie die Variante „6 aus 49“ zählen zu den Glücksspielen. „Lotto macht allerdings weniger süchtig als Automaten“, sagt Firnkes. Denn am Automaten bekommt der Spieler sofort ein Ergebnis, beim Lotto kann bis zu einer Woche zwischen dem Tippen und der Ziehung vergehen.
  3. Wie lässt sich Glücksspielsucht vermeiden? „Der beste Weg ist Abstinenz, also den Spielotheken fernzubleiben und die Szene zu meiden“, sagt Jonas Firnkes. In seinen Therapiesitzungen versucht er außerdem herauszufinden, was den Betroffenen in die Sucht treibt, beispielsweise, ob dieser durch das Spielen um Geld Gefühle verdrängt. In schweren Fällen vermittelt er stationäre Therapieplätze.

    Die Fachstelle Sucht bietet außerdem Schulungen für Mitarbeiter von Glücksspielbetrieben an, deren Betreiber nach dem Landesglücksspielgesetz dazu verpflichtet sind. In den zweitägigen Seminaren lernen die Teilnehmer unter anderem, problematisches Spielverhalten frühzeitig zu erkennen und die Betroffenen darauf anzusprechen. Betreiber haben ebenfalls als Auflage, Broschüren über Spielsucht-Prävention in ihren Spielotheken auszulegen.

    Zudem können Spieler sich selbst sperren lassen, wenn sie erkennen, dass sie ein Problem haben. Allerdings gilt die Sperre nur für einen Spielhallenbetrieb.