In Conrad Schierenbergs Atelier in Happingen, Gemeinde Dachsberg, hängen die Bilder an den Wänden wie in der Eremitage in Sankt Petersburg, neben-, unter- und übereinander. Porträts, Landschaften, Stillleben, scheinbar abstrakte Lichtexplosionen. Schierenbergs Motive gehören zu den klassischsten, zugleich aber auch zeitlosesten.

Eine Landschaft von Conrad Schierenberg.
Eine Landschaft von Conrad Schierenberg. | Bild: Peter Schütz

Der 83-jährige Künstler mit Wurzeln im Südschwarzwald ist jedoch alles andere als ein Klassiker und schon gar kein Traditionalist. Vielmehr ist er einer, der neue Wege gegangen ist und immer noch geht, ein Erneuerer der Bildenden Kunst. Selbst, wo Verwandtschaften mit dem Impressionismus oder Expressionismus um die Ecke schielen, bleiben seine Bilder unverwechselbar und einzigartig. Was am Einsatz der Mittel, sowie seinem Farbauftrag liegt: Schierenberg trägt die Ölfarbe nur leicht verdünnt auf, so dass sie pastos bleibt – immer mit breitem Pinsel, wodurch eine lebendige Fläche entsteht, voller Balken und Flecken.

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Auf Vorzeichnungen verzichtet er. Nicht geglückte Stellen werden mit dem Palettenmesser wieder herausgenommen und nochmal versucht. Auch wenn er sich an ein Motiv behutsam herantastet, bleibt am Ende doch der Eindruck von einem dynamischen Akt des Malens.

An der Eröffnung der Kunstausstellung „Zwischen Höll und Himmel“ 2018 im Hans-Thoma-Kunstmuseum Bernau nach seiner Definition von Malerei gefragt, hob er die Direktheit hervor. Wer malen will, sagte er, soll das Konventionelle überwinden, da das Bedürfnis, alles richtig machen zu wollen, nur hemmt und lähmt.

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Am Ende seines Kurzvortrags ließ er es dann noch richtig krachen. „Lasst die Sau raus!“, empfahl er allfällig anwesenden Malwilligen. Drei Jahre danach wieder darauf angesprochen, erklärt er: „Malerei ist der einzige Ort, wo man die Sau rauslassen kann, ohne irgendeinen Schaden anzurichten.“ Seine Malerei ist reine Bewegung. Egal, ob Himmel, Baumstrünke, Felder, nackte Leiber oder Gesichter: alles, was er darstellt, bewegt sich selbst dann noch, wenn er die Pinsel beiseitegelegt hat. Vielleicht lassen sich darin Parallelen zu seinem – bewegten – Leben lesen.

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Conrad Schierenberg, Jahrgang 1937, hat seine Kindheit und Jugend auf einem Bauernhof in Menzenschwand verbracht. Er sei ohne formale Schul- oder berufliche Bildung aufgewachsen, habe sich schon in sehr jungen Jahren seinen Lebensunterhalt verdienen müssen, sei es als Hütebub, als Stallknecht, später als Holzfäller oder Hilfsarbeiter, sagt er. Harte Arbeit also, zumal damals ganz ohne Maschinen ausgeführt. „Das macht mich hin“, will er erkannt haben, worauf er sich an den knochenjobfreien Sonntagen still das Malen beibrachte. Im Winter fuhr er zu einem Malerfreund nach Paris, schaute diesem über die Schulter und lernte zudem zu zeichnen. Die 1960er Jahre verbrachte er in London, arbeitete zuerst einmal noch auf dem Bau, bis er begann mit seiner Malerei etwas zu verdienen; hatte „wider Erwarten“ (Schierenberg) Sammler wie die Guggenheim-Schwestern Hazel und Peggy oder einen afghanischen Königssohn. Konnte eine Familie gründen und war bald Vater von drei Söhnen geworden.

Heimweh plagt Künstler

1972 jedoch zwang ihn sein Heimweh, mit dieser ersten Familie in den Schwarzwald zurück zu kehren. Auf dem Dachsberg fand er einen kleinen, heruntergekommen Hof, welchen er allein mit zwei seiner Buben zu bewirtschaften begann, nachdem deren Mutter mit dem Jüngsten sie verlassen hatte und zurück nach England gegangen war.

1984 lernte er die Bildhauerin Mechthild Ehmann kennen, damals noch am Anfang ihrer Steinmetzlehre, und aus deren Verbindung dann drei Töchter hervorgingen. Über die Jahre haben diese beiden Künstler immer wieder miteinander ausgestellt – er Malerei, sie Skulpturen. Manchmal aber lösen sich die Grenzen zwischen ihren Künsten auf, wenn Zeichnungen gezeigt werden.

Neue Kunstform für sich entdeckt

Mit etwa 50 Jahren trat eine Kunstform neu in sein Leben, die ihn bis heute begleitet: das Schreiben von Sonetten, eine aus dem Mittelalter stammende, streng aus 14 Zeilen bestehende Gedichtform. „Da war der folgende Schritt nicht weit,“ so berichtet er in seinem soeben erschienenen Versband FÜR DIÈ VO DÒ, „dasselbe auch einmal auf alemannisch zu versuchen“. Die ihm „zugewachsene Fertigkeit beim Reimen“, schreibt er in dem Büchlein weiter, „half wohl dabei, unsere ungleich schwerer zu meisternde, da in ihrem Wortschatz recht beschränkte, bäuerische Mundart ebenfalls in Verse zu zwingen“.

Conrad Schierenberg lebt heute zurückgezogen mit seiner Frau in Happingen. Sein Atelier ist ihm Rückzugsort und Schreibwerkstatt in einem. Ihn selbst habe die Erfahrung gelehrt, „dass nur der glücklich lebt, der im Verborgenen lebt, kein Aufsehens um sich macht, sondern auf stille Weise tätig ist“, hält er in seinem Buch „Liest keine Sau“ fest. Und dass Kunst „nur wirklich dort, nur ganz im Verborgenen entstehen kann“.