1984 kämpften zahlreiche Feuerwehren gegen die Flammen in der Waldshuter Kaiserstraße, vier Geschäftshäuser wurden dabei zerstört. Die Spuren des Stadtbrandes von rund 40 Jahren sind längst nicht mehr sichtbar. Wer genau hinschaut, kann aber dennoch erleben, was sich an diesem 29. Januar 1984 in der Kaiserstraße abgespielt hat. Möglich macht dies die App „Zeigmal“, die die Geschichte der Doppelstadt digital erlebbar macht – mit Bildern, Erläuterungen von Stadtführern und historische Fotografien, die mit Augmented Reality (virtuelle Erweiterung der Realität) an ihren ursprünglichen Aufnahmeorten lebendig werden.

Der Stadtbrand von 1984 in Waldshut wird dank Augmented Reality (virtuellen Erweiterung der Realität) in der Zeigmal-App sichtbar.
Der Stadtbrand von 1984 in Waldshut wird dank Augmented Reality (virtuellen Erweiterung der Realität) in der Zeigmal-App sichtbar. | Bild: Völk, Melanie

„Wir haben ein Update für unseren historischen Rundgang durch Waldshut-Tiengen gesucht, mit dem wir auch neue Zielgruppen erreichen können, die eher mit dem Smartphone unterwegs sind“, beschreibt die Leiterin der Tourist-Info Stefanie Stelter den Hintergrund. Fündig wurde die Tourist-Info bei der App „Zeig Mal“, die von Informatik-Studenten der HTWG Konstanz entwickelt wurde. Gefördert wird das junge Unternehmen mit dem Exist Gründerstipendium des Wirtschaftsministeriums. Das Team will Kommunen und mittelgroßen Städten eine Plattform bieten, um ihre Geschichte zu vermitteln.

Was steckt hinter der App?

„Wir wollen mit unserer App Faszination und Begeisterung für die Stadtgeschichte wecken“, erklärt Elias Greve, Entwickler der App. Die erste Stadt, die mit der App erkundet werden konnte, war Radolfzell, weitere Städte am Bodensee folgten. Am Hochrhein kann sie auch in Rheinfelden genutzt werden, demnächst soll sie auch in Bad Säckingen verfügbar sein.

40 kleine und mittelgroße Städte in Baden-Württemberg sind derzeit auf der App vertreten, weitere zehn bis 15 sollen folgen. „Ich fand die Vorstellung immer spannend, dass schon 1000 Jahre vor mir Menschen auf vielen Marktplätzen gestanden haben“, erklärt Elias Greve den Hintergrund für die Entwicklung der App. Sein Kollege Till Reitilinger ergänzt: „Wir wollen damit erreichen, dass sich junge Leute wieder mehr mit der Geschichte beschäftigen und damit auch etwas für die Zukunft lernen können.“

Mit der Zeig-Mal-App haben die Nutzer die reichhaltige Geschichte von Waldshut (Bild) und Tiengen immer in der Hosentasche.
Mit der Zeig-Mal-App haben die Nutzer die reichhaltige Geschichte von Waldshut (Bild) und Tiengen immer in der Hosentasche. | Bild: Völk, Melanie

Wie funktioniert die App?

Die Entwickler haben die Technik zur Verfügung gestellt, die Inhalte kamen von den Mitarbeitern der Tourist-Info, Stadtarchivar Ingo Donnhauser und von den Stadtführern Beatrice Merone, Thomas Völk, Roland Landwehr und Uli Stather. Sie haben die Audioaufnahmen eingesprochen und ihr umfangreiches Wissen über Waldshut-Tiengen zur Verfügung gestellt. „Ihr habt einen Spitzenjob gemacht“, lobt Stadtführer Ulrich Stather die beiden App-Entwickler.

Laut seiner Aussage nehmen vor allem ältere Menschen an den Stadtführungen teil. Daher freue es ihn besonders, mit der App auch eine neue und junge Zielgruppe für die Stadtgeschichte begeistern zu können. Beatrice Merone ergänzt: „Man läuft nicht nur einfach durch die Stadt, sondern hört auch Geschichten dazu.“

Was gibt es alles zu entdecken?

Waldshut-Tiengen kann selbstständig im Entdecker-Modus erkundet werden, in diesem Fall weist ein Kompass zu den Sehenswürdigkeiten in der direkten Umgebung. Zudem gibt es drei geführte Rundgänge. Der Waldshuter dauert 90 Minuten und führt auf 1,7 Kilometer an 24 historisch bedeutsame Orte.

In Tiengen gibt es in 60 Minuten 23 Orte auf einem Kilometer zu entdecken. Zudem wartet in Waldshut ein Themenrundgang zu 500 Jahren Reformation auf die Nutzer. An Lesestationen werden außerdem spannende Geschichten zu historischen Ereignissen und bedeutenden Persönlichkeiten der Stadt vermittelt.

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„Selbst eine Kleinstadt wie Waldshut-Tiengen hat viel zu bieten. Es ist beeindruckend, wie viel mehr man sieht, wenn man die Hintergrund-Infos bekommt“, freut sich Kulturamtsleiterin Kerstin Simon, die zudem begeistert ist, wie schnell das Projekt umgesetzt wurde.

App-Entwickler Elias Greve hat beeindruckt, welche Geschichten sich hinter den einzelnen Gebäuden verbergen und wie viele spannende Kleinigkeiten es in Waldshut-Tiengen zu entdecken gibt. Etwa, dass die Kaiserstraße früher deutlich tiefer war und das Rathaus sechs statt heute drei Stufen hatte. Oder welche mysteriösen Geschichten sich um die Stadtpfarrkirche in Tiengen ranken. Spannend findet er auch, dass in Waldshut die älteste Zunft Deutschlands zu Hause ist und wie umfangreich die jüdische Vergangenheit in Tiengen ist. „Ich habe schon vielen Leuten empfohlen, Waldshut-Tiengen zu entdecken“, verrät Greve.

In der „Zeig-Mal“-App gibt es allerlei Wissenswertes aus der Stadtgeschichte. Zum Beispiel, dass die Kaiserstraße früher deutlich tiefer ...
In der „Zeig-Mal“-App gibt es allerlei Wissenswertes aus der Stadtgeschichte. Zum Beispiel, dass die Kaiserstraße früher deutlich tiefer war und das Rathaus sechs Stufen hatte statt heute drei. Das entdecken (von links): Anna Bich (Touristinfo), Kulturamtsleiterin Kerstin Simon, Stefanie Stelter (Leiterin Tourist-Info), die App-Entwickler Till Reitilinger und Elias Greve sowie die Stadtführer Uli Stather und Betrice Merone. | Bild: Völk, Melanie

Wie kommt die App auf das Handy?

Die „Zeigmal“-App ist kostenlos im App-Store und im Google Play Store verfügbar. Für die App ist keine Anmeldung nötig. Die Nutzer können Waldshut-Tiengen auswählen und direkt starten.

Ist die App eine Konkurrenz für die Stadtführungen?

Nein, im Gegenteil, machen die Vertreter von Zeig Mal, der Tourist-Info und die Stadtführer deutlich. Die App soll eine Ergänzung zum bestehenden Angebot sein und auch dazu animieren, nach der Erkundung via App an einer Stadtführung teilzunehmen. „Denn das ein oder andere Häppchen aus der Geschichte haben wir noch für uns behalten“, erzählt Stadtführer Uli Stather mit einem Lächeln.

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Wann welche Führung angeboten wird, listet die App ebenso auf. Und sie soll Touristen, die in der Stadt sind, wenn gerade keine Führung angeboten wird, die Geschichte der Doppelstadt vermitteln. „Gerade Tagestouristen oder Radfahrer, die nur einen Zwischenstopp in Waldshut-Tiengen einlegen, können mithilfe der App die Stadt auf eigene Faust erkunden“, erklärt Anna Bich, Mitarbeiterin der Tourist-Info.