Fast drei Jahre ist es her, als die ersten Geflüchteten aus der Ukraine wegen des Krieges auch nach Waldshut-Tiengen gekommen sind. Unter ihnen sind Olena Belmas (30) aus Dnipro und Stanislav und Maryna Bogdan (beide 42) aus Hostomel bei Kiew.
Gelungener Neustart nach Flucht aus der Heimat
Gemeinsam ist ihnen, dass sie ihre Heimat plötzlich und unvorbereitet hinter sich lassen mussten und ohne Sprachkenntnisse nach Deutschland gekommen sind. Dennoch haben sie es geschafft, in Waldshut ein eigenes Geschäft zu etablieren. Wieso sie sich dazu entschlossen und welche Herausforderungen sie dabei gemeistert haben, erzählen Olena Belmas und das Ehepaar Bogdan im Gespräch mit unserer Zeitung.
Olena Belmas: Von der Lehrerin für ukrainische Geschichte zur Nagelstudio-Inhaberin
Olena Belmas ist mit ihrem siebenjährigen Sohn und ihrem Mann im März 2022 aus der Ukraine nach Waldshut-Tiengen geflüchtet. Die Familie Belmas ist in Detzeln bei der Familie Morath untergekommen, wo sie bis heute lebt. Über die Unterstützung der Moraths ist Olena Belmas sehr dankbar, denn bei ihrem Start in Deutschland war die Sprachbarriere eine große Hürde.

Möglichst schnell einen Platz in einem Deutschkurs zu bekommen, stellte sich als schwieriges Unterfangen heraus. Dennoch entsteht bei beiden gleich der Wunsch, eine neue Arbeit zu finden. „Ich wollte nicht einfach nur zu Hause sitzen und warten, dass etwas passiert“, erläutert Olena Belmas. Sie wollte nicht für lange Zeit auf das Geld vom Jobcenter angewiesen sein.
Ihren Job als Lehrerin kann sie nicht mehr ausführen
In der Ukraine hat Olena Belmas als Lehrerin für ukrainische Geschichte gearbeitet – einen Job, den sie hier wegen der Sprachbarriere und ihrem Unterrichtsfach so nicht ausüben kann. Außerdem müsste ihr ukrainisches Lehrdiplom zunächst übersetzt und dann anerkannt werden, was ein langwieriger Prozess ist.

Hobbymäßig hat Olena Belmas in ihrer Heimat Nagelmaniküre gemacht und auch einen entsprechenden Kurs absolviert. Um in Deutschland ein Nagelstudio zu eröffnen, benötigt man laut Wirtschaftsministerium nur einen Gewerbeschein und keine abgeschlossene Berufsausbildung.
2023 nahm sie daher eine Stelle in einem Nagelstudio an. Parallel lernte Olena Belmas weiter Deutsch, derzeit arbeitet sie an ihrem B1-Niveau. „Für mich war es wichtig, mit den Menschen, die ich behandle, gut kommunizieren zu können“, erläutert sie.
Beruflicher Neustart dank Hilfe der Vermieterin
Die Arbeit im Nagelstudio gefiel ihr, aber nach einiger Zeit wurde der Wunsch stärker, sich etwas Eigenes aufzubauen. Daraufhin stellte ihr Heike Morath, in deren Haus die Familie Belmas nach wie vor lebt, ein kleines Zimmer für ein eigenes Studio zur Verfügung.
Um ihr kleines Gewerbe anzumelden, braucht Olena Belmas als Geflüchtete aus der Ukraine eine sogenannte Fiktionsbescheinigung, die ihr vorläufiges Aufenthaltsrecht nachweist. Derzeit haben die Geflüchteten aus der Ukraine eine begrenzte Aufenthaltserlaubnis bis 2026.
Am 1. September 2023 eröffnete Olena Belmas ihr eigenes Nagelstudio. Am Anfang hatte sie nur fünf Kundinnen in der Woche, aber sie gab ihren Traum von der Selbstständigkeit nicht auf. Die Sprache sei nicht das Problem gewesen, denn auch wenn sie nicht immer grammatikalisch korrektes Deutsch spreche, verstehen ihre Kundinnen sie trotzdem.

Mittlerweile hat Olena Belmas auch mehr deutsche als ukrainische Kundinnen. Diese seien ihr gegenüber sehr offen und interessieren sich auch für die aktuelle Situation in der Ukraine. „Ich finde es gut, dass die Leute nicht gleichgültig sind gegenüber dem, was in der Ukraine passiert“, sagt Olena Belmas.
Familie Bogdahn: Wärmepumpen-Unternehmer gelingt der Neustart in Deutschland
Eine weitere Erfolgsgeschichte ist die von Stanislav und Maryna Bogdan, die mit ihren drei Töchtern (17, 16 und 4) ebenfalls im März 2022 aus Hostomel, einem Vorort von Kiew, zunächst nach Niedersachen zu Verwandten und dann weiter nach Waldshut geflohen sind.
Die beiden hatten in der Ukraine ein gut gehendes Geschäft für Wärmepumpen – das sie wegen des Krieges zurücklassen mussten. Mitgenommen haben die beiden aber ihren Transporter, der speziell für den Transport von Wärmepumpen ausgebaut ist. „Später haben wir erfahren, dass russische Soldaten unser Wärmepumpenlager in Hostomel gestürmt haben. Mitgenommen haben sie aber nichts, da sie mit den Geräten wohl nichts anzufangen wussten“, erzählen die Bogdans.
Beruf führt Familie in den Landkreis
In Niedersachsen haben die beiden dann zunächst Deutsch gelernt und es mittlerweile bis zu einem guten B2-Niveau gebracht. Über Bekannte ist Stanislav Bogdan an den Energieberater René Scheffel aus Höchenschwand gelangt, der für die Installation einer Wärmepumpe eine qualifizierte Fachkraft gesucht hat.
So kam die Familie Bogdan schließlich an den Hochrhein, wo sie im Bereich Wärmepumpeninstallation und -sanierung auf einen Fachkräftemangel stößt. Daher entschloss Stanislav Bogdan, nachdem er genug Berufserfahrung in Deutschland gesammelt hat, in Waldshut-Tiengen ein eigenes Geschäft zu eröffnen.
Langer Weg bis zur Firmengründung
Doch bis zur Firmengründung lag vor den Bogdans noch ein weiter Weg: Stanislavs Studienabschlüsse aus der Ukraine mussten anerkannt werden, was ein halbes Jahr dauerte. Zudem musste Stanislav Bogdan insgesamt fünf Schulungen in Deutschland absolvieren, die ihn für die Arbeit mit Wärmepumpen in Deutschland qualifizieren sollen. In der Ukraine hat Stanislav Bogdan mit den Wärmepumpenherstellern Vaillant und Panasonic gearbeitet – auch das musste er in Deutschland nachweisen und dafür ein Seminar absolvieren.

Die Bogdans mussten außerdem eine Wirtschaftsprüfung überstehen und einen Businessplan schreiben – natürlich auf Deutsch. Das erforderte auch Kenntnisse in der Technikfachsprache, die die Bogdans in einem standardisierten Deutschkurs nicht lernen. Das alles kostet Zeit und auch Geld. „Am schwierigsten war es jedoch, herauszufinden, wo die nützlichen Informationen stehen“, sagen Stanislav und Maryna Bogdan heute.

Die Bogdans überwanden alle Hürden und eröffneten im Mai 2023 ihr eigenes Geschäft. Sie nennen es „Wärme“, was der wörtlichen Übersetzung des ukrainischen Wortes „тепло (teplo)“ entspricht – so hieß ihre Firma in der Ukraine. Mit Yuriy Bykov haben die Bogdans unterdessen einen Landsmann als Mitarbeiter eingestellt. Yuriy Bykov tut sich schwer mit der deutschen Sprache, sodass eine Arbeit, bei der er vorwiegend Ukrainisch sprechen kann, ideal für ihn ist.
Nur das Alemannische bereitet etwas Probleme
Stanislav Bogdan kommuniziert mit seinen Kunden auf Deutsch – problematisch seien für ihn mittlerweile nur noch der alemannische Dialekt und das Schweizerdeutsche. Die Kunden seien aber verständnisvoll und bemühen sich, Hochdeutsch zu sprechen. Sie seien auch zufrieden mit der Arbeit der beiden Männer – das war aber nicht immer so. „Es gab auch Vorurteile, die Qualität meiner Arbeit betreffend“, gibt Stanislav Bogdan ehrlich zu.
Rezensionen von zufriedenen Kunden aus der Ukraine und Deutschland auf ihrer Homepage hätten jedoch geholfen, diese Vorurteile abzubauen. Dafür hat Maryna Bogdan gesorgt, die für das gemeinsame Geschäft das Marketing und die Buchhaltung übernimmt.
Stanislav und Maryna Bogdan haben viel Mühe und Zeit in ihre Wärmepumpen-Firma investiert, sodass sie eine Rückkehr in die Ukraine für sich ausschließen. „Wir sind hier gut integriert und möchten uns weiterentwickeln“, sagen die Bogdans.
Gedenken: Anlässlich drei Jahre Krieg in der Ukraine findet am Montag, 24. Februar, ab 18.30 Uhr vom Waldshuter Viehmarktplatz aus ein Lichterzug zur Versöhnungskirche statt, wo es ein ökumenisches Friedensgebet gibt. Veranstalter ist der Verein Ukrainer am Hochrhein.