Die Lebenshaltungskosten allgemein sind stark gestiegen. Laut dem Portal www.Verbraucherzentrale.de sind zum Beispiel Nahrungsmittel zwischen Juni 2022 und Juni 2023 um 13,7 Prozent teurer geworden. Auch die erhöhten Energiekosten wirken sich auf die monatlichen Ausgaben für Wohnungen aus und das wiederum schmälert das finanzielle Budget.

In diesem Zusammenhang fällt gerne der Begriff „bezahlbarer Wohnraum“. Doch wann darf Wohnraum überhaupt als „bezahlbar“ gelten? Gibt es da überhaupt allgemeingültige Faustregeln? Und wie sieht das in unserer Region aus?

Was ist eigentlich bezahlbarer Wohnraum?

„Man redet immer über bezahlbaren Wohnraum, aber das ist letztlich nicht einheitlich zu beantworten“, erklärt Diplom-Bauingenieur Andreas Vogt, geschäftsführender Vorstand der Föfa-Baugenossenschaft. Ganz allgemein sei die Frage nach bezahlbarem Wohnraum ein unglaublich facettenreiches Thema.

Vogt betont, dass durchschnittliche Mietpreise hier nicht einheitlich festzulegen sind, weil es in Waldshut-Tiengen gar keinen Mietspiegel gibt. Man könne daher einen durchschnittlichen Wert nur abschätzen. „Letztlich hängt die Frage, was bezahlbar ist, vom Geldbeutel des jeweils Betroffenen ab. Wir von der Föfa versuchen, zehn Prozent unter dem hiesigen Markt zu bleiben“, so Vogt. Und weiter: „Der christliche Ansatz ist in unserer DNA enthalten, dies ist ein Gedanke, den wir seit unserer Gründung haben.“

Anton Bernhard Hilbert, vom Verein Haus und Grund Hochrhein.
Anton Bernhard Hilbert, vom Verein Haus und Grund Hochrhein. | Bild: Eva Uenal

Auch Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert vom Verein Haus & Grund Hochrhein, sieht eine allgemeingültige Definition des Begriffs schwierig: „Der Begriff steht für den Wunsch, die wahren Wohnkosten des Mieters zu reduzieren, entweder zu Lasten des Eigentümers/Vermieters oder zu Lasten des Steuerzahlers. Mittel sind unter anderem Eingriffe in den Markt (wie Mietpreisdeckel, Mietpreisbremse, reduzierte Kappungsgrenze), Subventionierung gegen Sozialbindung, staatliche Wohnungen (Bund, Land, Gemeinde) und gemeinnützige Genossenschaften.“

Wohngeld oder Bürgergeld können helfen

Wo sich bezahlbarer Wohnraum nicht erreichen lässt, könne Wohngeld oder Bürgergeld greifen, so Hilbert. Der Regelsatz für eine sechsköpfige Familie betrage demnach beim Bürgergeld 2459 Euro. Zusätzlich bezahlt würden die Kosten einer angemessenen Wohnung. Für eine sechsköpfige Familie gilt demnach eine Wohnungsgröße von 120 Quadratmetern als angemessen. Anton Bernhard Hilbert zieht das Beispiel Stuttgart heran: „Das Jobcenter übernimmt dafür eine Miete von 1300 Euro zuzüglich der Heizkosten.“

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„Der oft genannte Anteil von maximal 30 Prozent Bruttowarmmiete an dem Familien-Nettoeinkommen ist willkürlich. Es hängt von der individuellen Einkommenshöhe ab, ob die verbleibenden 70 Prozent zum Leben reichen“, so Hilbert.

Das sagt der Kreismieterverein

„Uns ist keine Datenlage bekannt, was in Waldshut und Umgebung als bezahlbarer Wohnraum einzuordnen ist“, betont Rechtsanwältin und Vorsitzende des Kreismietervereins Hochrhein, Manuela Rienäcker-Täsch. „In der Vergangenheit galt eine Quote von 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens als hinzunehmende Belastung mit Wohnkosten. Mittlerweile ist die Zahl der Haushalte, die eine Kaltmiete inklusive Heizkosten von mehr als 40 Prozent ihres Einkommens ausgeben, gestiegen.“ Rienäcker-Täsch verweist hier ebenfalls auf den fehlenden Mietspiegel im Landkreis, was eine klare Einordnung schwierig mache.

„Es sollte selbstverständlich sein, bei Neubaugebieten eine angemessene Anzahl von Sozialwohnungen einzuplanen.“ Manuela ...
„Es sollte selbstverständlich sein, bei Neubaugebieten eine angemessene Anzahl von Sozialwohnungen einzuplanen.“ Manuela Rienäcker-Täsch, Rechtsanwältin und Vorsitzende des Kreismietervereins Waldshut | Bild: Kreismieterverein Waldshut

„Von Seiten des Kreismietervereins Waldshut kann der Begriff auch deshalb nicht eingegrenzt werden, da eine Vielzahl von Komponenten in die Berechnung einfließen, was für Mieter als bezahlbar hingenommen wird. Hier sind insbesondere die Lebenshaltungskosten zu erwähnen, die Gehaltsentwickungen und weitere Faktoren“, erklärt die Rechtsanwältin auf Nachfrage.

Grenznähe ist ein weiterer Faktor

Auch die Nähe zur Schweiz kommt dabei laut Rienäcker-Täsch ins Spiel: „Es kommt unter anderem darauf an, ob das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen dem geringen Einkommen, dem mittleren Einkommen oder dem hohen Einkommen zuzuordnen ist. In Waldshut, aufgrund der Grenznähe zur Schweiz, gibt es die Besonderheit, dass hier sowohl Haushalte mit durchschnittlichem deutschen Einkommen, als auch die Haushalte mit Schweizer Einkommen zu finden sind.“ Hierdurch werde die Spanne was für den Einzelnen bezahlbar ist, ausgeweitet, was sich auch an der Spanne der Miethöhen im Landkreis niederschlage: Relativ wenig günstiger Wohnraum stehe einem relativ hohen Angebot an teurem Wohnraum gegenüber.

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Hohe Heizkosten als Problem

Rienäcker-Täsch führt weiter aus: „Ob Wohnraum als bezahlbar einzuordnen ist, ist mittlerweile auch von der Frage abhängig, wie der Wohnraum beheizt wird. Es gibt zumindest einzelne Fälle, in denen die Heizkosten die Höhe der Kaltmiete erreicht oder sogar überschritten haben. Oft sind es Altwohnungen, welche von Haushalten mit geringem Einkommen bewohnt werden, die mit fossilen Brennstoffen beheizt werden, sodass die Kosten in die Höhe geschnellt sind. Ohne dass die Mieter Einfluss darauf haben, energiesparende Heizanlagen einbauen zu lassen und deshalb schnell mit den Energiekosten überfordert werden.“ Sie ergänzt: „Im Rahmen des neuen Energieeinspargesetzes wird es wohl dazu kommen, dass zwar umfangreiche Sanierungen vorgenommen werden, die notwendigen Kosten jedoch wieder auf den Mieter umgelegt werden. Das führt zu einer weiteren enormen Belastung.“

„Bund muss Gemeinden finanziell stärker unterstützen“

„Nicht nur in der hiesigen Region steigen die Mieten, weil Wohnraum fehlt. Teurer Wohnraum ist eher anzumieten als sozialer Wohnraum, welcher in unserer Gegend so gut wie nicht vorhanden ist. Suchen Mieter neue Wohnungen, kommt es in den meisten Fällen zu einer drastischen Mietsteigerung. Ob dies dann noch bezahlbarer Wohnraum ist, kann oft dahinstehen, da Wohnraum in diesen jeweiligen Einzelfällen dringend benötigt wird.“

Forderung: Sozialwohnungen auch in Neubaugebieten

Die Vorsitzende des Kreismietervereins wird schließlich sehr deutlich, indem sie fordert: „Um Mieten zu erreichen, die vom Haushalt gestemmt werden können, muss Wohnraum geschaffen oder leerstehender Wohnraum saniert werden. Darüber hinaus sollte es selbstverständlich sein, bei Neubaugebieten eine angemessene Anzahl von Sozialwohnungen einzuplanen.“

Welche Rolle spielen Einkommen und Kaufkraft?

Die Lebenshaltungskosten sind stark gestiegen, ebenso die Baukosten, so Andreas Vogt von der Föfa. Das schlägt sich natürlich auch in den allgemeinen Mietpreisen nieder. Im Allgemeinen gehe es seiner Ansicht nach eher um die Frage, was faire Löhne seien. Allgemein seien maximal 35 bis 40 Prozent des verfügbaren Einkommens als akzeptable Kaltmiete anzusehen. In diesem verfügbaren Einkommen seien laufende Kosten wie Finanzierungen, Leasing oder Altschulden aber nicht mit eingerechnet. „Aus diesem Grund ergibt es keinen Sinn, einfach vom Nettolohn auszugehen, um auf die maximalen Mietkosten bei ‚bezahlbarem Wohnraum‘ zu kommen“, so Vogt.

„Die genannten Einflussfaktoren spielen eine entscheidende Rolle“, erklärt Anton Hilbert von Haus & Grund. „Es geht letzten Endes darum, was dem Mieter nach Abzug der Miete noch zum Leben bleibt. Steigende Lebenshaltungskosten reduzieren den Betrag, der für die Miete bleibt.“

In welchem Kostenrahmen bewegen wir uns in Waldshut-Tiengen?

Hier müsse nun ein geschätztes Durchschnittseinkommen herangezogen werden. Föfa-Geschäftsführer Andreas Vogt gibt eine Beispielrechnung: Geht man von 33.000 Euro Bruttogehalt im Jahr aus und rechnet mit Steuerklasse 1, bleibt ungefähr noch die Hälfte als Netto übrig, also 16.500 Euro. Pro Monat macht das dann 1375 Euro netto. 35 Prozent davon entsprächen einer Kaltmiete von ungefähr 481 Euro – in der Regel eine Wohnung mit rund 60 bis 65 Quadratmetern. „In diesem Bereich bewegen wir uns auch ungefähr. Bei den Nebenkosten muss man dann noch rund 2,5 bis 3 Euro pro Quadratmeter dazurechnen. Bei der Föfa liegen wir da in der Regel aber etwas darunter“, so Vogt.

Zwei Rechenbeispiele

Auch Anton Bernhard Hilbert vom Verein Haus und Grund Hochrhein zieht eine Beispielrechnung heran: „Die Nettokaltmieten im Bereich Waldshut-Tiengen liegen derzeit für mittelklassige Wohnungen in der Spitze zwischen 10 und 13 Euro/Quadratmeter (Neuvermietungen).“ Daraus ergeben sich dann folgende Annahmen, wie Hilbert vorrechnet: Für einen Ein-Personen-Haushalt (Wohnung mit 60 Quadratmetern) ist eine Nettokaltmiete 780 Euro monatlich, oder 950 Euro mit Betriebskosten zu rechnen. Bei Lebenshaltungskosten von 800 Euro (Bürgergeld-Regelsatz: 502 Euro) müsse das Nettoeinkommen 1.750 Euro betragen, damit die Wohnung bezahlbar ist. Für einen Vier-Personen-Haushalt (Wohnung mit 105 Quadratmetern) liege die Nettokaltmiete bei 1.050 Euro monatlich oder 1.250 Euro mit Betriebskosten. Bei Lebenshaltungskosten von 2.000 Euro (Bürgergeld-Regelsatz 1.619 Euro) müsse das Nettoeinkommen 3.250 Euro betragen, damit die Wohnung bezahlbar sei, so Hilbert.

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