In der kleinen Hütte riecht es angenehm nach frischem Heu und Gras. Die Wände links und rechts vom Eingang sind komplett mit Holzkästen bedeckt. Statt Türen haben diese vorne ein Drahtgeflecht. Dahinter raschelt es. „Das ist unser Keinohrhase„, sagt Dominik Bär schmunzelnd und holt das ungewöhnlich aussehende Tier für ein Foto aus dem Hasenstall des Kleintierzuchtvereins Waldshut.
Seine Mutter Michaela Bär erklärt derweil, wieso das braune Karnickel, das zur Rasse der Lohkaninchen gehört, statt langer Ohren nur kurze Stummel am Kopf hat: „Wir vermuten, dass es beim Abnabeln nach der Geburt passiert ist.“ Das Muttertier hatte offenbar nicht wie üblich nur die Nabelschnur des Jungtiers gefressen, sondern die Ohren seines Kindes gleich mit.
Bei Familie Bär aus Dogern dreht sich das ganze Jahr über alles um Hasen, nicht nur zu Ostern. Michaela Bär ist seit 1998 Mitglied und seit 2015 Vorsitzende des Kleintierzuchtvereins Waldshut, der seine Gelände am Rande des Gewerbegebiets „Untere Au“ hat.
Sohn Dominik wurde von seinen Eltern bereits so früh an das Hobby herangeführt, dass er sich kaum erinnern kann. „Du hast mit sieben oder acht Jahren deine erste Rasse bekommen“, sagt Michaela Bär an ihren Sohn gewandt. „So jung“, staunt da der 18-Jährige selbst. Mittlerweile ist der Auszubildende im Baustoffhandel Kassierer und Schriftführer des Vereins.
„Er ist ein schöner Hase und darf trotzdem bleiben“, kommt Michaela Bär im Gespräch mit dieser Zeitung noch einmal auf den Keinohrhasen zurück, dessen Bezeichnung an den gleichnamigen Film von Til Schweiger angelehnt ist. Denn mit seinen deformierten Lauschern hätte das Tier keine Chancen auf einen Preis.
Dominik Bär nennt einige Kriterien, auf die es bei solchen Schönheitswettbewerben für Rassekaninchen ankommt: „Die Tiere dürfen keinen buckligen Rücken haben, er muss sich den Preisrichtern mit aufgestellten Vorderpfoten präsentieren und das Fell sollte schön dicht sein.“ Bei den weißen Kleinschecken müssen sich sogar die schwarzen Punkte an der richtigen Stelle befinden. „Stimmen die nicht, gibt es Punktabzug“, sagt der junge Mann über die strengen Regeln.
Weil der Ohrenverlust auf eine Art Unfall und nicht auf einen Gendefekt zurückzuführen ist, kann das Tier seine Aufgabe als Zuchtkaninchen erfüllen. Erst vor wenigen Wochen, im Februar, wurde der Bock, wie männliche Hasen genannt werden, von einer Häsin mehrfacher Vater. Der putzmuntere Nachwuchs hat übrigens allesamt Ohren.
„Ich sage bis heute, ich gehe zu den Hasen, dabei sind es Kaninchen„, sagt Michaela Bär über ihre Tiere. Beim Hasen handelt es sich um den wildlebenden Feldhasen. Der Begriff Hase habe sich jedoch auch für Zuchtkaninchen in der Umgangssprache eingebürgert.
Jedes Jahr im Herbst veranstalten die Waldshuter Kleintierzüchter ihre Herbstschau auf dem Vereinsgelände, bei der Preisrichter die Tiere bewerten und bei der auch das Gesellige nicht zur kurz kommt. Besonders beliebt ist das Hasenragout. „Da bleibt in der Regel nicht viel übrig“, erzählt Michaela Bär und lacht.

Um regelmäßig „frisches Blut“ hineinzubringen, wie sie sagt, werden Tiere, die nicht mehr für die Zucht geeignet sind, entweder mit anderen Züchtern getauscht, an Tierfreunde verkauft, oder sie landen im Kochtopf. „Als Kind habe ich das Hasenragout nicht gegessen, aber inzwischen schon“, sagt Dominik Bär, der nebenbei auch noch Mitglied der Feuerwehr Dogern ist und Tenorsaxofon bei der Stadtmusik Waldshut spielt.
Ob die für den 27. und 28. Juni geplante Jungtierschau des Kleintierzuchtvereins stattfinden kann, stehe wegen der Corona-Pandemie „im Moment in den Sternen“, wie die Vorsitzende sagt.