„Wir sind nicht grundsätzlich gegen die 380-kV-Leitung. Aber ein Abstand von 70 Metern zur Wohnbebauung ist bei einer solchen Strom-Autobahn der höchsten Kategorie einfach viel zu gering.“ So brachte der Breitenfelder Ortsvorsteher Jürgen Bacher in der Sitzung des Gemeinderats die Kritik der Bürger des Waldshut-Tiengener Ortsteils auf den Punkt.
Bedenken rufe die Planung bezüglich elektromagnetischer Belastungen, gesundheitlichen Beeinträchtigungen aber ebenso mit Blick auf wirtschaftliche Belange hervor. Und mit dieser Sorge steht der Ortsteil nicht alleine da. Sie wird von den Gemeinderatsmitgliedern wie auch die Spitze der Stadtverwaltung geteilt. Den Vertretern des Projektträgers Transnet BW gaben sie den Auftrag mit, bei der Planung in diesem Bereich nachzubessern.
Worum geht es?
Wie die beiden Transnet-Vertreter Tanja Ulmer und Otto Kettmann dem Gemeinderat darstellten, geht es bei dem Projekt Hochrhein um die Förderung der Energiewende. Dazu wird eine 140 Kilometer lange Starkstrom-Trasse zwischen Herbertingen im Kreis Sigmaringen nd Gurtweil gebaut, inklusive mehrerer Umspannanlagen. „Ziel ist es, für die nächsten 60 bis 90 Jahre den Bedarf zu decken und für Versorgungssicherheit zu sorgen“, schilderte Ulmer dem Gemeinderat.
Im Abschnitt 3 erneuert Transnet die bestehenden 220-kV- und 380-kV-Leitungsanlagen, die von Blumberg bis zum Umspannwerk Gurtweil verlaufen. Die neue 380-kV-Leitung, die überwiegend als Ersatzneubau errichtet wird, ersetzt die zwei bisherigen Leitungsanlagen, die via Gutenburg nach Gurtweil verlaufen und wegfallen sollen.
Um die Planung zu erleichtern, habe der Gesetzgeber für derartige Vorhaben Rahmenbedingungen vorgegeben, die die Planung der Trassen erleichtern und Verfahren beschleunigen sollen. Grob gesprochen sollen sich die neuen Stromtrassen möglichst in einem Korridor von 200 Meter zum Verlauf der bestehenden 110-kV-Leitung bewegen, um eine Bündelung zu gewährleisten. Es dürfen keine Wohngebäude überspannt werden, außerdem sollen unverhältnismäßige Eingriffe in die Flora und Fauna unterbleiben.
„Für Breitenfeld keine gute Lösung möglich“
Dass das Regierungspräsidium Freiburg auf ein Raumordnungsverfahren verzichtet und gleich zum Planfeststellungsverfahren übergehen möchte, sehen die Vertreter der Transnet als Beweis, dass sie rechtlich wie fachlich bisher alles richtig gemacht haben, wie sie mehrfach betonten. Einen Grund, die bisherige Planung grundsätzlich zu überdenken, gibt es folglich für Transnet nicht.
Dass diese Variante für die Bewohner von Breitenfeld wie auch in der Folge für den Mittleren Berg bei Tiengen für Belastungen sorgen könnte, dessen zeigten sich die Transnet-Vertreter zwar bewusst, wie Otto Kettmann versicherte. Er signalisierte auch durchaus Entgegenkommen im Rahmen des rechtlich Möglichen, wenn es ab Ende des Jahres an die Detailplanung gehen soll: „Das bedeutet aber leider, dass es sich höchstens um eine weniger schlechte, nicht etwa eine gute Lösung für Breitenfeld handeln wird.“
Alternativ-Varianten aus Transnet-Sicht nicht realisierbar
Nichtsdestotrotz hat Transnet in den vergangenen Monaten, drei Varianten geprüft, die als Ergebnis von Gesprächen mit Vertretern der betroffenen Ortsvorsteher, der Stadtverwaltung und des Regierungspräsidiums im Januar formuliert worden waren.
Am Ende fielen alle drei durch: Zwei dieser Varianten sahen eine Zusammenarbeit zwischen Transnet und der Konzern-Schwester Netze BW vor. Demnach sollte die von Netze BW betriebene 110-KV-Versorgungsleitung in einem Bogen weiter südlich verlegt werden. Die geplante neue Leitung hätte dann wahlweise parallel dazu oder sogar auf demselben Mast gelegt werden können.
Laut Kettmann gebe es für Netze BW keinen Anlass, ins funktionierende Netz einzugreifen – mit allen damit verbundenen Kosten und Risiken. Zudem berge die Bündelung von Leitungen auf einem Mast immer Gefahren für die Versorgungssicherheit, so Kettmann.
Auch eine Erdverkabelung komme für Transnet nicht in Betracht. Die gewaltigen Eingriffe in die Natur, eine Erhöhung der Baukosten um 35 Millionen Euro, aber auch die Langzeitfolgen für das ganze Terrain seien unverhältnismäßig. „Etwa 2,5 Hektar wären gar nicht mehr nutzbar“, rechnete Kettmann vor.
Die Stimmung in Breitenfeld

Bereits im Vorfeld zur Gemeinderatssitzung hatte sich auch der Ortschaftsrat von Breitenfeld mit der Planung von Transnet befasst. Das Interesse sei denkbar groß gewesen, wie Ortsvorsteher Jürgen Bacher und Ortschaftsrat Alexander Maier im Gespräch mit unserer Zeitung darstellen. Etwa 50 Bürger hätten sich versammelt, darunter auch Experten. Die Idee der Gründung einer Bürgerinitiative stehe im Raum, so Bacher: ‚Die Bedenken sind groß und ernst zu nehmen, erst recht, wenn es um gesundheitliche Belange geht.‘
Breitenfeld sei durchaus bereit, seinen Teil zur Sicherung der Stromversorgung beizutragen – allein der Bestand an Stromleitungen zeige dies deutlich. Der aktuelle Verlauf der 110-KV-Trasse habe an einigen Stellen schon nicht nachvollziehbare Blüten hervorgebracht, besonders markant sichtbar am südlichen Ortseingang, wo ein Strommast mitten auf einem Privatgrundstück errichtet wurde.
Daher sei klar: „Wir fordern ein Abrücken von der Wohnbebauung“, so Bacher. Ein „Schlenker“ der Trasse hin zum Wald – das sei alles. „Die Masten sind mit 80 Metern so hoch, die sehen wir auch noch, wenn sie weiter weg sind“, sagt Bacher. Aber aus gesundheitlicher Sicht sei dies auf jeden Fall unbedenklicher.
Gemeinderat und Stadtverwaltung irritiert
„Die Stadt hat eigene Vorstellungen, und vor allem wollen wir unsere Ortsteile schützen“, betonte Oberbürgermeister Martin Gruner. In diesem Sinne forderte er von den Vertretern der Transnet BW vor allem, „das herauszuholen, was möglich ist“.
Die Bereitschaft dafür vermisste er ebenso wie Ratsmitglied Harald Würtenberger (FW): „Wir brauchen tragbare Lösungen für die Bevölkerung. Diese liegen nicht vor.“ Auch sei die Blockadehaltung des Schwesterunternehmens Netze BW weder nachvollziehbar noch akzeptabel.
Aichens Ortsvorsteher und CDU-Gemeinderat Christian Maier beharrte, dass das sogenannte „Schutzgut Mensch“, wie die Betroffenen in behördlichen Verfahren bezeichnet werden, höher einzustufen sei als Flora und Fauna, die für die Neuverlegung der Stromtrasse möglicherweise überspannt werden müssten. Daher appellierte er an die Unternehmensvertreter, nicht stur am 200-Meter Korridor festzuhalten, sondern eine weitere Umfahrung Breitenfelds ins Auge zu fassen.
Das forderte auch Claudia Linke (Grüne) mit Nachdruck: „Es gibt noch keine Rechtsprechung und die Gesetzeslage ist sehr neu. Was hält Sie also davon ab, Neuland zu betreten und die Möglichkeiten auszutesten?“ Bei einer Nutzungsdauer von bis zu 90 Jahren wäre ein „kleiner Prozess“ sicherlich kein Beinbruch, so Linke. Das gelte erst recht, wenn man im Gegenzug hinterher mehr Sicherheit habe.
Gurtweils Ortsvorsteher Claudio Helling monierte unterdessen das Fehlen eines Gesamtplans und von Antworten auf grundlegende Fragen: „Stattdessen werden Einzelfallentscheidungen getroffen, und Stück für Stück immer neue Zumutungen durchgedrückt. So werden Sie kein Verständnis ernten.“
Wie geht es jetzt weiter?
Zwei Arbeitsaufträge gaben Gemeinderat und Stadtverwaltung den Transnet-Vertretern mit auf den Weg: Zum einen soll eine erst vergangene Woche im Breitenfelder Ortschaftsrat entwickelte vierte Variante einer genaueren Analyse unterzogen werden. Diese sieht die Trassenverlegung um etwa 400 Meter nach Süden vor.
Dies, so Ortsvorsteher Bacher, trage der Empfehlung von Experten Rechnung, dass pro Kilovolt ein Meter Abstand zur Wohnbebauung eingehalten werden müsse: „Dies würde Mehrkosten von höchstens 1,5 Millionen Euro verursachen, allerdings im Gegenzug eine erhebliche Entlastung mit sich bringen.
Generell müsse sich das Unternehmen bemühen, unter Einhaltung der gesetzlichen Möglichkeiten Spielräume auszunutzen, stellte die Beigeordnete Petra Dorfmeister klar: „Im kommunalen Baurecht haben wir es ständig mit Ausnahmeregelungen und -genehmigungen zu tun. Das ist möglich, ohne Gesetze zu brechen.“
Die Stadt selbst wird sich unterdessen um eine Kontaktaufnahme mit Netze BW bemühen, um möglichst doch noch im Zusammenspiel mit allen Beteiligten vor Ort einen Konsens zu finden. Und Breitenfeld werde in Absprache mit der Stadtverwaltung ebenfalls weiter aktiv sein, kündigt Jürgen Bacher an: „Wenn wir jetzt nichts unternehmen, haben wir schon verloren.“ Denn jetzt sei der Gestaltungsspielraum bei den Planern noch vorhanden.