Johann Peter Hebel war viel zu Fuß unterwegs, an der Natur interessiert, und in seiner Zeit als Lehrer in Lörrach unterrichtete er auch Geografie. „Die Wiese“, ein Programmgedicht der Heimatlandschaft Hebels, das den gleichnamigen Fluss besingt, steht am Beginn seiner alemannischen Gedichte. Der Leser kann das Flüsschen begleiten und erfährt etwas über den Landstrich und die an der Wiese liegenden Ortschaften. Was lag da näher, als einen literaturtouristischen „Hebel-Wanderweg“ zu konzipieren, der von der „Geburt“ der Wiese am Feldberg bis zur Schifflände nach Basel führt, vorbei an einer landschaftlich und kulturell reizvollen Gegend.

Im Jahr 2010 zum 250. Geburtstag des alemannischen Dichters, Theologen und Lehrers wurde der Hebel-Wanderweg eingerichtet, der sich an Hebels Gedicht orientiert und auf markierten Strecken des Schwarzwaldvereins und des Vereins „Wanderwege beider Basel“ verläuft. Die Wegführung ist nahe an der Wiese, der Spaziergänger kommt durch Wälder, Weinberge und erreicht Rastplätze an Wasserläufen. Zu allen Jahreszeiten hat dieser Weg seinen Charme, weil sich die Natur in immer neuem Kleid zeigt. Auch jetzt im Dezember, wo allerorten die Weihnachtsmärkte und Veranstaltungen abgesagt werden und es viele wieder nach draußen zieht, lohnt es sich, diesen Weg etappenweise zu erkunden. Gerade im Winter, wenn die Bäume und Büsche am Ufer nicht mehr so dicht bewachsen sind und das Laub fällt, bietet sich noch ein freierer Blick auf das Wasser der Wiese, die Johann Peter Hebel allegorisch und metaphorisch als weibliches Wesen beschreibt: als „des Feldbergs liebligi Tochter“.

Infotafeln säumen den Hebel-Wanderweg, hier eine Stele vor der Kirche mit Weihnachtsbaum in Lörrach-Hauingen, wo Hebels Eltern getraut ...
Infotafeln säumen den Hebel-Wanderweg, hier eine Stele vor der Kirche mit Weihnachtsbaum in Lörrach-Hauingen, wo Hebels Eltern getraut wurden. | Bild: Jürgen Scharf

Geboren ist die Wiese nach Hebels Worten im „verschwiegenen Schoß der Felsen“. Sie wächst als Bauernmädchen heran, verändert sich von Ort zu Ort und wechselt die Tracht. Das Gedicht, das bildhaft dem Verlauf des Flüsschens folgt, ist der rote Faden für den informativ ausgeschilderten Hebel-Wanderweg. In dem „Wiese“-Gedicht, das den Übergang vom „kindlichen“ Bach zum „jugendlichen“ Fluss beschreibt, fragt der Dichter seine Leser, was der eben der Quelle entsprungene Bach vorhat: „Rotet jez ihr Lüt, wo üser Töchterli hi goht“. Und er spricht mit dem jungen Fluss, dem er menschliche Züge andichtet. Der über Steine hüpfende und in Kurven verlaufende Fluss wird als Mädchen mit kindlichen Verhaltensweisen geschildert. In Basel ist das „Meidli“ eine heiratsfähige junge Frau, die sich mit dem „Herrn Rhein“ vermählt.

Das könnte Sie auch interessieren

Wenn man dieses Bild des vermenschlichten Flusses vor Augen hat, ist man auf dem Spaziergang mit einer literarisch gefühlvollen Naturbeschreibung unterwegs. Zu Hebels Zeit hat die Wiese „noch gemacht, was sie wollte“. Das sagt Martin Bühler, Bürgermeister des Hebeldorfs Hausen im Wiesental, der sich nicht nur für das Hebelhaus und die Hebelfeiern engagiert, sondern als Gesamtkoordinator für den Hebelweg verantwortlich war. Seine Lieblingsstrecke von der Wiesenquelle am Feldberg talabwärts ist eine wild-romantische, aber auch jeder andere Teil des Weges hat zu allen Jahreszeiten seinen Reiz, weiß Bühler, etwa die Stelle, wo die Große und Kleine Wiese zusammenfließen, oder die Wegstrecke durch den Lörracher Grüttpark mit dem Blick auf Burg Rötteln.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie eng verbunden der Dichter mit dem Fluss war, kann man auf zahlreichen Informationstafeln nachlesen, die die Strecke säumen und von den beteiligten Städten und Gemeinden angebracht wurden. Der Wanderer erfährt Wissenswertes auf den Weg-Beschreibungen, die immer eine neue Facette aus Hebels Lebensstationen und literarischem Schaffen erzählen und zum jeweiligen Standort Bezug nehmen. Bebildert sind die Tafeln mit Illustrationen, Fotografien, geografischen Karten mit dem Streckenverlauf. Allein drei Ausschilderungen finden sich im Hebeldorf Hausen, wo der Dichter Teile seiner Jugend verbracht hat. „Der Himmel ist nirgends so blau und die Luft nirgends so rein und alles so lieblich und heimlich als zwischen den Bergen von Hausen“, ist auf einem dieser Hinweisschilder zu lesen. Dies zeigt, wie sehr die Landschaft seiner Kindheit und besonders der Belchen, der im Leben Hebels eine wichtige Rolle spielt, den Dichter literarisch inspiriert hat. Aber auch Persönliches über Werk und Vita Hebels kann man in der Kurzbiografie und in Zitaten aus dem „Wiese“-Gedicht erfahren. Eine Beschilderung nimmt Bezug auf das ehemalige Eisenwerk in Hausen, wo Hebel und seine Mutter im Winter gearbeitet haben. Vor der Kirche im Lörracher Ortsteil Hauingen verweist eine aufwändige Infostele darauf, dass hier die Eltern von Hebel anno 1759 geheiratet haben, was damals schwierig war, weil sie aus verschiedenen Konfessionen kamen. Ein Hinweis erinnert daran, dass Hebels Mutter auf dem Heimweg von Basel nach Hausen gestorben ist. Dass Hebel ein leidenschaftlicher Botaniker, Pflanzenkenner und Naturbeobachter war, wird thematisiert in einer Beschreibung der „Hebel-Lilie“, die nach dem Dichter benannt ist.

Das könnte Sie auch interessieren

Manche der Infotafeln sind schon ein bisschen verwittert, sind sie doch Wind und Wetter ausgesetzt und verdienten vielleicht eine Auffrischung. Nicht alle Wegweiser sind gleich auf Anhieb zu entdecken, sondern teilweise etwas versteckt. Aber man kann sich auf dem Streckenverlauf dieser literarischen Route gut zurechtfinden anhand der gelben Raute. Die idyllischen Bilder aus dem Wiesental in Versform im Kopf, die des Dichters Gedanken nahebringen, lässt sich auf heimatkundlichen Exkursionen auf den Spuren Hebels durch das schöne Schwarzwaldtal und die Ortschaften wandeln, die für Hebels Leben und Werk Bedeutung erlangten: Todtnau, Schönau, Zell, Hausen, Schopfheim, Lörrach bis über die Landesgrenze hinaus nach Basel – Schritt für Schritt dem Flusslauf von „Feldbergs Töchterlein“ folgend.

Das könnte Sie auch interessieren

Maßgeblich beteiligt am Hebel-Wanderweg war Dominik Wunderlin, ehemals Kurator und Vizedirektor des Basler Museums der Kulturen, Stiftungsrat der Basler Hebelstiftung und langjähriges Mitglied im Präsidium des Lörracher Hebelbundes. Der Ethnologe und Kulturwissenschaftler ist auch Mitbegründer des literarischen Hebel-Spaziergangs durch die Basler Altstadt und hat das Motto „Mit em Hebel uf de Gass“ geprägt. Zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Pfarrer Hans-Jürgen Schmidt war er für die Ausarbeitung der Texte, Illustrationen und Gestaltung der Tafeln zuständig.

Maßgeblich an der Einrichtung des Hebel-Wanderwegs beteiligt: Martin Bühler, Bürgermeister des Hebeldorfs Hausen (links) und Dominik ...
Maßgeblich an der Einrichtung des Hebel-Wanderwegs beteiligt: Martin Bühler, Bürgermeister des Hebeldorfs Hausen (links) und Dominik Wunderlin, der dafür unlängst mit der Hebel-Gedenkplakette ausgezeichnet wurde. | Bild: Jürgen Scharf

Das Hebel-Verständnis des Volkskundlers führt weit über Basel hinaus, bezieht das ganze Oberrheingebiet und den Kontakt über Landesgrenzen mit ein. Ganz im Hebelschen Sinne wirft der passionierte Museumsmann einen Blick über den Tellerrand der Region zwischen Jura, Schwarzwald und Vogesen. Nicht nur mit Exkursionen, Führungen, Vorträgen und Publikationen über Hebel hat sich der 67-Jährige hervorgetan, er hat sich auch dafür eingesetzt, dass die Schweizer Post zum 250. Geburtstag Hebel eine Sonderbriefmarke widmete. Mit Überzeugungskraft hat er für den Wanderweg „gekämpft“, vor allem „gegen den Übermut der Ämter in Basel bis zu Hebels Geburtshaus am Totentanz“, wie Felix Rudolf von Rohr im September bei der Verleihung der Hebel-Gedenkplakette an Dominik Wunderlin betonte. Die Gemeinde Hausen würdigte mit dieser Auszeichnung Wunderlins vielseitige Hebel-Projekte und speziell die wissenschaftliche, kreative und verantwortliche Mitwirkung bei der Einrichtung dieses verdienstvollen Hebel-Wanderwegs.

Das könnte Sie auch interessieren