In der dunklen Jahreszeit braucht der Mensch vor allem zweierlei: Gücksgefühl und Lesestoff. Beides liefert Willi Raiber mit seinem neuen Bilderbuch. Es trägt den Titel „Gold“, glänzt durch einen hochwertigen Druck und wurde von Raibers Sohn Christoph in exzellenter Manier gestaltet.
Bereits seit 1999 arbeitet Willi Raiber an der Serie „Unterwegs“. Sie umfasst sechs Bände. Der sechste Band zum Thema „Stadterhebung 1950“ erschien 2020. Nun folgt der fünfte Band „Gold“. Die anderen vier kommen in den nächsten Jahren heraus. Und wieso in rückwärtiger Reihenfolge? „Ich lese die Zeitung auch immer von hinten“, so Willi Raibers augenzwinkernde Erklärung.
Raibers Alter Ego
Der Untertitel des Bilderbuches lautet „Eine Traumbettreise – Geschichten im Segelschiffbild“. Das ist typisch Raiber. Wie kein anderer Künstler unserer Region hat sich der 1944 in Wehr geborene Maler sein kindliches Ich bewahrt. Das gewinnt farbige Gestalt in einem Jungen, der Bilderbücher liebt und schon ein wenig lesen kann. Einen Namen hat der Bub nicht, aber es ist unverkennbar der „kleine Willi“, Raibers Alter Ego.
Eines Abends sitzt der Bub mit seinem geliebten Teddy im Bett. Er blättert in einem Bilderbuch – und los geht die „Traumbettreise“ in das wunderbare Reich der Phantasie. Das Ziel der abenteuerlichen Fahrt wird von einer Gestalt genannt, hinter der sich unverkennbar der erwachse Maler verbirgt. Während diese Figur, die eine Raiber-Kappe trägt, einen Scherbenhaufen aus Zahlen zusammenfegt, sagt sie: „Die Zahlen sind futsch. Hätt´ ich Gold, ging ich nach Amerika!“
Und los geht es Richtung Westen. Es gilt atemberaubende Abenteuer zu bestehen. „Süßmost und Hartwurst“ sorgen für das leibliche Wohl des kleinen Willi. Das stärkt ihn, wenn der königliche Goldfresser auftaucht, Nebelbänke und Regenschauer durchdrungen, Begegnungen mit Zwergen bestanden werden müssen und die goldgierigen Piraten das Traumbett entern wollen.
Doch Wurst und Süßmost sorgen für Resilienz. Schließlich verspricht der prächtige Regenbogen reines Gold in rauen Massen. „Klein Willi“ packt es in sein Traumbett und freut sich über den riesigen Reichtum. Aber natürlich kommt es anders als gedacht. Wie? Das erfahren die Leser am Ende der „Traumbettreise“.
Das Bilderbuch „Gold“ besticht nicht nur durch seine humorvollen Kurztexte in Raibers Handschrift, sondern auch durch eine herrliche Farbigkeit. Alle Bilder hat der Maler auf originalem Hülsenwickelpapier der Papierfabrik Lenz gemalt.
Zuvor hat er die Bögen, die noch aus der Produktion des in Wehr unvergessenen Papierfabrikanten Dieter Lenz stammen, farblich grundiert. Dadurch erhalten die Bilder eine große Tiefe. Dass Raibers Sohn Christoph ein hervorragender Grafiker ist und die Originale so bearbeitet hat, dass im Druck ihre Tiefenwirkung erhalten blieb, ist ein Glücksfall und Goldes wert.
Die „Traumbettreise“ bietet sogar eine Moral, die aber nicht sauer daherkommt. „Schnell wieder von Bord mit dem Gold! Bevor das Gewicht des Schatzes oder die Verantwortung des Reichtums das schöne Schiff zum Kentern bringt.“ Braucht es mehr für Glücksgefühle in der dunklen Jahreszeit?