Ein kleiner Junge träumt sich aus seinem Kinderzimmer unterm Dach einer alten Mühle hinaus in die weite Welt. Das Bett wird zum Segelschiff und trägt ihn fort zu allerhand Abenteuern. In seiner Comic-Reihe „Unterwegs...“ hat der Maler Willi Raiber aus Degerfelden Erinnerungen an seine Kindheit in Bildern und kurzen Texten festgehalten. Nun bringt der 76-jährige Künstler den sechsten Band dieser Folge heraus, der sich um ein großes Stadtfest im Jahr 1950 dreht – ab heute ist das Werk zu bekommen.
70 Jahre nach dem rauschenden Fest in seiner Geburtsstadt Wehr betrachtet der Maler die aufregenden Geschehnisse von damals aus der Perspektive des Kindes in farbigen Bildergeschichten und Kommentaren. Der Maler, der seit 45 Jahren in Rheinfelden lebt, hat alle Cartoons für die Publikation in farbkräftigen Tönen neu gemalt. Sein Sohn Christoph Raiber hat die aufwändigen Bildbearbeitungen für das Buch gemacht. Im Eigenverlag hat Raiber 50 Exemplare drucken lassen.
Auf „Traumbett-Seereise“
Aufgewachsen ist Willi Raiber in einer alten Mühle in Wehr, wo sein Vater bis Ende der 1950er Jahre Müllermeister war. Als Kind hat er vor dem Einschlafen immer ein Bild von einem Segelschiff betrachtet und sich vorgestellt, auf „Traumbett-Seereise“ zu gehen.
Davon handeln die bisherigen fünf Bände der Comic-Serie, in denen der Bub samt seinem Spielzeugbären Eberhard kuriose Dinge erlebt. In einem Band verwandelt sich ein altes Gebäude in einen Schaufelraddampfer, in einem anderen Band spielt aus einem Grammophon im Turm des alten Schlosses wundersame Musik. Sogar mit Piraten und einem Goldschatz bekommt es der Junge einmal zu tun.
Im nun vorliegenden sechsten Band betrachtet Willi Raiber mit den Augen des staunenden Erstklässlers die „Eigentümlichkeiten, Kuriositäten und Eigenheiten der Großen“. In seinem Schiffs-Bett begegnet ihm auf dem Meer ein Segelschiff, dessen Kapitän eine wichtige Mission zu verkünden hat. „E Fescht, e Fescht!“, posaunt er und nimmt den Jungen in Schlepptau, um zu schauen, was Aufregendes in dem kleinen Ort passiert.
Flaschengeist will Menschen versöhnen
Eine wichtige Rolle im Comicgeschehen spielt ein Flaschengeist. Dieser „Fläschegeischt“, der in der Flasche gefangen ist, beruht auf einem Erlebnis aus Raibers Kindertagen. In den 1950er Jahren gab es einen Drogisten, der die Kinder mit einer geheimnisvollen Glasflasche faszinierte, in der auf Druck wie von Zauberhand ein kleiner Kobold erschien.
So tauchen ein Drogist im weißen Kittel und der Flaschengeist, der sich aus dem Behältnis befreit, als Figuren in Raibers Bildergeschichte auf. Der Flaschengeist will die zerstrittenen Menschen in der großen Feier zusammenbringen. Mit den Worten „Zauber, Zauber“ geht das Fest zur Stadterhebung los.
Auch Fotografien und Chroniken inspirieren ihn
Inspirieren ließ sich Willi Raiber von alten Fotografien, von Chroniken, von Erzählungen und persönlichen Erinnerungen. Farbenfroh, treffend und pointiert malt er die Vorbereitungen, das Zusammentreffen des Komitees, das emsige Kochen, Backen, Einmachen, das Transportieren der Tische und Bänke, die mit einem offenen Lastwagen aus Rheinfelden geholt wurden.
Der Festbaum, die feiernden Leute in den Buden und Schänken, die Musikanten, die Honoratioren, die Prominenz, die bekannten Persönlichkeiten hat Raiber aus Kindersicht ins Bild gesetzt, also „von unten nach oben“ gesehen. In einem Bild erhellt ein Feuerwerk mit leuchtenden Sternen die dunkle Silhouette des Städtchens. „Und nichts ist mehr so wie bisher“, lässt Raiber den Flaschengeist nach diesem „tollen Fest für jung und alt“ sagen. Der Flaschengeist lässt sich nicht mehr einfangen, entschwindet über die Dächer der Stadt und saust im Weltall herum.
Haus Salmegg zeigt Auswahl der Bilder
Fortan habe „des Fäschde“ nicht mehr aufgehört, schlägt Willi Raiber den Bogen von 1950 bis 2020. 70 Jahre lang wurden überall Feste veranstaltet. Doch in diesem Jahr ist wegen der Corona-Pandemie auf einen Schlag Schluss mit Festen allerorten.
In diesem schwierigen Corona-Jahr konnte der Maler nur in der Gemeinschaftsausstellung „Altes Eisen? Denkste!“ im Mai im Haus Salmegg eine Auswahl von Bildern zeigen, eine Einzelschau im Tiengener Schlosskeller im Herbst musste abgesagt werden. So war es Raiber wichtig, dass er zumindest sein neues Comicbuch rechtzeitig vor Jahresende fertigstellen konnte.