Vereinzelt kann man auf der Insel Reichenau noch Touristen beim Spazierengehen beobachten. Es sind wohl Tagesgäste. Denn: „Das Übernachtungsgeschäft bricht völlig weg“, so Tourismus-Chef Karl Wehrle: „Wir fahren auf Null.“
Manche Betriebe wie etwa das Hotel Löchnerhaus und der Campingplatz Sandseele haben bereits ganz geschlossen oder öffnen nicht. Denn nach der neuesten Verordnung der Landesregierung wegen der Corona-Krise dürfe es keine touristischen Reisen mehr geben, auch nicht innerhalb von Deutschland. Trotzdem gebe es noch einige Anfragen von potenziellen Gästen, berichtet Karl Wehrle. Er ärgert sich allerdings über die Landesregierung.

Ärger über die Landesregierung
In der neuesten Verordnung stehe bei Schulen, Museen und so weiter immer als vorläufiges Ende der Schließung der 19. April. Aber bei touristischen Übernachtungen gelte momentan der 15. Juni. Er glaube zwar nicht, dass tatsächlich alles andere am 20. April wieder geöffnet werden könne.
Aber durch das spätere Datum für die Beherbungsbetriebe könnten dort Gäste bis in den Juni hinein kostenlos stornieren. „So haben wir doch einen viel größeren Ausfall. Das ist eine Rechtssituation, die Unsicherheit verbreitet“, klagt Wehrle. Er habe sich deshalb bereits an den Bundestagsabgeordneten Andreas Jung und über das Rathaus an den Gemeindetag Baden-Württemberg gewandt.
Direkte finanzielle Hilfen gefordert
Auch Gastronomiebetriebe seien schon einige geschlossen, berichtet Karl Wehrle: Weil ohnehin wegen der Auflagen kaum Gäste kommen, und weil die Personalkosten trotzdem anfallen. Die wirtschaftlichen Folgen seien natürlich schwer abzuschätzen, weil niemand wisse, wie lang die Krise anhalte. „Man kann eine gewisse Zeit überbrücken.“ Aber wenn es länger dauere? „Das ist natürlich für unsere Betriebe gravierend, existenzbedrohend“, sagt Karl Wehrle. Er bekomme von diesen schon Anfragen, wo sie Unterstützung bekommen können für diesen 100-prozentigen Ausfall. Kurzarbeitergeld sei nur eine Übergangslösung, meint Wehrle: „Da ist die Politik sehr gefordert. Wir fordern direkte finanzielle Hilfen für diese Betriebe.“
Karl Wehrle erzählt, er habe jetzt zusammen mit der Gemüse-Genossenschaft eine Initiative gestartet: Personal aus dem Gastgewerbe werde angeboten, in einem Gärtnerbetrieb zu arbeiten und Geld zu verdienen. An Tagesgäste appelliert Wehrle, die Regeln einzuhalten: „Man soll Gruppen meiden.“ Die Tourist-Information ist geschlossen. Aber er und seine Mitarbeiterinnen seien vor Ort und telefonisch sowie per Mail erreichbar. „Ein bisschen sozialen Kontakt brauche ich schon noch“, sagt Wehrle. Aber man achte natürlich auf Abstand, schüttele keine Hände, berühre keine Türklinken. Abends bleibe er zu Hause.
Lage in Allensbach „katastrophal“
Von dort aus arbeitet schon seit einigen Tagen seine Kollegin, die Allensbacher Tourismus-Chefin Sabine Schürnbrand. „Die Lage ist katastrophal.“ Vereinzelt gebe es noch Übernachtungen von Gewerbetreibenden, aber sonst nur Stornierungen bis in den Mai hinein. Das betreffe natürlich auch Tagungen oder private Feste. „Es gibt Betriebe, wo jede Übernachtung und jedes Essen zählt“, betont Sabine Schürnbrand. Natürlich könne man manches überbrücken, auch durch Solidarität. Aber wenn die Krise länger andauern werde, dann werde das für viele Betriebe kritisch. „Das wird dann die touristische Landschaft verändern“, schätzt die Tourismus-Chefin.
Auch in Allensbach werde es zudem für die Gastronomie schwieriger. Da überlege mancher Wirt, zuzumachen. Das Seegarten-Restaurant aber habe zum Beispiel nicht nur – bislang – weiter bis 18 Uhr geöffnet, sondern biete neu einen Lieferservice an, erklärt Sabine Schürnbrand. Geschlossen seien aber bereits die Campingplätze, die Pizzeria Gnadensee und der Wild- und Freizeitpark. Und auf das leckere Eis der Konditorei Schuhmacher müssen die Allensbacher mindestens bis 20. April verzichten.
„Im Moment geht es nur um Schadensbegrenzung“
Bei den Kulturveranstaltungen, für die Allensbach bei vielen bekannt ist, sei für sie der 15. Juni momentan der Stichtag. Bis dahin werde alles abgesagt beziehungsweise versucht, die Konzerte auf die Zeit danach zu verlegen. „Im Moment geht es nur um Schadensbegrenzung – mehr nicht. Alles steht still“, so Sabine Schürnbrand.
Privat versuche sie, sich an die Verordnungen zu halten. „Wir treffen keine Freunde, nicht mal in Vierergruppen.“ Sie werde zornig, wenn da manche immer noch meinten, sie müssten Partys machen. „Das verstehe ich nicht. Man bringt sich und andere in Gefahr“, betont Sabine Schürnbrand.

Über die Unvernunft mancher Leute schüttelt auch Thomas Scherrieb den Kopf. Der Geschäftsführer des Klosters Hegne berichtet, dass in den vergangenen Tagen noch Familien mit Kindern beim Campingplatz angereist seien. „Manche verstehen es halt einfach nicht.“ Das Kloster hat mit dem Hotel St. Elisabeth den größten Beherbergungsbetrieb in der Gemeinde Allensbach. Dort gebe es noch Minimalbetrieb, so Scherrieb.
Urlaub und Überstundenabbau sollen die Zeit überbrücken
Das Café sei geschlossen, und im Hotel seien nur noch gewerbliche Kunden – unter anderem Beschäftigte von der B 33-Baustelle. „Wo sollen die sonst übernachten?“, fragt Thomas Scherreb angesichts der geschlossenen Häuser andernorts. „Wir wollen das Angebot noch aufrecht erhalten.“ Beim derzeit nicht benötigten Personal versuche man die Zeit mit Urlaub und dem Abbau von Überstunden zu überbrücken. Immerhin kämen für die Zeit ab Juni ein paar Buchungen rein.

Das Allensbacher Tourismusbüro hat derweil auch schon geschlossen. Dort hielt in den vergangenen Tagen Mitarbeiterin Jacqueline Hellwig allein die Stellung, ging ans Telefon und beantwortete Mails. „Wenn jemand am Fenster steht und einen Prospekt will, dann gebe ich das schon raus“, sagt Jacqueline Hellwig. Und auch sie sagt, nach der Arbeit fahre sie nach Hause und bleibe dort abends. Und fügt lachend an: „Jetzt habe ich mal Zeit, meine Wohnung aufzuräumen und den Balkon zu putzen.“