Pilze soweit das Auge reicht – dies ist der momentane Anblick in den hiesigen Wäldern. Wer sich mit Pilzen auskennt, ist überwältigt von der Fülle, die sich in diesem Herbst bietet. So auch Heidrun Häußler aus Ludwigshafen, die seit einigen Monaten als Pilzsachverständige der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) tätig ist und jüngst auch dort ihre Prüfung zur Pilzsachverständigen bestand.
„Wir erleben gerade scheinbar ein Pilze-Mastjahr, was bedeutet, dass in diesem Jahr viele Pilzarten im Überfluss vorhanden sind“, erklärt Häußler. Und sie sagt, dass sie beinahe geschockt war über die Masse an Pilzen, die sich einem im Wald während der vergangenen Wochen darbietet.
Giftige Pilze wachsen auch im Osterholz
So viele Steinpilze auf einmal habe sie in unserer Region noch nie zuvor gesehen. Allerdings gebe es eben nicht nur viele essbare, sondern eben auch ungenießbare oder sogar hochgiftige Pilze. Denn der giftigste Pilz der Welt, der Grüne Knollenblätterpilz, wächst momentan fast überall, auch im Stockacher Osterholz. Man kann ihm und vielen anderen, giftigen Pilzen im Osterholz vielfach begegnen.

Damit man anstelle von Marone, Steinpilz, Pfifferling oder Parasol nicht etwa einen giftigen Pilz in seine Pfanne wirft, sollte man zunächst Heidrun Häußler seine Beute beim Pilzsammeln zeigen. Sie kann die toxischen Exemplare aussortieren.
Wie bei jedem Gift, ist es die Höhe der Dosis, die die Wirkung erzeugt. Es gibt rund 150 Giftpilze. Bei einigen Exemplaren reiche jedoch bereits eine Kleinstmenge, um einen Menschen zu töten, so die Expertin. Der Verzehr geringer Mengen des Grünen Knollenblätterpilzes könne zu einer tödlichen Pilzvergiftung führen: Die enthaltenen Gifte, Amatoxine, lassen die Leber versagen.
Bei Verdacht auf Pilzvergiftung sollte man sofort die Notrufnummer 112 anrufen. Denn eine schnelle Behandlung im Krankenhaus sei essenziell, so Heidrun Häußler.
Wie Ärzte im Ernstfall vorgehen
Eine Behandlung im Krankenhaus bei einer Pilzvergiftung kann so aussehen: Kohletabletten saugen im Körper die Gifte auf. Eine Dialyse hilft bei Giften, die die Nieren schwächen. Bei Verzehr von leberschädigenden Pilzen kann der Wirkstoff Silibinin (Mariendistelextrakt) gegeben werden. Unter Umständen, zum Beispiel bei Magen-Darm-Symptomatiken, wird der Magen ausgepumpt und Infusionen verabreicht.
Enthielt der verzehrte Pilz ein Nervengift, zum Beispiel Muscarin (aus dem Feldtrichterling) kann im Krankenhaus ein Gegengift, zum Beispiel Belladonna (Tollkirsche) in vorsichtiger Dosierung gegeben werden. Es gibt auch Gifte, die der Körper selber abbauen kann, was Stunden bis Tage dauern kann.

Viele Menschen wissen zu wenig über Pilze
„Das Wissen um die Giftigkeit und Ungiftigkeit von Pilzen ist in unserer Kultur verloren gegangen“, bedauert Heidrun Häußler. Sie habe gelesen, dass die vielen Toten in den beiden Weltkriegen, sowie systematische Bücherverbrennungen im Dritten Reich daran schuld sein könnten. Denn früher hätten die Menschen, viel mehr über Pilze gewusst.
In anderen Ländern Osteuropas oder Skandinaviens sei man in Sachen Pilze viel besser bewandert. Man kenne dort Zubereitungsarten, die bestimmte Gifte, wie beispielsweise das Gyromitrin, unschädlich machen. Und man wisse auch, wofür Pilze noch verwendet werden können, zum Beispiel zu Heilzwecken.

Inhaltsstoffe können aber medizinisch genutzt werden
„Die Natur birgt so viel Wissen“, sagt Häußler und verweist auf Spurenelemente, Vitamine, Mineralien und viele weitere, noch unbekannte Mykowirkstoffe in Pilzen. Pilze können zum Beispiel Nerven reparieren. Das Amanitin (enthalten im Grünen und Weißen Knollenblätterpilz) werde immerhin in der Krebstherapie erfolgreich eingesetzt. Und das Psilocybin (enthalten in psychoaktiven Pilzen) könne unter der Anleitung von Therapeuten Depressionen deutlich lindern.
Waldtiere wie Wildschweine oder Rehe, Schnecken oder Insekten, fressen alle möglichen Pilze sehr gern – auch Giftpilze. Sie sind offenbar gegen die Gifte immun. Für Menschen, die Pilze zum Essen sammeln, rät Heidrun Häußler jedoch: „Man sollte nur Pilze essen, die man zu 100 Prozent kennt.“ Bei Unsicherheiten darf und soll man sie unter der Telefonnummer 07773/938323 kontaktieren und fragen.

Mann isst versehentlich Giftpilz
Kürzlich, so erzählt Häußler, sei ein Mann bei ihr gewesen, der vermeintlich Hallimasch, einen essbaren Pilz, verzehrt hatte. Das von ihm vorgelegte Foto zeigte jedoch den Sparrigen Schüppling – einen Giftpilz. „Der Mann hat sich noch gewundert, weshalb er Durchfall bekommen hat“, erzählt Häußler. Jedoch sei die Geschichte zum Glück glimpflich ausgegangen.
Man kann es auch so machen wie Heidrun Häußler: Sie isst Pilze überhaupt nicht, da sie das in ihnen enthaltene Histamin nicht verträgt.