Endlich herrscht Klarheit: Paola Pratto und Rocco Pintaric werden die Bäckerei Martin in Eigenregie weiterführen. Wie groß das Interesse der Eigeltinger und auch der Homberger an der Zukunft der Traditionsbäckerei war und ist, zeigte sich bei der vergangenen Gemeinderatssitzung. Die Verwaltung ahnte schon, dass es viele Zuschauer geben werde und verlegte die Sitzung darum aus dem Sitzungssaal in die Schulmensa. Doch auch dort musste nachgestuhlt werden. Denn 112 Bürger wollten dabei sein, wenn die Entscheidung fällt.

„Wir haben ein Luxusproblem“, erklärte Bürgermeister Alois Fritschi, denn unter den vier Bewerbern seien zwei, die wirklich gut seien. „Wir haben die Qual der Wahl“, empfand es FWV-Gemeinderat Stephan Gerlach stellvertretend für seine Ratskollegen. Bevor und auch nachdem die beiden Bewerber ihr Konzept vorstellten, erklärten Bürgermeister und Gemeinderäte, wie es zu Ausschreibung und Entscheidungsprozess gekommen war.

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Bereits der vorherige Gemeinderat beschloss, das Gebäude zu verkaufen und die Verpflichtung, dort frisch zu backen, weiterzugeben. Stephan Gerlach ist einer der neuen Gemeinderäte und bedauerte, dass die Vorstellung der beiden Konzepte in öffentlicher Sitzung erst kurz vor der Entscheidung stattfand. Wahrscheinlich war die Unterschriftenliste der Bürgerinitiative ebenfalls ein wichtiger Entscheidungsgrund. Diese sprach sich für die bisherigen Pächter aus, der SÜDKURIER berichtete.

Bewerber aus Wien liegt Backtradition am Herzen

Julian Ruß bewarb sich ebenfalls als Käufer der Bäckerei. Der 29-Jährige lebt derzeit in Wien. Er hat sich dort in einer Bäckerei eingemietet und verkauft seine Backwaren direkt auf dem Markt oder im Unternehmen. Sein Lebenslauf weist beeindruckende Fähigkeiten und Abschlüsse auf. Der gebürtige Homberger möchte gerne wieder in die Region kommen. Speziell mit der Bäckerei Martin hat er eine emotionale Verbindung. „Ich habe bei Gustav Martin ein Praktikum gemacht, stand mit ihm in der Backstube und dort begann meine Liebe zum Bäckerhandwerk“, erklärte er.

Neben dem Erhalt der Backtradition von Gustav Martin, so erläuterte er, liege ihm auch der Sauerteig am Herzen. Zudem wolle er einen Mittagstisch einführen sowie kulturelle Angebote ermöglichen. „Sie müssen entscheiden, wer den Wunsch von Gustav Martin am besten und am längsten erfüllen kann“, meinte er in Richtung der Gemeinderäte.

Paola Prato freut sich über große Unterstützung

Paola Prato war bei ihrer Vorstellung sehr aufgeregt: „Es geht heute um unsere Existenz.“ Umso mehr freute sie sich über „die große Unterstützung“, mit der sie so nie gerechnet habe. Mit ihrem Mann habe sie drei Söhne, von denen einer als Bäcker dereinst die Bäckerei auch übernehmen werde. Mit dem Kauf werde der Weg frei, die Wohnung zu sanieren und dort einzuziehen. Auch die Gästezimmer im Obergeschoss sollen saniert werden. Außerdem sind Veränderungen im Außenbereich geplant. Und nach der Entscheidung könne eine Ausweitung des Angebots angegangen werden, wie zum Beispiel dass auch am Sonntag verkauft wird.

Beide Bewerber sahen die Auflage, 15 Jahre backen zu müssen, nicht als Hinderungsgrund, sondern die Weiterführung der Bäckerei Martin als Lebensaufgabe an. Die Gemeinderäte lobten Julian Ruß und bedauerten, dass sie sich für einen entscheiden müssten. Allen fiel die Entscheidung sichtlich schwer. Doch Andreas Bihler (UBL) fasste es so zusammen: „Warum sollten wir etwas ändern, wenn alle mit dem bisherigen Pächter zufrieden sind und dieser uns seit zehn Jahren unterstützt.“ Die Räte und der Bürgermeister betonten: „Es ist eine Entscheidung für einen Bewerber und nicht gegen einen.“

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Entscheidung für Paola Prato und Pocco Pintaric

Die Bäckerei Martin hat ihren Namen von Gustav Martin, der mit 78 Jahren starb und bis zuletzt in der Backstube war. Er wünschte sich eine Stiftung, um die Existenz seiner Bäckerei und Versorgung seiner Angestellten zu sichern. Doch der Erhalt einer Bäckerei sei kein Stiftungsgrund, erklärten die bestimmenden Stellen und so wurde die Gemeinde zur Erbin. Ein Bäcker, der danach die Bäckerei pachtete, scheiterte und daraufhin übernahm vor zehn Jahren Paola Prato. Sie war Mitarbeiterin und stand bis zuletzt mit Gustav Martin in der Backstube. Zusammen mit Rocco Pintaric wird sie nun die Bäckerei und den Namen „Bäckerei Martin“ als Eigentümer weiterführen.

Die Gemeinde hat einen Teil des Grundstücks abgetrennt, um dort eventuell betreutes Wohnen einrichten zu können.