
Wenn Alexander Utz auf der Autobahn steht, hat er manchmal ein mulmiges Gefühl. Denn nur wenige Zentimeter von ihm entfernt rauschen Autos vorbei. Viele würden sich nicht an die reduzierte Geschwindigkeit halten und der Seitenstreifen sei teils sehr schmal, sagt Utz. Er ist als Streckenwart der Autobahnmeisterei Engen unterwegs, wenn es einen Unfall gab oder Verkehrsschilder ausgetauscht werden müssen. Immer wieder werde es dabei auch für ihn und seine Kollegen gefährlich. Zuletzt wurde ein Sicherungsanhänger beschädigt und im Winter 2017 brach sich ein Kollege ein Bein, nachdem ein Autofahrer in sein Fahrzeug prallte.

Apropos Winter: Viele wissen, dass die Autobahnmeisterei für den Winterdienst zuständig ist. Was die 30 Mitarbeiter in Engen sonst leisten, erklärt Alexander Utz bei einer Rundfahrt.
Kaum ist der Blinker zur Ausfahrt Engen gesetzt, rollt der Wagen schon auf das Gelände der Autobahnmeisterei. Die Nähe zur Autobahn ist wichtig, wie Alexander Utz später erklärt: Viele ihrer Fahrzeuge haben Überbreite und dürfen keine regulären Straßen nutzen. Utz sitzt ganz in orange gekleidet auf dem Fahrersitz des orangenen Kastenwagens, der auf grüne Garagen zurollt. Dahinter warten die Schätze der Autobahnmeisterei auf ihren Einsatz: die Ausrüstung reicht von der Heckenschere über den fahrbaren Rasenmäher bis zum Unimog. Die Einsätze der Straßenwärter sind vielfältig, vom Beseitigen von Unkraut über die Tunnelreinigung bis zum Leeren von Mülleimern auf Rastplätzen.
"Wir sind hier eigentlich zuständig für alles", sagt der Streckenwart
Als Beispiel zeigt er auf einen Wildschutzzaun. Über seinen Fahrtweg muss er nicht nachdenken – mittlerweile kenne er hier jeden Stein. Alexander Utz arbeitet sein halbes Leben für die Autobahnmeisterei und mauserte sich vom Straßenwärter zum Streckenwart hoch.

Wenige Meter weiter sind seine Kollegen mit dem Schneiden von Büschen beschäftigt. "Wenn man nicht mähen würde, würden Sträucher Autofahrern die Sicht erschweren", sagt Utz. Woher die Straßenwärter wissen, wann was zu erledigen ist? Teils sagt es die Natur, teils die Erfahrung und teils die aktuelle Beobachtung.
Teilweise gibt es auch festgelegte Zeitabstände: Einmal im Jahr gibt es eine Nachtfahrt, um die Reflexion der Verkehrsschilder zu testen. Zweimal im Jahr werden die Tunnel gereinigt. Und alle drei Jahre werden die 94 Bauwerke geprüft. Dazu kommen noch Lärmschutzwände und Verkehrszeichenbrücken.

Bei der täglichen Arbeit ist Flexibilität gefragt
Vor wenigen Tagen mussten die Männer noch einmal nachts ausrücken, um die Straße zu räumen. "Der Winterdienst ist unsere Hauptaufgabe im Winter", sagt Alexander Utz. "Und der macht immer mehr Kapriolen", ergänzt sein Chef Gerhard Braun. Höchster Punkt in ihrem Verantwortungsbereich ist der Hegaublick mit 782 Metern. "Bei uns ist alles trocken und dort liegt Schnee", sagt Alexander Utz. Und sobald jemand am Hegaublick hänge, sei die ganze Straße dicht.

Sobald es glatt zu werden droht, schickt eine Glättemeldeanlage direkt eine SMS auf das Bereitschaftshandy. Dafür hat die Autobahnmeisterei 3000 Tonnen Salz vorrätig. Wenn Utz die Tür zum Salzlager öffnet, wirkt er ganz klein. Doch die Menge reicht teils nur wenige Tage.


Grundsätzlich setzt die Autobahnmeisterei darauf, möglichst autark arbeiten zu können: Zahlreiche Ersatzteile lagern auf dem Gelände, es gibt eine eigene Waschanlage sowie Tankstelle. Wenn am Heiligabend etwas kaputt gehe und sie Winterdienst fahren müssen, können sie laut Alexander Utz nicht auf eine externe Werkstatt warten.

Auch die meisten gängigen Verkehrsschilder liegen bereit. Weil die Farben ausbleichen, müssen sie alle zehn bis 20 Jahre ersetzt werden. Außerdem würden regelmäßig welche beschädigt.
Nicht immer sind die Straßenwärter zu sehen – und nicht immer haben Autofahrer Verständnis
Autofahrer erkennen den Einsatz der Männer in orange meist an reduzierten Geschwindigkeiten auf dem Weg. Wenn dann kein Mitarbeiter zu sehen sei, habe nicht jeder Verständnis. Dabei habe das immer seinen Grund, erklärt Utz.

An diesem Tag werden beispielsweise der Hohentwiel- und Halsberg-Tunnel gereinigt und im Hohentwiel-Tunnel gilt Tempo 60 statt 100. Auch als das Reinigungsfahrzeug nicht mehr zu sehen ist. Der Grund: Das nötige Wasser wird im Hohentwiel-Tunnel geholt. Arbeiten wie diese übernehmen teils Subunternehmen, weil sie zeitintensiv sind oder spezielle Fahrzeuge brauchen.
Verborgene Kommandozentrale des Tunnels
Der Hohentwiel-Tunnel bietet viel mehr als Wasserleitungen. Wenn Alexander Utz die dunkelgrüne Tür vor dem Tunneleingang aufschließt, öffnet er die Tür zu einer verborgenen Kommandozentrale. Hinter einem der vielen Bildschirme sitzt Thomas Maier. Wenn einer der vielen Sensoren meldet, dass die Strömungsmessung nicht plausibel ist, muss der Elektriker das kontrollieren.

Der Tunnel regelt laut Alexander Utz einige Dinge selbst: Eine Sichttrübungsanlage könne beispielsweise einen Brand erkennen und den Tunnel dann selbstständig sperren. Dann geht die Ampel auf rot und die Schranke runter. Den gleichen Effekt hat es, wenn jemand einen Feuerlöscher aus dem Tunnel nutzt. Gebrannt habe es zum Glück noch nie, doch auch ein rauchender Motor kann diese Aktionskette auslösen. Und das komme ungefähr zehnmal pro Jahr vor. Andere Sensoren sind täglich im Einsatz und regeln die Helligkeit der Beleuchtung. Denn je heller es draußen ist, desto heller ist es auch im Tunnel, damit das menschliche Auge den Unterschied möglichst gut verarbeiten kann.
Sensoren erkennen möglichen Brand – und Raser
Einer der Sensoren misst übrigens die Geschwindigkeit der Autos: "Das schnellste war mit 240 Kilometern pro Stunde unterwegs", sagt Maier. Raser wählen den Tunnel, weil der eine so gute Akustik hat. Die schätzen die Straßenwärter auch bei der jährlichen Tunnelwartung, wenn sie das Radio laut aufdrehen. Die Rechnung für die Autobahnmeisterei und deren Auftraggeber vom Bund: Wegen der vielen Technik belaufen sich allein die Stromkosten des Hohentwiel-Tunnels monatlich auf rund 10 000 Euro. "Unsere Infrastruktur bedeutet hohe Kosten", bestätigt Utz. Doch sie erleichtere ihnen auch die Arbeit: Wenn Mitarbeiter der Autobahnmeisterei Feierabend haben, übernimmt die Verkehrsrechnerzentrale in Stuttgart den Blick auf die Tunnel.

Beim Vorbeifahren grüßt der Streckenwart seine Kollegen gleich doppelt: Indem er Zeige- und Mittelfinger kurz vom Lenkrad hebt und in Form einer Winkekatze, die rechts im Fahrerfenster prangt. "Es darf auch mal gemütlich sein", sagt Utz zurück in seinem Büro, das er mit einer weiteren Winkekatze und Verkehrsschildern gestaltet hat. "Wir sind mehr hier als zuhause mit der Familie", erklärt Utz. Die Truppe halte zusammen: Als sein Kollege sich das Bein brach, organisierten sie einen Fototermin, um ihn mit einem Bild der Mannschaft aufzuheitern. Dieses Bild hängt nun im Pausenraum. Und wenn die 30 Mitarbeiter der Autobahnmeisterei vespern, grinsen ihnen die Kollegen in orange entgegen.
Zuständigkeit
Die Autobahnmeisterei in Engen betreut die Autobahn zwischen dem Dreieck Bad Dürrheim bis Stockach und Bietingen. "Wir sind die einzige Autobahn, die im Kreisverkehr endet", sagt Gerhard Braun als Betriebsleiter. 30 Mitarbeiter kümmern sich auch um 24 Regenrückhaltebecken sowie sieben WC-Anlagen, fünf Parkplätze und zwei Tunnel. Weil die B 33 bis Allensbach eine autobahnähnliche Funktion hat, ist bis Allensbach-West auch die Autobahnmeisterei zuständig.