Der Herbst zeigt sich von seiner launischen Seite. Es regnet seit Stunden ohne Unterbrechung und es ist kalt. Die im Verfall begriffenen Gebäude auf dem ehemaligen Roth-Areal in Aach versprechen höchstens Schutz vor dem Regen. Und das auch nicht überall, wie sich wenig später herausstellt, denn das Dach des ehemaligen Sägewerks hat eindeutig schon bessere Zeiten gesehen. Spannend ist es hier aber allemal. Grund genug, hier mit der SÜDKURIER Video-Serie ‚Aufgeschlossen – vergessene Orte in der Region‘ hinter die Fassade zu blicken. Hier geht es zum Video.

Aufgeschlossen wird in diesem Fall von Architektin Corinna Wagner und Sebastian Schmäh, der das Areal als Investor mit seiner Holzbaufirma aus Meersburg wieder Leben zum Leben erwecken will. Die beiden zeigen, dass die teils sehr mitgenommene historische Substanz noch ganz gut ist und sich ein nachhaltiges Baukonzept mit dem vorhandenen Denkmalschutz nicht beißen muss.

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„Die Säge war von 1895 bis 1985 in Betrieb“, sagt Sebastian Schmäh. Teile der historischen Säge sind noch heute zu sehen. Das ehemalige Sägewerk steht nicht zufällig direkt an der Aach. Der Fluss verlief, vor seiner Kanalisierung, auf der anderen Seite des Holzgebäudes und lieferte mit seiner Strömung den Antrieb für die Säge und die Mühle, die nur ein paar Meter weiter auf dem Areal steht.

Sägewerk soll saniert werden

Heute tropft es im Sägewerk durch das Dach, einige Balken mussten abgestützt werden und der Holzboden ist an den feuchten Stellen löchrig. Für Corinna Wagner und Sebastian Schmäh ist das aber kein Grund, nicht doch viel Potential in dem Gebäude zu sehen. Im Rahmen der geplanten Sanierung und Überplanung des Areals soll das Sägewerk saniert werden und künftig Platz für Ausstellungen, eventuell einen Jugendraum im Keller oder auch ein Café bieten. Dabei soll der historische Charakter des Holzgebäudes komplett erhalten bleiben. „Es ist ein idealistisches Projekt, hier gibt es nicht viel Geld zu verdienen“, gibt Sebastian Schmäh zu.

Noch befindet sich das Roth-Areal im Dornröschen-Schlaf. Mit der Sanierung und Überplanung soll das Areal aber zu einem echten ...
Noch befindet sich das Roth-Areal im Dornröschen-Schlaf. Mit der Sanierung und Überplanung soll das Areal aber zu einem echten Schmuckstück für Aach werden. | Bild: Kerle, Helene

Direkt nebenan befindet sich die ehemalige Mühle mit ihrem später hinzugekommenen Anbau. Wie alt die Mühle ist, weiß niemand genau. Der erfahrene Zimmermann, der sich auf dem Gebiet der Sanierung historischer Gebäude spezialisiert hat, schätzt ihre Entstehung auf etwa 1650. Aufschluss liefert ihm dabei die Art des Zimmerwerks im Gebäude. Die zeigt mit ihren Eichenbalken auch, dass es sich bei dem Müller um einen wohlhabenden Mann, beziehungsweise eine wohlhabende Familie gehandelt haben muss. Sonst waren im Bodenseeraum nämlich Kiefern das typischere und deutlich günstigere Baumaterial.

Zurück blieb ein Schrank voll altem Wein

Die Führung durch das Mühlengebäude ist spannend und zum Teil auch etwas skurril. Denn frühere Bewohner des Gebäudes haben beim Auszug so Einiges zurückgelassen. Zum Beispiel einen Schrank mit Wein und sogar eine Flasche mittlerweile in die Jahre gekommenen Champagner. Hier und da stehen einzelne Möbelstücke, ein Sammelsurium aus den 50er Jahren bis in die 2000er.

Der Plan von Zimmerer Sebastian Schmäh und Architektin Corinna Wagner sieht die Überplanung des ganzen Areals vor. Dazu zählen auch ...
Der Plan von Zimmerer Sebastian Schmäh und Architektin Corinna Wagner sieht die Überplanung des ganzen Areals vor. Dazu zählen auch Garteneinheiten und ein öffentlicher Zugang zur Aach. | Bild: Kerle, Helene

Zwischen grünem Teppichboden hier, historischen Holzdielen da und Pressspannwänden ist die Vorstellung nicht ganz einfach, wie es hier einmal aussehen könnte. Architektin Corinna Wagner fällt das deutlich leichter. „Mein Herz hängt im Altbau. Ich gehe viel lieber mit vorhandener Substanz um“, beschreibt sie. Altbauten hätten immer ihren eigenen Geist und seien ein erhaltenswerter Teil unserer Kultur.

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Erhalten und modernen Wohnraum mit viel Aufenthaltsqualität drum herum, das wollen die beiden in Aach schaffen. Dafür sollen zu den historischen Gebäuden sechs Doppelhaushälften und zwei Vierfamilienhäuser auf das 7000 Quadratmeter große Areal gebaut werden. Für das Projekt haben Wagner und Schmäh kreative Ideen für das Wohnen direkt an der Aach gefunden. So sollen beispielsweise Wohnungen, die keinen Balkon oder Terrasse haben, ein Stück Garten auf dem Gelände bekommen.

Wohnungen für Einheimische geplant

Das Areal soll auch für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Sebastian Schmäh schwebt ein aufgebrochener Zugang zur Aach wie in der neuen Ortsmitte vor. Heizen möchte er die historischen Gebäude am liebsten mit der Wärme aus der Aach. Das stellt aktuell allerdings noch eine echte technische Herausforderung dar, gibt er zu. Schmäh betont, dass das Roth-Areal kein Rendite-Projekt ist. Die aufwendige Sanierung der historischen Gebäude wird finanziell erst durch den Verkauf der Neubauten möglich. „Wir wollen hier Wohnungen für Einheimische schaffen“, fügt er hinzu.

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„Man muss sich an so was auch herantrauen“, vermittelt Architektin Wagner mit Blick auf das Areal. „Ich glaube aber, es ist wertvoll so etwas zu erhalten.“ Immerhin ist es die einzige erhaltene Kombination aus Säge und Mühle im Hegau, verdeutlicht sie.