Nach einer kurzen Pause haben sich die Schüler der Vorbereitungsklasse (VKL) am Engener Gymnasium wieder im Klassenzimmer zusammengefunden. Hier lernen sie von Montag bis Freitag täglich vier Stunden Deutsch. Auch Demokratie-Erziehung steht bei den 25 Schülern, die allesamt aus ihrer ukrainischen Heimat geflüchtet sind, auf dem Programm. Die Stimmung ist teils ausgelassen, es wird gequatscht und gelacht wie in jedem anderen Klassenzimmer. Das gilt aber nicht für alle Schüler. Es gibt auch die, deren Blick gesenkt ist, die in sich zurückgezogen sind. Sofort wird deutlich, welche anspruchsvolle Aufgabe die Schulen haben. Sie stehen mit dem Unterricht für geflüchtete Kinder und Jugendliche nicht nur einer organisatorischen und inhaltlichen Herausforderung gegenüber, sondern auch einer emotionalen.
Eine große Hürde ist die Sprachbarriere
Thomas Umbscheiden ist der Leiter des Gymnasiums Engen. Seit einigen Monaten sind es vor allem die geflüchteten Schüler, um die er sich am Gymnasium kümmert: „Die Schüler werden teilintegrativ unterrichtet“, sagt er, was bedeutet, dass sie einen Teil des Unterrichts als Vorbereitungsklasse zusammen lernen und den Rest der Schulzeit auf die verschiedenen Klassen an der Schule verteilt sind. Eine der größten Hürden sei die Sprachbarriere, berichtet der Direktor. Kaum jemand an der Schule beherrscht Russisch und die geflüchteten Schüler können nur wenig bis kein Englisch. Ein praktischer Helfer ist da die Kommunikation per Schulcloud, vergleichbar mit einem internen Whatsapp, die Geschriebenes per Knopfdruck in Deutsch oder Ukrainisch übersetzt. Um die geflüchteten Schüler optimal zu unterstützen, hat die Schule für jeden einen Tablet-Computer besorgt. Mit diesem nehmen die Schüler am ukrainischen Online-Unterricht teil. „Der funktioniert absolut zuverlässig“, sagt Thomas Umbscheiden und ist erstaunt, was die Ukraine trotz Kriegs gestemmt bekommt.
Schulleiter Thomas Umbscheiden: „Wir müssen unglaublich viel improvisieren.“
Die beiden Lehrer für die Vorbereitungsklasse haben selbst Kinder an der Schule und wurden aufgrund ihrer Sprachkenntnisse auf Vertragsbasis vom Land angestellt. Für die Arbeit der Schule mit der Vorbereitungsklasse stellt Schulleiter Thomas Umbscheiden fest: „Wir müssen unglaublich viel improvisieren.“ Dazu zählt beispielsweise, dass Schulmaterial und Bücher seitens der Schule angeschafft oder organisiert werden. Besonders schwierig gestalte sich der Übergang der Flüchtlingsschüler in die Berufsvorbereitung oder die Integration in die gymnasiale Oberstufe. Die Regeln seien starr und nähmen bisher keinerlei Bezug auf die veränderte Situation durch eine große Anzahl geflüchteter Schüler.
Die Mitschüler sind hilfsbereit
Bisher habe sich auch kein Politiker aus der Region, die in Landtag oder Bundestag vertreten sind, in der Schule blicken lassen, kritisiert Umbscheiden. Stolz ist er hingegen auf den freundschaftlichen und hilfsbereiten Umgang seiner Schüler mit den geflüchteten Kindern und Jugendlichen. Er betont, wie wichtig das ist, denn: „Die Schüler sind sehr traumatisiert, aber trotzdem gut drauf.“ Sorgen bereiten Thomas Umbscheiden und seinem Kollegen Daniel Jedlicka vom Anne-Frank-Schulverbund die nächsten Wochen. Durch die Belegung der alten Stadthalle und des ehemaligen Hotels Sonne werden viele weitere Kinder und Jugendliche an die Engener Schulen kommen. Und langsam aber sicher wird der Platz eng, so die Schulleiter.

Zusätzlich zu den beiden VKL, die es zuletzt an den beiden Schulen gab, werde der Schulverbund wohl eine weitere beantragen, sagte Jedlicka schon zum Ende der Sommerferien auf Anfrage. Aus Sicht derer, die die Integration organisieren, sei der Prozess kaum plan- oder steuerbar, weil nicht vorherzusehen sei, wie viele Flüchtlinge ankommen, gibt er zu bedenken. Und: „So schnell wie der Krieg kam, konnten wir nicht reagieren.“
Singen stellt sich auf viele weitere ukrainische Schüler ein
Allein in Singen kamen bis zu den Sommerferien etwa 110 aus der Ukraine geflüchtete Mädchen und Jungen in die Schulen, schreibt Bürgermeisterin Ute Seifried, in deren Fachbereich die Schulen fallen, nun auf Anfrage. Doch diese Zahl dürfte schon wieder überholt sein. Denn inzwischen werden auch die Kreissporthalle und die Uhlandhalle mit Flüchtlingen belegt. Seifried geht nach den Anmeldungen beim Einwohnermeldeamt davon aus, dass dadurch weitere 50 schulpflichtige Kinder hinzukommen. An vielen Schulen gehen sie in die VKL, in der Gemeinschaftsunterkunft Güterstraße gebe es sogar eine VKL, die als Außenklasse einer Schule läuft.
Die Rahmenbedingungen sind extrem schwierig
Je nach bisheriger Schullaufbahn und Sprachkenntnissen können Kinder aus der Ukraine aber auch direkt in die Regelklassen kommen, erklärt Seifried weiter. Doch die Rahmenbedingungen seien „extrem schwierig“. Die Schulklassen in Singen seien recht voll, VKL ebenso wie Regelklassen, und an Lehrkräften herrsche Mangel – da sei es schwierig, Kinder unterzubringen und von der VKL in die Regelklasse zu übernehmen.
Schulen haben große Herausforderungen zu meistern
Von Herausforderungen berichteten zum Ende der Sommerferien auch andere Schulleiter der Region, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Die Eichendorff-Realschule in Gottmadingen hat beispielsweise zwei VKL mit zusammen 28 Schülern eingerichtet, schreibt Schulleiterin Cosima Breitkopf. 15 von ihnen stammen aus der Ukraine. An der Peter-Thumb-Schule in Hilzingen sei an der Gemeinschaftsschule eine VKL mit 15 Schülern neu eingerichtet worden, schreibt Schulleiter Martin Trinkner. Weitere sieben Kinder, die aus der Ukraine geflüchtet sind, gehen in die Grundschulklassen der Schule, bekommen aber zusätzliche Sprachförderung.
An der Waldeckschule waren im vergangenen Schuljahr elf Kinder aus der Ukraine in der Schule, sagt Schulleiterin Anja Claßen. Sie rechnet allerdings ebenfalls damit, dass diese Zahl nun steigt.
Das Friedrich-Wöhler-Gymnasium in Singen hat laut Schulleiterin Sabine Beck 22 Schüler aus der Ukraine in den Klassenstufen fünf bis zehn. „Alle erhalten in unserer Weltklasse intensiven Deutschunterricht“, schreibt sie auf Anfrage. Manche der älteren Schüler hätten aber auch bereits Deutsch als Fremdsprache in der Ukraine gelernt. Und manche von ihnen hätten nachmittags noch Online-Unterricht, der von den bisherigen ukrainischen Schulen organisiert wird.
Beck richtet den Blick auch auf ein anderes Thema: Es gibt auch Kinder und Jugendliche, die in einer Gemeinschaftsunterkunft leben. Für sie sei die Situation besonders schwer. Daher sei es besonders wichtig, dass die Familien Wohnungen finden.