Zum Treffen mit Stadtarchivar Wolfgang Kramer im Engener Rathauskeller hat Manfred Sailer einen Teil seines privaten Archivs mitgebracht. Ein Stapel alter SÜDKURIER-Zeitungen, die die Ereignisse zwischen dem 8. und 12. September 1988 dokumentieren. Da ist von 50 000 Kehlen die Rede, aus denen am Sonntag diese besonderen Wochenendes das Badnerlied erklang. Auch die Zeitung hatte sich von der Volksfeststimmung anstecken lassen.

Alles war bis ins letzte Detail durchgeplant. In einer Mappe hat Manfred Sailer alle Einladungen gesammelt. „Wir haben damals für jeden Verein eine besondere Einladung mit Programm drucken lassen“, erinnert sich der damalige Bürgermeister. Lange haben die Unterlagen in der Schublade geschlummert. Jetzt sind sie eine exzellente Gedankenstütze bei der Rekonstruktion der damaligen Ereignisse. Und im Stadtarchiv schlummert in vier dicken Ordnern ein fotografischer Schatz. „Für Engen waren die Heimattage der Höhepunkt der Altstadtsanierung„, erinnert sich Manfred Sailer. Abgeschlossen sollte diese aber erst vier Jahre später werden. Doch schon 1988 konnte sich das bauliche Ensemble sehen lassen. Etwa 100 Millionen Mark sollten in das Großprojekt fließen. Dazu kamen noch die Investitionen der Privatleute, die ebenfalls mit Fördermitteln aus dem Städtebaufördergesetz unterstützt wurden. Sailer kann sich das schelmische Lächeln nicht verkneifen, wenn er erzählt, wie er die Stuttgarter Ministerialen davon überzeugte, dass Engen mit der Städtebauförderung den höheren Zuschuss (immerhin 66 Prozent) verdiene; das Landessanierungsprogramm hätte nur 50 Prozent hergegeben.
Als Sailer 1972 als Bürgermeister nach Engen kam, hatte er sich bereits in die verfallene Altstadt verliebt. „Die Möglichkeit, die Altstadt wieder zum Leben zu erwecken, fand ich sehr interessant“, sagt er. „Es war ja nichts durch den Krieg zerstört.“ Wer etwas mehr Geld besaß, baute sich ein Häuschen am Stadtrand. In der Altstadt lebten damals eher Menschen mit geringem Einkommen und viele Ausländer. Im Gemeinderat sei allen klar gewesen, dass man etwas tun müsse. Doch der Beschluss aus dem Jahr 1968, vom Pappenheimer bis zum Kloster alle Häuser abzureißen und einen Parkplatz dorthin zu bauen, scheiterte am Veto des Denkmalamtes. Für Sailer eine gute Voraussetzung, die Generalsanierung anzusteuern.

Der sichtbare Erfolg weckte auch das Interesse des Arbeitskreises Alemannische Heimat. Er schlug Engen für die Ausrichtung der Heimattage vom 8. bis 12. September 1988 vor. Und die Engener zogen alle Register. 70 000 Besucher wurden gezählt. Vom Volkstanz bis zum Vertriebenenverein, vom Naturschutz bis zur Landeskunde, von der Radwanderung bis zu Ritterspielen für Kinder: Das Programm bot viele Facetten. Politische Prominenz wie der damalige Ministerpräsident Lothar Späth, Regierungspräsident Norbert Nothelfer oder wichtige Verbandsvertreter bewunderten das Schmuckstück. Plötzlich war Engen in aller Munde. „Der Wandel war ein lebendiges Beispiel für die gigantische Integration in der gesamten Bundesrepublik“, bemerkt Wolfgang Kramer.

In der Engener Altstadt hatte die Sanierung eine Veränderung in der Bevölkerungsstruktur bewirkt. Man war wieder stolz auf die Stadthäuser. Und wie ein Tüpfelchen auf dem I konnte während der Heimattage schließlich auch noch das frisch renovierte Museum im Kloster St. Wolfgang eröffnet werden.

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